Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde B*****, vertreten durch Mag. Peter Handler, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, gegen die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Ernst B*****, und 2. Eva Maria B*****, beide *****, und vertreten durch Dr. Willibald Rath ua Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, Leistung, Entfernung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Mai 2001, GZ 6 R 81/01b-35, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Stainz vom 20. Dezember 2000, GZ 1 C 1189/99y-28, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden - unbeschadet der rechtskräftigen Entscheidung über das Feststellungsbegehren - aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die diesbezüglichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Gemeinde begehrte in ihrer Klage die Feststellung, dass ihr gegenüber den Beklagten als Eigentümern eines bestimmten Grundstückes die Dienstbarkeit des Gehens auf einem näher bezeichneten Weg zustehe. Sie begehrte weiters, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit einzuwilligen, Tafeln mit widersprechenden Aufschriften zu beseitigen und jede Störung der Dienstbarkeit zu unterlassen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt, weil die Klägerin die Dienstbarkeit des Gehens ersessen habe und eine Eigentumsfreiheitsersitzung nicht vorliege. Es ging hiebei nach Beschreibung der Örtlichkeit unter anderem von folgenden Feststellungen aus:
Die Klägerin ist eine Tourismusgemeinde, deren Hauptattraktion in der lieblichen Landschaft, die durch zahlreiche Wanderwege erschlossen wird, besteht. Neben einem Kurbad und einer Freizeitanlage mit öffentlichem Bad bestehen keine weiteren Attraktionen. Die Gemeinde muss ihre schöne und liebliche Landschaft "verkaufen" und tut dies zum größten Teil über die schönen Wanderwege.
Der klagsgegenständliche Weg wurde von der Allgemeinheit, das sind die Dorfbewohner wie auch Touristen und Schüler, seit mehr als 30 Jahren begangen. Als im Zuge des Prozesses zwischen zwei anderen Parteien eine dieser Parteien neben ihrem Haus einen Schranken aufstellte, damit die andere Partei nicht mehr mit dem PKW zu ihrem Haus fahren konnte und in der Folge gezwungen war, von oben her eine Zufahrt in Form eines Notweges durchzusetzen, bildete dieser Schranken bzw die später an seine Stelle tretende Kettenabsperrung für die Fußgänger kein Hindernis. Sie konnten diese Hindernisse leicht umgehen bzw über die Hindernisse drübersteigen. Der Weg wurde in beide Richtungen begangen, und zwar nicht nur zur Erreichung einer Winzerstube, sondern auch von Schülern zur Erreichung der Schule, von Spaziergängern, von Pilzesammlern und Beerensuchern. Die öffentliche Wegparzelle, die entweder durch stark verwachsenes Gelände oder durch einen sehr tiefen Hohlweg und zuletzt sehr steil bergauf führte, wurde von der Allgemeinheit gemieden. Der klagsgegenständliche Weg ist in verschiedenen Wanderkarten deutlich als solcher eingezeichnet.
Nach dem Inhalt des Kaufvertrages vom 18. 8. 1995 haben die Beklagten von ihren Rechtsvorgängern ihre Liegenschaft frei von allen bücherlichen und außerbücherlichen Lasten übernommen (dies mit bestimmten, hier jedoch nicht relevanten Ausnahmen).
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, indem es das Feststellungsbegehren (unbekämpft) abwies. Im Übrigen wurde das erstgerichtliche Urteil bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, jedoch nicht S 260.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Zum Einwand der mangelnden Notwendigkeit des gegenständlichen Weges (als Ersitzungsvoraussetzung) sei darauf zu verweisen, dass für die Ersitzung von Wegedienstbarkeiten durch Gemeinden mit bedeutendem Fremdenverkehr der Bedarf nach geeigneten Wanderwegen in ausreichender Zahl genüge. Wenn nun die Klägerin eine Tourismusgemeinde sei, deren Hauptattraktion in der lieblichen Landschaft, die durch zahlreiche Wanderwege erschlossen werde, liege und die schöne, liebliche Landschaft über die schönen Wanderwege "verkauft" werden müsse, so könne wohl am Bedarf des Weges für die Allgemeinheit kein Zweifel bestehen. Dessen Notwendigkeit gehe damit jedenfalls über eine bloße Bequemlichkeit hinaus und biete einen allgemeinen, für eine Tourismusgemeinde als erheblich anzusehenden Vorteil für die Gästewerbung, und zwar auch dann, wenn schon andere Wanderwege vorhanden seien (die möglicherweise einer Pflege bedürfen), weil die Erhöhung des Angebotes die Attraktivität eines Standortes wesentlich verbessere. Das Erfordernis der Notwendigkeit sei hier also als gegeben anzusehen.
Der Einwand der Gutgläubigkeit im Sinne des § 1500 ABGB beim Eigentumserwerb durch die Beklagten gehe ins Leere, weil der gute Glaube bei offenbaren Dienstbarkeiten ausgeschlossen sei, so auch - wie hier - beim Vorhandensein eines gebahnten Weges. Die dafür beweispflichtige Klägerin habe den Beweis erbracht, dass die Beklagten die Wegeservitut zumindest erkennen hätten müssen.Der Einwand der Gutgläubigkeit im Sinne des Paragraph 1500, ABGB beim Eigentumserwerb durch die Beklagten gehe ins Leere, weil der gute Glaube bei offenbaren Dienstbarkeiten ausgeschlossen sei, so auch - wie hier - beim Vorhandensein eines gebahnten Weges. Die dafür beweispflichtige Klägerin habe den Beweis erbracht, dass die Beklagten die Wegeservitut zumindest erkennen hätten müssen.
Aber auch auf eine Freiheitsersitzung könnten sich die Beklagten nicht wirksam berufen, wofür weder die aufgestellten Verbotsschilder noch die Absperrung geeignet seien, weil sich die Dienstbarkeitsberechtigten ("die Allgemeinheit") dem nicht gefügt hätten. Der Schranken bzw die später an seine Stelle getretene Kettenabsperrung habe für die Fußgänger kein großes Hindernis gebildet. Sie hätten das Hindernis leicht umgehen bzw über die Kette steigen können. Dies hindere die Freiheitsersitzung durch die Beklagten.
Wenn der Weg "schon seit Menschengedenken" allgemein benützt werde - was zumindest 30 Jahre bedeute -, sei die erforderliche Ersitzungszeit jedenfalls abgelaufen und daher das Wegerecht von der Klägerin (für die Allgemeinheit) ersessen worden.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob für ein Feststellungsbegehren, welches auf die Feststellung des Bestehens einer Dienstbarkeit gerichtet sei, noch ein rechtliches Interesse bestehe (§ 228 ZPO), wenn bereits eine Leistungsklage erhoben werden könne, bei deren Erfolg sich die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrige, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich erscheine und dieser Frage allgemeine Bedeutung zukomme.Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob für ein Feststellungsbegehren, welches auf die Feststellung des Bestehens einer Dienstbarkeit gerichtet sei, noch ein rechtliches Interesse bestehe (Paragraph 228, ZPO), wenn bereits eine Leistungsklage erhoben werden könne, bei deren Erfolg sich die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrige, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich erscheine und dieser Frage allgemeine Bedeutung zukomme.
Gegen den bestätigenden Teil dieser Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Zwar stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht mehr, weil die Abweisung des Feststellungsbegehrens in Rechtskraft erwachsen ist; die Revision ist aber dennoch zulässig, weil die Rechtssache im Übrigen nicht spruchreif ist. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Frage der Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehens auf einem Wanderweg durch eine Fremdenverkehrsgemeinde wird gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen, welche mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang stehen (insbesondere 10 Ob 144/99w = MietSlg 51/26; 5 Ob 709/81 = SZ 54/154 = JBl 1983, 199). Auch zu den einschlägigen Entscheidungen des erkennenden Senates (2 Ob 104/98b = MietSlg 50.231, 2 Ob 521/94 = JBl 1996, 600 = RZ 1997/7) besteht kein Widerspruch. Der Verweisung der Rechtsmittelwerber auf den in der Nähe befindlichen gemeindeeigenen Weg ist entgegenzuhalten, dass dieser nach den vorinstanzlichen Feststellungen von der Allgemeinheit gemieden wird, weil er teilweise durch stark verwachsenes Gelände und zuletzt sehr steil bergauf führt. Schon daraus ergibt sich der Bedarf nach einem geeigneteren Weg. Eine Verpflichtung der Gemeinde, die Notwendigkeit dieses Weges durch Ausbau des gemeindeeigenen Weges wieder zu beseitigen, lässt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht ableiten.Zur Frage der Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehens auf einem Wanderweg durch eine Fremdenverkehrsgemeinde wird gemäß Paragraph 510, Absatz 3, Satz 2 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen, welche mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang stehen (insbesondere 10 Ob 144/99w = MietSlg 51/26; 5 Ob 709/81 = SZ 54/154 = JBl 1983, 199). Auch zu den einschlägigen Entscheidungen des erkennenden Senates (2 Ob 104/98b = MietSlg 50.231, 2 Ob 521/94 = JBl 1996, 600 = RZ 1997/7) besteht kein Widerspruch. Der Verweisung der Rechtsmittelwerber auf den in der Nähe befindlichen gemeindeeigenen Weg ist entgegenzuhalten, dass dieser nach den vorinstanzlichen Feststellungen von der Allgemeinheit gemieden wird, weil er teilweise durch stark verwachsenes Gelände und zuletzt sehr steil bergauf führt. Schon daraus ergibt sich der Bedarf nach einem geeigneteren Weg. Eine Verpflichtung der Gemeinde, die Notwendigkeit dieses Weges durch Ausbau des gemeindeeigenen Weges wieder zu beseitigen, lässt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht ableiten.
Auch zur Freiheitsersitzung (§ 1488 ABGB) kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (vgl auch RIS-Justiz RS0034309).Auch zur Freiheitsersitzung (Paragraph 1488, ABGB) kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden vergleiche auch RIS-Justiz RS0034309).
Hingegen ist den Rechtsmittelwerbern zuzustimmen, dass anhand der vorinstanzlichen Feststellungen ein lastenfreier Erwerb gemäß § 1500 ABGB nicht ausgeschlossen werden kann. Hierauf haben sie sich unter Hinweis auf die mangelnde Offenkundigkeit der Servitut schon im erstinstanzlichen Verfahren berufen, während die Klägerin behauptet hat, die Beklagten hätten den Weg vor Erwerb ihrer Liegenschaft als Gäste selbst benutzt, die Dienstbarkeit wäre für sie offenkundig gewesen.Hingegen ist den Rechtsmittelwerbern zuzustimmen, dass anhand der vorinstanzlichen Feststellungen ein lastenfreier Erwerb gemäß Paragraph 1500, ABGB nicht ausgeschlossen werden kann. Hierauf haben sie sich unter Hinweis auf die mangelnde Offenkundigkeit der Servitut schon im erstinstanzlichen Verfahren berufen, während die Klägerin behauptet hat, die Beklagten hätten den Weg vor Erwerb ihrer Liegenschaft als Gäste selbst benutzt, die Dienstbarkeit wäre für sie offenkundig gewesen.
Das Erstgericht hat hiezu lediglich festgestellt, im fraglichen Bereich sei früher zur (nicht näher angegebenen) Zeit eines Prozesses zwischen anderen Parteien eindeutig ein Weg zu sehen gewesen, der jetzt von Wiese überwachsen sei. Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Einwand der Gutgläubigkeit im Sinne des § 1500 ABGB gehe infolge Offenkundigkeit der Servitut ins Leere, billigen zu können.Das Erstgericht hat hiezu lediglich festgestellt, im fraglichen Bereich sei früher zur (nicht näher angegebenen) Zeit eines Prozesses zwischen anderen Parteien eindeutig ein Weg zu sehen gewesen, der jetzt von Wiese überwachsen sei. Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Einwand der Gutgläubigkeit im Sinne des Paragraph 1500, ABGB gehe infolge Offenkundigkeit der Servitut ins Leere, billigen zu können.
Entscheidend ist, ob die Beklagten bei Erwerb der Liegenschaft vom Wegerecht entweder ohnehin Kenntnis hatten (vgl 2 Ob 200/00a = bbl 2001/16) oder etwa wegen des Vorhandenseins eines gebahnten Weges (vgl 5 Ob 6/62 = RZ 1962, 173) bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten (vgl auch RIS-Justiz RS0011633, RS0011676, RS0034730, RS0034803). Der erforderliche gute Glaube müsste hiebei sowohl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als auch im Zeitpunkt des Ansuchens um Einverleibung gegeben sein (1 Ob 150/99m ua; Mader in Schwimann2 § 1500 ABGB Rz 13 mwN).Entscheidend ist, ob die Beklagten bei Erwerb der Liegenschaft vom Wegerecht entweder ohnehin Kenntnis hatten vergleiche 2 Ob 200/00a = bbl 2001/16) oder etwa wegen des Vorhandenseins eines gebahnten Weges vergleiche 5 Ob 6/62 = RZ 1962, 173) bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten vergleiche auch RIS-Justiz RS0011633, RS0011676, RS0034730, RS0034803). Der erforderliche gute Glaube müsste hiebei sowohl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als auch im Zeitpunkt des Ansuchens um Einverleibung gegeben sein (1 Ob 150/99m ua; Mader in Schwimann2 Paragraph 1500, ABGB Rz 13 mwN).
Die Urteile der Vorinstanzen waren somit, soweit noch nicht Rechtkraft eingetreten ist, aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Feststellungen insbesondere dazu nachzuholen haben, ob zur maßgeblichen Zeit entsprechende Wegspuren, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten ließen, vorhanden waren. Ob sich diese Feststellungen bereits anhand der aufgenommenen Beweise treffen lassen oder ob es einer Beweisergänzung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO.
Textnummer
E63272European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0020OB00232.01H.1002.000Im RIS seit
01.11.2001Zuletzt aktualisiert am
24.05.2011