TE OGH 2001/10/10 10ObS270/01f

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Gunter Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Georgine H*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Ursula Zerzawy, 2560 Berndorf, Hauptstraße 76, als einstweilige Sachwalterin, diese vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwältin in Berndorf, gegen die beklagte Partei Bundespensionsamt, 1031 Wien, Barichgasse 38, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 - 19, wegen Pflegegeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2001, GZ 9 Rs 99/01x-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Dezember 2000, GZ 5 Cgs 219/00y-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.583,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 763,84 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 11. 11. 1929 geborene Klägerin, die nach einem im März 2000 erlittenen Schlaganfall in einem Pflegeheim untergebracht ist, leidet an einem Zustand nach intracerebraler Blutung links mit halbseitiger Lähmung rechts, Schulter-Arm-Syndrom rechts, Hypercholesterinanämie, Osteoporose, Hypertonie sowie an einem Zustand nach cerebralem Anfall vor 13 Jahren und einer Hysterektomie. Sie kann vorgeschnittene und vorbereitete Mahlzeiten selbständig einnehmen, bedarf allerdings der Hilfe bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Sie benötigt Hilfe beim An- und Ausziehen sowie bei der Einnahme von Medikamenten. Die Klägerin ist inkontinent und benötigt bei der Reinigung Fremdhilfe. Sie ist nicht mobil im engeren Sinn. Sie benötigt weiters Hilfe bei der täglichen Körperpflege sowie bei der Verrichtung der Notdurft. Nach dem Schlaganfall ist der Antrieb nicht gegeben, daher müssen zu Verrichtungen immer wieder Motivationen erfolgen (zB zum Essen). Ferner benötigt sie Hilfe bei der Herbeischaffung von Lebensmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie der Pflege der Leib- und Bettwäsche. Die Klägerin ist nicht mobil im weiteren Sinn.

Mit Bescheid des beklagten Bundespensionsamtes vom 28. 8. 2000 wurde der Klägerin ab 1. 5. 2000 ein Pflegegeld der Stufe 4 von monatlich S

8.535 zuerkannt.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. 5. 2000 Pflegegeld der Stufe 5 zu gewähren. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass der Pflegebedarf der Klägerin mehr als 180 Stunden monatlich betrage und die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson erforderlich sei. Die Voraussetzungen für das begehrte Pflegegeld der Stufe 5 seien daher erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass der gebührende Pflegegeldbetrag der Stufe 5 im Spruch auch ziffernmäßig festgelegt wurde. Es stellte ergänzend fest, dass infolge der Immobilität der Klägerin nach dem Schlaganfall eine Rufbereitschaft gegeben sein müsse. Es sei der Klägerin möglich, aktiv mit einer Glocke Hilfe zu holen. Die Klägerin könne sich mit dem Rollstuhl selbst nicht fortbewegen. Sie benötige mehr als fünf koordinierte Pflegeeinheiten. Es liege eine Stuhl- und Harninkontinenz vor und es könne die Klägerin aktiv Hilfe herbeiholen. Die Klägerin werde sicherlich ein- bis zweimal in der Nacht einnässen. Die Notwendigkeit eines Wickelns in der Nacht sei nicht über das normale Ausmaß hinaus erforderlich.

Das Berufungsgericht verwies in rechtlicher Hinsicht insbesondere darauf, dass bei der Klägerin eine so weitgehende Immobilität vorliege, dass sie selbständig nur mehr vorgeschnittene und vorbereitete Mahlzeiten einnehmen könne, im Übrigen aber rund um die Uhr auf Pflegeleistungen angewiesen sei. Es müsse der Klägerin die Möglichkeit gegeben sein, sich mit einer Glocke oder durch Rufen bemerkbar zu machen, um Kontakt mit einer Pflegeperson aufnehmen zu können bzw bedürfe die Klägerin der Kontaktaufnahme durch eine Pflegeperson in angemessener Zeit. Eine andere Möglichkeit der Kontaktaufnahme bestehe für die Klägerin nicht mehr, weil sie sich mit dem Rollstuhl selbst nicht mehr fortbewegen könne. Berücksichtige man insbesondere den Pflegebedarf durch Stuhl- und Harninkontinenz, müsse der Klägerin die Möglichkeit verbleiben, durch Inanspruchnahme einer Glocke sich bemerkbar zu machen, was aber die Bereitschaft, wenn auch nicht die dauernde Anwesenheit, einer Pflegeperson voraussetze. Die Klägerin erfülle daher die Anspruchsvoraussetzungen für ein Pflegegeld der Stufe 5.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des über die Pflegegeldstufe 4 hinausgehenden Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Rechtzeitigkeit der Revision ist auf Grund der vom Obersten Gerichtshof durchgeführten Erhebungen als bescheinigt anzunehmen, dass die am 27. 6. 2001 offenbar irrtümlich dem Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland unter der Adresse "2700 Wiener Neustadt, Gröhrmühlgasse 4 - 6" zugestellte Ausfertigung des Berufungsurteiles der beklagten Partei am Freitag, den 29. 6. 2001, zugekommen ist, sodass die am Freitag, den 27. 7. 2001, also am letzten Tag der Frist, zur Post gegebene Revision rechtzeitig erhoben wurde.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Unstrittig ist zunächst davon auszugehen, dass der Pflegebedarf der Klägerin durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt. Für das Vorliegen der von der Klägerin begehrten und von den Vorinstanzen bejahten Pflegegeldstufe 5 ist es notwendig, dass bei ihr zusätzlich ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist, wie er in § 6 EinstV dahin näher definiert wird, dass dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist. Solche dauernde Bereitschaft ist dahingehend zu verstehen, dass die Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit der Pflegebedürftigen aufnimmt (SSV-NF 10/129, 11/48, 10 ObS 64/99f, 10 ObS 113/00s ua; RIS-Justiz RS0106361). Sie verlangt jedoch nicht die permanente Anwesenheit der Pflegeperson beim oder in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen selbst, zumal die Erbringung der Pflegeleistungen nicht unverzüglich notwendig sondern auch in gewissen zeitlichen Abständen möglich ist (Fürstl-Grasser/Pallinger, Die neue Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeld samt Erläuterungen; SozSi 1999; 282 ff [287]). Ob das Erfordernis einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson besteht, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage, die ausgehend von den Feststellungen über die Bedürfnisse der Betroffenen im konkreten Fall zu prüfen ist.Unstrittig ist zunächst davon auszugehen, dass der Pflegebedarf der Klägerin durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt. Für das Vorliegen der von der Klägerin begehrten und von den Vorinstanzen bejahten Pflegegeldstufe 5 ist es notwendig, dass bei ihr zusätzlich ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist, wie er in Paragraph 6, EinstV dahin näher definiert wird, dass dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist. Solche dauernde Bereitschaft ist dahingehend zu verstehen, dass die Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit der Pflegebedürftigen aufnimmt (SSV-NF 10/129, 11/48, 10 ObS 64/99f, 10 ObS 113/00s ua; RIS-Justiz RS0106361). Sie verlangt jedoch nicht die permanente Anwesenheit der Pflegeperson beim oder in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen selbst, zumal die Erbringung der Pflegeleistungen nicht unverzüglich notwendig sondern auch in gewissen zeitlichen Abständen möglich ist (Fürstl-Grasser/Pallinger, Die neue Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeld samt Erläuterungen; SozSi 1999; 282 ff [287]). Ob das Erfordernis einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson besteht, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage, die ausgehend von den Feststellungen über die Bedürfnisse der Betroffenen im konkreten Fall zu prüfen ist.

Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin als Folge des Schlaganfalles eine so weitgehende Immobilität vorliegt, dass sie sich auch mit dem Rollstuhl nicht mehr selbst fortbewegen kann und selbständig nur mehr vorgeschnittene und vorbereitete Mahlzeiten einnehmen kann, während sie bei den übrigen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen ist. Da die Klägerin antriebslos ist, muss sie auch zu der ihr noch möglichen Einnahme von Mahlzeiten angehalten werden. Sie benötigt mehr als fünf koordinierte Pflegeeinheiten und ist überdies harn- und stuhlinkontinent. Dieser Zustand erfordert auch nach Ansicht des erkennenden Senates die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson, wodurch sichergestellt ist, dass die Klägerin jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit der Klägerin aufnimmt. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung von Pflegegeld der Stufe 5 auf Grund funktionsbezogener Einstufung bejaht. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die in den Rechtsmittelschriften auch relevierte Frage, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Einstufung auch auf Grund diagnosebezogener Kriterien (§ 4a Abs 3 BPGG) erfüllt wären. Der von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang gerügte Feststellungsmangel ist daher nicht entscheidungsrelevant.Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin als Folge des Schlaganfalles eine so weitgehende Immobilität vorliegt, dass sie sich auch mit dem Rollstuhl nicht mehr selbst fortbewegen kann und selbständig nur mehr vorgeschnittene und vorbereitete Mahlzeiten einnehmen kann, während sie bei den übrigen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen ist. Da die Klägerin antriebslos ist, muss sie auch zu der ihr noch möglichen Einnahme von Mahlzeiten angehalten werden. Sie benötigt mehr als fünf koordinierte Pflegeeinheiten und ist überdies harn- und stuhlinkontinent. Dieser Zustand erfordert auch nach Ansicht des erkennenden Senates die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson, wodurch sichergestellt ist, dass die Klägerin jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit der Klägerin aufnimmt. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung von Pflegegeld der Stufe 5 auf Grund funktionsbezogener Einstufung bejaht. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die in den Rechtsmittelschriften auch relevierte Frage, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Einstufung auch auf Grund diagnosebezogener Kriterien (Paragraph 4 a, Absatz 3, BPGG) erfüllt wären. Der von der beklagten Partei in diesem Zusammenhang gerügte Feststellungsmangel ist daher nicht entscheidungsrelevant.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, wobei allerdings bei der im Kostenverzeichnis richtig angegebenen Bemessungsgrundlage von S 50.000 (§ 77 Abs 2 ASGG) der Ansatz richtigerweise S 2.387 beträgt (BGBl II 2001/227). Die beklagte Partei hat als "Versicherungsträger" im Sinne des § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG, wobei allerdings bei der im Kostenverzeichnis richtig angegebenen Bemessungsgrundlage von S 50.000 (Paragraph 77, Absatz 2, ASGG) der Ansatz richtigerweise S 2.387 beträgt (BGBl römisch II 2001/227). Die beklagte Partei hat als "Versicherungsträger" im Sinne des Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer eins, ASGG die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen.

Anmerkung

E63435 10C02701

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:010OBS00270.01F.1010.000

Dokumentnummer

JJT_20011010_OGH0002_010OBS00270_01F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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