TE OGH 2001/9/27 6Ob176/01b

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Veröffentlicht am 27.09.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei SPÖ Sozialistische Jugend, Landesorganisation Wien, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 96/2, vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Mag. Hilmar K*****, und

2. Michael K*****, Abgeordnete zum Wiener Landtag, beide 1010 Wien, Rathaus, beide vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (einstweiliger Verfügung), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30. Mai 2001, GZ 4

R 28/01v-10, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 4. Jänner 2001, GZ 37 Cg 229/00f-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der klagenden Partei, den Beklagten werde zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen verboten zu behaupten, die klagende Partei lenke illegale Demonstrationen, bei denen es immer wieder zu Gewaltakten komme und es zahlreiche Verletzte gäbe, wodurch im Bereich der Überstunden der Wiener Polizei bereits Kosten von über 36 Millionen Schilling aufgelaufen seien, sowie sinngleiche Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die in allen Instanzen mit insgesamt 28.632,78 S (darin enthalten 4.772,13 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagten sind Abgeordnete der FPÖ zum Wiener Landtag. Sie äußerten am 21. 9. 2000 bei einem Pressegespräch der FPÖ sinngemäß, an der Spitze der Wiener Polizei agiere ein funktionierendes Politbeamtentum. Die sozialistisch besetzte Führungsetage der Wiener Polizei regiere am Minister vorbei. Es gebe kein Vorgehen gegen die vielen illegalen Demonstrationen, bei denen es immer wieder zu Gewaltakten komme und es bis jetzt insgesamt 80 Verletzte - davon 72 Polizisten - gebe. Diese Störaktionen seien großteils von der Sozialistischen Jugend gelenkt und hätten im Bereich der Überstunden der Wiener Polizei bereits über 36 Mio S gekostet. Eine diese Äußerungen beinhaltende Presseaussendung leitete die Pressestelle des Landtagsklubs der FPÖ Wien noch am selben Tag an das Netz der Austria Presseagentur weiter, von der sie an zumindest 230 Pressedienste versandt wurde.

Der klagende Verein begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, die im Spruch wiedergegebene Behauptung und/oder deren Verbreitung sowie sinngleiche Äußerungen zu unterlassen und diese öffentlich zu widerrufen. Zugleich stellte er ein mit dem Unterlassungsbegehren inhaltsgleiches Sicherungsbegehren. Der gegen den klagenden Verein erhobene Vorwurf sei unwahr. Die von den Beklagten offenbar angesprochenen "Donnerstagsdemonstrationen" seien von einer "Plattform gegen Schwarz-Blau" initiiert worden, an der der klagende Verein nicht beteiligt sei. Auch seine Vereinsorgane übten in dieser "Plattform" keine Tätigkeit aus. Überdies sei dem klagenden Verein nicht bekannt, dass es bei diesen Demonstrationen zu Gewaltakten gekommen sei. Die Vorwürfe seien sowohl ehrenbeleidigend als auch kreditschädigend, weil dem klagenden Verein ein Verstoß gegen geltende Gesetze vorgeworfen werde. Die unwahren Vorwürfe seien auch geeignet, dessen Vertrauenswürdigkeit und Kredit zu schädigen, weil er auf die Beiträge seiner Mitglieder angewiesen sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und des Sicherungsantrages. Die strittige Äußerung richte sich ausschließlich gegen die "Sozialistische Jugend", die ebenso wie der klagende Verein über eigene Rechtspersönlichkeit verfüge. Dieser sei daher nicht betroffen. Überdies sei die Äußerung zumindest in ihrem maßgeblichen Kern wahr. Der klagende Verein sei einer der führenden Initiatoren der - nicht angemeldeten und daher illegalen - "Donnerstagsdemonstrationen", bei denen es regelmäßig zu Gewalttaten gegenüber der Polizei und zu Sachbeschädigungen komme.

Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Es bejahte die Aktivlegitimation des klagenden Vereins, weil ein durchschnittlicher Adressat der Äußerungen beim Begriff "Sozialistische Jugend" nicht zwischen der Bundes- und der Landesorganisation unterscheide, sondern die Sozialistische Jugend als eine der SPÖ nahestehende Organisation verstehe. Ein durchschnittlicher Erklärungsempfänger werde den Begriff "Sozialistische Jugend" umsomehr auf die Wiener Landesorganisation beziehen, weil die meisten Demonstrationen, auf die die Beklagten anspielten ("Donnerstagsdemonstrationen"), in Wien stattgefunden hätten und ausdrücklich auf die Wiener Polizei verwiesen werde. Die Äußerungen seien sowohl Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB als auch ehrenrührig, weil damit den Mitgliedern des klagenden Vereines strafbare Handlungen vorgeworfen würden, nämlich die Bestimmungstäterschaft zu Sachbeschädigungen (§ 125 StGB) und Körperverletzungen (§ 83 StGB). Bei ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen liege die Beweislast für deren Richtigkeit bei den Beklagten. Es sei jedoch nicht bescheinigt, "dass die klagende Partei oder die Sozialdemokratische Partei Österreichs - Sozialistische Jugend illegale Demonstrationen gelenkt hat, bei denen es immer wieder zu Gewaltakten gekommen ist und es zahlreiche Verletzte gegeben hat, wodurch im Bereich der Überstunden der Wiener Polizei bereits Kosten von über 36 Mio S aufgelaufen sind." Die Richtigkeit dieser Behauptung lasse sich aus den hiefür zum Beweis vorgelegten Zeitungsartikeln und Ausdrucken von Homepages nicht entnehmen. Wenn dort auch gelegentlich von der Sozialistischen Jugend die Rede sei, werde jedoch nirgends ausgeführt, dass diese selbst an irgendwelchen Gewaltakten beteiligt gewesen wäre oder aber solche Störaktionen "gelenkt" hätte.Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Es bejahte die Aktivlegitimation des klagenden Vereins, weil ein durchschnittlicher Adressat der Äußerungen beim Begriff "Sozialistische Jugend" nicht zwischen der Bundes- und der Landesorganisation unterscheide, sondern die Sozialistische Jugend als eine der SPÖ nahestehende Organisation verstehe. Ein durchschnittlicher Erklärungsempfänger werde den Begriff "Sozialistische Jugend" umsomehr auf die Wiener Landesorganisation beziehen, weil die meisten Demonstrationen, auf die die Beklagten anspielten ("Donnerstagsdemonstrationen"), in Wien stattgefunden hätten und ausdrücklich auf die Wiener Polizei verwiesen werde. Die Äußerungen seien sowohl Tatsachenbehauptungen im Sinn des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB als auch ehrenrührig, weil damit den Mitgliedern des klagenden Vereines strafbare Handlungen vorgeworfen würden, nämlich die Bestimmungstäterschaft zu Sachbeschädigungen (Paragraph 125, StGB) und Körperverletzungen (Paragraph 83, StGB). Bei ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen liege die Beweislast für deren Richtigkeit bei den Beklagten. Es sei jedoch nicht bescheinigt, "dass die klagende Partei oder die Sozialdemokratische Partei Österreichs - Sozialistische Jugend illegale Demonstrationen gelenkt hat, bei denen es immer wieder zu Gewaltakten gekommen ist und es zahlreiche Verletzte gegeben hat, wodurch im Bereich der Überstunden der Wiener Polizei bereits Kosten von über 36 Mio S aufgelaufen sind." Die Richtigkeit dieser Behauptung lasse sich aus den hiefür zum Beweis vorgelegten Zeitungsartikeln und Ausdrucken von Homepages nicht entnehmen. Wenn dort auch gelegentlich von der Sozialistischen Jugend die Rede sei, werde jedoch nirgends ausgeführt, dass diese selbst an irgendwelchen Gewaltakten beteiligt gewesen wäre oder aber solche Störaktionen "gelenkt" hätte.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den Beklagten sei zwar zuzugestehen, dass aufgrund eines in der Tageszeitung "Die Presse" am 5. 10. 2000 erschienenen Artikels (Beilage 4) auch Mitglieder der Sozialistischen Jugend zum harten Kern der Demonstration zu zählen seien. Allein daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass der klagende Verein diese Demonstration "gelenkt" hätte. Das Erstgericht habe zu diesem Artikel zutreffend dahin Stellung bezogen, dass sich aus ihm die Richtigkeit der strittigen Behauptungen nicht hinreichend ableiten lasse. Die Äußerungen seien durch das in § 10 MRK normierte Recht der freien Meinungsäußerung nicht gedeckt und vom Erstgericht zutreffend als Verstoß gegen § 1330 Abs 1 und 2 ABGB gewertet worden.Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den Beklagten sei zwar zuzugestehen, dass aufgrund eines in der Tageszeitung "Die Presse" am 5. 10. 2000 erschienenen Artikels (Beilage 4) auch Mitglieder der Sozialistischen Jugend zum harten Kern der Demonstration zu zählen seien. Allein daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass der klagende Verein diese Demonstration "gelenkt" hätte. Das Erstgericht habe zu diesem Artikel zutreffend dahin Stellung bezogen, dass sich aus ihm die Richtigkeit der strittigen Behauptungen nicht hinreichend ableiten lasse. Die Äußerungen seien durch das in Paragraph 10, MRK normierte Recht der freien Meinungsäußerung nicht gedeckt und vom Erstgericht zutreffend als Verstoß gegen Paragraph 1330, Absatz eins und 2 ABGB gewertet worden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen seiner Würdigung der von den Beklagten zur Bescheinigung ihrer Behauptung vorgelegten Urkunden und insbesondere auch des Rekursgerichtes zum Inhalt des Berichtes der Presse vom 5. 10. 2000, Beilage 4, lassen erkennen, dass die Vorinstanzen von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Urkunden ausgingen, die die Beklagten in ihren Rechtsmittelschriften auch gar nicht bestritten haben. Unterstellt man aber als glaubhaft gemacht, dass der "harte Kern der Teilnehmer" der regelmäßig stattfindenden "Donnerstagsdemonstrationen" insbesondere auch aus Mitgliedern des klagenden Vereins (in der Pressemeldung vom 5. 10. 2000 wörtlich als "Sozialistische Jugend [SJ Wien]" bezeichnet), bestand, erweist sich die dennoch von den Vorinstanzen gezogene rechtliche Schlussfolgerung, dass die strittigen Äußerungen als unrichtige Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren seien, als verfehlt.

Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - im vorliegenden Fall politisch interessierte Zeitungsleser - bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (6 Ob 316/99k; 6 Ob 112/00i; 6 Ob 149/01g). Der Bedeutungsinhalt des Vorwurfes, der klagende Verein - dessen Betroffenheit im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig ist - habe die illegalen Demonstrationen "gelenkt", ist daher nach dem gesamten Text der Presseaussendung zu ermitteln, der Berichte in anderen Medien sowohl vorangingen als auch nachfolgten. Für die angesprochenen Leser ist unzweifelhaft erkennbar, dass die kritische Berichterstattung über das Verhalten der Wiener Polizeiführung einerseits und das Verhalten des klagenden Vereines andererseits im Rahmen einer politisch geführten Auseinandersetzung erfolgten und die in diesem Zusammenhang gewählte Formulierung, der klagende Verein "lenke" die Störaktionen, zum Ausdruck bringen sollte, dass dieser maßgebend an den die Wiener Polizei finanziell schwer belastenden Demonstrationen beteiligt sei und diese mitzuverantworten habe. Eben dieser Umstand wird aber durch Beilage 4 belegt. Auch in einem weiteren, vom Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auszugsweise wiedergegebenen Pressebericht (der Wiener Zeitung vom 14. 2. 2000, Beilage 2) wird an erster Stelle die "Sozialistische Jugend (SJ)" als Teilnehmer einer Protestveranstaltung in Wien "bei Kerzenschein und Hip-Hop Musik vor dem Denkmal der Republik beim Parlament" genannt. Nach dem ebenfalls vom Erstgericht auszugsweise wiedergegebenen Artikel der Niederösterreichischen Nachrichten vom 16. 2. 2000 (Beilage 3) hat "die SJ" gemeinsam mit der "AKS Mödling" zu einer "Anti-Regierungs-Demo" aufgerufen.

Demgegenüber stellt die "Feststellung" des Erstgerichtes, dass ein "Lenken" der Demonstrationen durch den klagenden Verein nicht bescheinigt sei, keine Tatsachenfeststellung, sondern eine rechtliche Beurteilung dar, die mit dem Inhalt der von den Vorinstanzen als bescheinigt zugrunde gelegten Zeitungsmeldungen nicht in Einklang steht. Die strittige Äußerung ist nach dem Verständnis des politisch interessierten Durchschnittslesers im Sinne eines maßgeblichen Engagements des klagenden Vereins an den kritisierten Demonstrationen auszulegen und stellt eine in ihrem Kern auf einem wahren Sachverhalt beruhende Kritik an dessen enger Verknüpfung mit den dargestellten unliebsamen Vorgängen dar. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Erstgerichtes lassen die gewählten Formulierungen nicht auch darauf schließen, dass Mitglieder des klagenden Vereins selbst strafbare Handlungen im Zusammenhang mit den kritisierten Demonstrationen begangen oder andere Personen dazu bestimmt hätten. Vielmehr sind nach dem Allgemeinverständnis mit dem Begriff "diese Störaktionen" die "vielen illegalen Demonstrationen" gemeint, nicht aber auch die anlässlich der Demonstrationen gesetzten "Gewaltakte" einschließlich der Körperverletzungen, wie im Ergebnis auch der klagende Verein in seiner Rechtsmittelbeantwortung einräumt.

Die somit insgesamt auf einem im Wesentlichen als richtig bescheinigten Tatsachenkern beruhende Kritik ist nicht rechtswidrig. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt es bei der zur Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik erforderlichen Interessenabwägung auf die Art des eingeschränkten Rechts, der Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210; RIS-Justiz RS0022917; 6 Ob 149/01g; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 60). Hiebei kommt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten und jedermann eingeräumten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 13 StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange wertende Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschreiten, kann auch eine massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (MR 1989, 15; RIS-Justiz RS0054817). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes weiter gesteckt als dies bei Privatpersonen der Fall ist, weil Politiker sich unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen (EuGRZ 1986, 424 - Lingens; ÖJZ 1991, 641 - Oberschlick). Diesen Grundsatz hat der EGMR in letzter Zeit ausgedehnt und klar ausgesprochen, dass sich auch Privatpersonen und private Vereinigungen eine kritischen Beurteilung gefallen lassen müssen, sobald sie die politische Bühne ("the arena of public debate" - die Arena der politischen Auseinandersetzung) betreten (EGMR vom 27. 2. 2001, MR 2001, 89 - Jerusalem). Diese Auffassung, der sich der Oberste Gerichtshof anschließt (6 Ob 149/01g), bedeutet für den klagenden Verein, der sich schon seinem Namen nach als politische Untergruppierung einer politischen Partei versteht, dass die Interessenabwägung hier zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung ausfällt. Die strittige Äußerung fiel im Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung zweier politischer Parteien, in der es hier im Besonderen um ihr Verhältnis zu den über Monate hindurch regelmäßig abgehaltenen Demonstrationen gegen die Koalitionsregierung ging und sind nach den eigenen Ausführungen des klagenden Vereines (zur Begründung der Wiederholungsgefahr) im Vorfeld des Wahlkampfes zur Wiener Gemeinderatswahl zu sehen. Insbesondere in Wahlkampfzeiten werden die Äußerungen von Politikern nicht auf die "Goldwaage" gelegt (6 Ob 138/01i). Nach diesen Gesichtspunkten überschreitet die im Begriff "Lenken" zum Ausdruck kommende Kritik am Engagement des klagenden Vereins an den (notorisch) illegalen Demonstrationen nicht den Rahmen des in einem politischen Meinungsstreit Zulässigen; schwerwiegende Gründe, die eine Einschränkung der Ausübung der Meinungsfreiheit in diesem Zusammenhang rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.Die somit insgesamt auf einem im Wesentlichen als richtig bescheinigten Tatsachenkern beruhende Kritik ist nicht rechtswidrig. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt es bei der zur Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik erforderlichen Interessenabwägung auf die Art des eingeschränkten Rechts, der Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (SZ 61/210; RIS-Justiz RS0022917; 6 Ob 149/01g; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 60). Hiebei kommt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten und jedermann eingeräumten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10, MRK; Artikel 13, StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange wertende Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschreiten, kann auch eine massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (MR 1989, 15; RIS-Justiz RS0054817). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amtes weiter gesteckt als dies bei Privatpersonen der Fall ist, weil Politiker sich unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen (EuGRZ 1986, 424 - Lingens; ÖJZ 1991, 641 - Oberschlick). Diesen Grundsatz hat der EGMR in letzter Zeit ausgedehnt und klar ausgesprochen, dass sich auch Privatpersonen und private Vereinigungen eine kritischen Beurteilung gefallen lassen müssen, sobald sie die politische Bühne ("the arena of public debate" - die Arena der politischen Auseinandersetzung) betreten (EGMR vom 27. 2. 2001, MR 2001, 89 - Jerusalem). Diese Auffassung, der sich der Oberste Gerichtshof anschließt (6 Ob 149/01g), bedeutet für den klagenden Verein, der sich schon seinem Namen nach als politische Untergruppierung einer politischen Partei versteht, dass die Interessenabwägung hier zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung ausfällt. Die strittige Äußerung fiel im Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung zweier politischer Parteien, in der es hier im Besonderen um ihr Verhältnis zu den über Monate hindurch regelmäßig abgehaltenen Demonstrationen gegen die Koalitionsregierung ging und sind nach den eigenen Ausführungen des klagenden Vereines (zur Begründung der Wiederholungsgefahr) im Vorfeld des Wahlkampfes zur Wiener Gemeinderatswahl zu sehen. Insbesondere in Wahlkampfzeiten werden die Äußerungen von Politikern nicht auf die "Goldwaage" gelegt (6 Ob 138/01i). Nach diesen Gesichtspunkten überschreitet die im Begriff "Lenken" zum Ausdruck kommende Kritik am Engagement des klagenden Vereins an den (notorisch) illegalen Demonstrationen nicht den Rahmen des in einem politischen Meinungsstreit Zulässigen; schwerwiegende Gründe, die eine Einschränkung der Ausübung der Meinungsfreiheit in diesem Zusammenhang rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

Der Sicherungsantrag erweist sich daher insgesamt als nicht berechtigt, sodass die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern sind.

Die Entscheidung über die Kosten des Sicherungsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm §§ 78 und 402 EO.Die Entscheidung über die Kosten des Sicherungsverfahrens beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO in Verbindung mit Paragraphen 78 und 402 EO.

Anmerkung

E63293 06A01761

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0060OB00176.01B.0927.000

Dokumentnummer

JJT_20010927_OGH0002_0060OB00176_01B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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