Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** KEG, ***** vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagten Parteien 1) E***** Gesellschaft m. b. H. & Co KG, und 2) E***** Gesellschaft m. b. H., beide ***** beide vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger und Mag. Markus Stranimaier, Rechtsanwälte in Bischofshofen, wegen 406.768 S sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Juni 2001, GZ 4 R 87/01v-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. Februar 2001, GZ 10 Cg 209/99-14, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 22.752,18 S (darin 3.792,03 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei stellte der erstbeklagten Partei - die zweitbeklagte Partei ist deren Komplementärin - Fliesenleger aufgrund eines Arbeitskräfteüberlassungsvertrags zur Verfügung. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Stundensatz von 320 S zuzüglich Umsatzsteuer für jede Arbeitsstunde der überlassenen Arbeitskräfte. Weitere Vereinbarungen wurden nicht getroffen. Alle der erstbeklagten Partei überlassenen Arbeitskräfte verfügten über die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Platten- und Fliesenleger.
Die klagende Partei begehrte - nach Abzug einer vorprozessualen Teilzahlung - den Zuspruch von 406.768 S sA für die von den überlassenen Arbeitskräften geleisteten Arbeitsstunden.
Die beklagten Parteien wendeten unter anderem die "mangelnde Qualifikation des beigestellten Leiharbeiterpersonals" ein. Gravierende Ausführungsmängel hätten einen derzeit noch nicht bezifferbaren Schaden verursacht, der bis zur Höhe des Klageanspruchs aufrechnungsweise eingewendet werde.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 406.768 S zu Recht, "eine Gegenforderung" der beklagten Parteien dagegen nicht zu Recht bestehe. Demnach verurteilte es die beklagten Partei zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 406.768 S sA.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach ferner aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach dessen Ansicht reicht die vom Erstgericht getroffene Feststellung über die "bestandene Lehrabschlussprüfung der Fliesenleger allein ... nicht aus", um "den gegen die Klagsforderung einredeweise geltend gemachten Preisminderungsanspruch zu verneinen". Im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung habe der Überlassende nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dafür Gewähr zu leisten, dass die Arbeitskräfte eine durchschnittliche berufliche und fachliche Qualifikation aufwiesen und arbeitsbereit seien. Den Maßstab für die durchschnittliche Qualifikation und Arbeitsbereitschaft bestimme die redliche Verkehrsübung. Eine Minderleistung, aber auch eine Fehlerhaftigkeit des Arbeitsergebnisses genügten "für sich allein" nicht, um auf eine unterdurchschnittliche Qualifikation der überlassenen Arbeitskräfte zu schließen. Die beklagten Parteien hätten jedoch "Fehler und Mängel" der Arbeitsleistung behauptet, angesichts deren eine unterdurchschnittliche Qualifikation der überlassenen Arbeitskräfte nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne. Deshalb könne ohne eine vorgreifende Beweiswürdigung auch nicht gesagt werden, die Aufnahme des von den beklagten Parteien zur Qualifikationsfrage angebotenen Sachverständigenbeweises werde keinen Beitrag zur Klärung des erörterten Themas leisten können. Der Sachverständigenbeweis sei daher im fortgesetzten Verfahren aufzunehmen. In der Folge sei festzustellen, "ob die überlassenen Fliesenleger durchschnittlich qualifiziert" gewesen seien. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Lösung der Rechtsfrage, "ob bei der Überlassung von Arbeitskräften ein entsprechender Lehrabschluss für die Annahme ihrer durchschnittlichen beruflichen Qualifikation" genüge, nicht nur für den Anlassfall von Bedeutung sei.
Der Rekurs ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Seit der Entscheidung 7 Ob 723/81 (= SZ 55/115) entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Überlassende nur für das Vorhandensein einer durchschnittlichen Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft der überlassenen Arbeitskräfte einzustehen hat. Er haftet dagegen - offenkundig unter der Voraussetzung einer durchschnittlichen Qualifikation der überlassenen Arbeitskräfte - nicht für eine mangelnde Qualität der Arbeitsleistung (5 Ob 141/01y; SZ 61/44; SZ 56/129 ua).
Schon daraus folgt, dass der Überlassende aus dem Titel der Gewährleistung verschuldensunabhängig (SZ 49/66; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 922 Rz 10; Welser in Koziol/Welser II1163) nicht etwa dafür einzustehen hat, dass die überlassene Arbeitskraft eines bestimmten Zeugnisses über ihre Berufsbefähigung entbehrt, sondern nur dafür, dass sie über die - durch ein solches Zeugnis zunächst indizierte - zumindest durchschnittliche berufliche Qualifikation aus bestimmten Gründen tatsächlich nicht verfügt. Allein das Vorhandensein eines bestimmten Zeugnisses klärt daher die maßgebende berufliche Qualifikationsfrage noch nicht abschließend.
2. Die klagende Partei meint, sie müsse sich bei ihren "Einstellungsgesprächen" mangels eigener Kenntnisse "in den jeweiligen Fachbereichen" mit der Überprüfung der Facharbeiterqualifikation der Bewerber begnügen. Fehle es an Anhaltspunkten für eine "nicht ausreichende Fachausbildung", so dürfe sie aufgrund eines erfolgreichen Lehrabschlusses "zumindest eine durchschnittliche berufliche Qualifikation" solcher Bewerber unterstellen. Man könne "schwer" verlangen, dass sie die Arbeiter einer "Prüfung" unterziehe, obgleich sie selbst in den jeweiligen Berufsbereichen nicht fachkundig sei.
Mit diesen Ausführungen verkennt die klagende Partei die unterschiedlichen Voraussetzungen von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen. Der Gewährleistungsanspruch ist, wie schon unter 1. erläutert wurde, verschuldensunabhängig. Demnach hat die klagende Partei für eine unterdurchschnittliche Qualifikation überlassener Arbeitskräfte nach Gewährleistungsrecht auch dann einzustehen, wenn sie einen solchen Ausbildungsmangel weder anlässlich der Einstellung der Arbeitskräfte noch im Zeitpunkt ihrer Überlassung kannte oder wenigstens hätte kennen müssen. Im Austauschverhältnis mit dem für die Arbeitskräfteüberlassung vereinbarten Entgelt steht die Überlassung zumindest durchschnittlich qualifizierter Arbeitskräfte. Wäre dieses Verhältnis subjektiver Äquivalenz durch eine unterdurchschnittliche Qualifikation der überlassenen Arbeitskräfte gestört, so hätte die klagende Partei dafür Gewähr zu leisten.
Den bisherigen Erwägungen zufolge stützte das Berufungsgericht seinen Aufhebungsbeschluss auf eine zutreffende Rechtsansicht. Erst wenn das Erstgericht den vom Berufungsgericht aufgezeigten Feststellungsmangel behoben haben wird und danach allenfalls feststünde, dass die klagende Partei der erstbeklagten Partei nicht einmal durchschnittlich qualifizierte Arbeitskräfte überließ, könnten die Rekursausführungen zur Qualifikationsfrage allenfalls für Schadenersatzansprüche gegen die klagende Partei Bedeutung erlangen, erwiese sich doch die Lösung der Verschuldensfrage erst dann als präjudiziell. Auch die beklagten Parteien unterschieden in ihrem Prozessvorbringen erster Instanz bisher nicht zureichend zwischen einer allfälligen Minderung des eingeklagten Entgeltanspruchs nach Gewährleistungsrecht und aufrechnungsweise einwendbaren Schäden. Solche Schäden wurden bisher noch gar nicht beziffert.
3. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung der zweiten Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Unter 1. wurde dargelegt, dass jene Frage, derentwegen das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuließ, keine präjudizielle erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist. Auch sonst hängt die Entscheidung im derzeitigen Verfahrensstadium nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab. Somit ist aber der Rekurs gemäß § 526 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
Die beklagten Parteien wiesen auf die Unzulässigkeit des Rekurses der klagenden Partei hin. Ihre Rekursbeantwortung diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, sodass ihnen deren Kosten gemäß § 41 iVm § 52 Abs 1 ZPO zuzusprechen sind.Die beklagten Parteien wiesen auf die Unzulässigkeit des Rekurses der klagenden Partei hin. Ihre Rekursbeantwortung diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, sodass ihnen deren Kosten gemäß § 41 in Verbindung mit § 52 Abs 1 ZPO zuzusprechen sind.
Textnummer
E63539European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00203.01M.1022.000Im RIS seit
21.11.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2011