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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde der Bundesministerin für Justiz, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom 22. September 2006, AZ 2 Vk 72/06, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Kostenentscheidung des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Leiters einer Justizanstalt vom 12. Juli 2006 wurde dem Strafgefangenen S. zur Last gelegt, er habe an einem bestimmten Tag vorsätzlich dadurch entgegen näher bezeichneten Bestimmungen des StVG gehandelt, dass er von einem ihm gewährten Ausgang in der Dauer von 12 Stunden (endend mit 18.30 Uhr) nicht wieder eingerückt sei, sondern sich erst am Folgetag um 19.35 Uhr in der Justizanstalt selbst gestellt habe. Er habe dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z 8 StVG begangen und wurde hiefür gemäß § 109 Z 5 und § 114 StVG mit der Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes mit Entzug der Arbeit in der Dauer von zwei Wochen bestraft. Der Vollzug eines Teiles der verhängten Ordnungsstrafe, und zwar sieben Tage strenger Hausarrest mit Entzug der Arbeit, wurde unter Bestimmung einer Probezeit von sechs Monaten bedingt nachgesehen. Ein Verfahrenskostenbeitrag für das Ordnungsstrafverfahren I. Instanz wurde nicht bestimmt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der gegen das erstinstanzliche Erkenntnis erhobenen Beschwerde des Strafgegangenen S. keine Folge gegeben und die Kosten des Strafverfahrens I. Instanz mit EUR 21,-- und jene des Beschwerdeverfahrens vor der belangten Behörde mit EUR 42,-- bestimmt. Zur Kostenentscheidung heißt es begründend, zur Berechnung der Kosten werde ein Tag Freiheitsstrafe gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit EUR 15,-- bewertet, sodass im Verfahren erster Instanz ein Kostenbeitrag von EUR 1,50 (10 %) und im Berufungsverfahren ein solcher von EUR 3,-- (20 %) pro Tag zu bemessen sei. Da bereits bei der minderschweren Sanktion der Geldbuße eine Kostenfolge entstehe, sei der Hausarrest " hinsichtlich der einzuhebenden Kosten sinngemäß einer Freiheitsstrafe gleichzusetzen (Hinweis auf eine Vorentscheidung der belangten Behörde).
Sei somit der vom Bestraften zu leistende Beitrag des Berufungsverfahrens mit EUR 42,-- zu bemessen gewesen, habe jener für das Verfahren I. Instanz (in welchem ein Kostenbeitrag nicht vorgeschrieben worden sei) mit EUR 21,-- festgesetzt werden können, weil gemäß § 11g Z 2 VStG die Vollzugskammern im Beschwerdeverfahren wegen eines Ordnungsstraferkenntnisses § 51 Abs. 6 VStG anzuwenden hätten und dieser Bestimmung zufolge das Verbot der reformatio in peius für die Kostenentscheidung nicht gelte.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz (§ 121 Abs. 5 StVG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdeverfahren sind insbesondere folgende gesetzliche
Bestimmungen von Bedeutung:
§ 109 StVG (idF BGBl. Nr. 799/1993) lautet:
"Strafen für Ordnungswidrigkeiten
§ 109. Als Strafen für Ordnungswidrigkeiten kommen nur eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen in Betracht:
1.
der Verweis;
2.
die Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen;
3.
die Beschränkung oder Entziehung der Rechte auf Verfügung über das Hausgeld (§ 54), Fernsehempfang (§ 58), Briefverkehr (§ 87), Besuchsempfang (§ 93) oder Telefongespräche (§ 96a);
4.
die Geldbuße;
5.
der Hausarrest."
Nach § 113 StVG (idF BGBl Nr. 136/2004) darf die Geldbuße den Betrag von EUR 200,-- nicht übersteigen und ist vom Hausgeld in angemessenen Teilbeträgen einzubehalten.
Die §§ 114 (idF BGBl. Nr. 799/1993) und 115 StVG (idF BGBl. Nr. 144/1969) lauten:
"Hausarrest
§ 114. (1) Die Strafe des einfachen oder strengen Hausarrestes darf nur bei Überwiegen erschwerender Umstände verhängt werden. Der Hausarrest darf vier Wochen nicht übersteigen.
(2) Während der Zeit des Hausarrestes ist der Strafgefangene in einem besonderen Einzelraum anzuhalten; bei Strafgefangenen, die in Einzelhaft angehalten werden, kann in leichteren Fällen im Straferkenntnis angeordnet werden, dass sie den Hausarrest in ihrem gewöhnlichen Haftraum zu verbüßen haben. Der Strafgefangene entbehrt während dieser Anhaltung die im § 109 Z 3 genannten Rechte und die ihm gewährten Vergünstigungen, soweit nicht bei einfachem Hausarrest einzelne dieser Rechte oder Vergünstigungen zur Erreichung des erzieherischen Strafzweckes im Straferkenntnis ausdrücklich aufrechterhalten werden. Bei der Bewegung im Freien ist der Strafgefangene von anderen getrennt zu halten. Der Strafgefangene darf nur mit Arbeiten beschäftigt werden, die im Haftraum verrichtet werden können.
(3) Wird strenger Hausarrest verhängt, so ist im Straferkenntnis für die Dauer des Hausarrestes zumindest eine der nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:
1. Beschränkung der Zeit, in der der Haftraum künstlich beleuchtet wird;
2. Entzug der Arbeit.
Nichteinrechnung in die Strafzeit
§ 115. Hat sich ein Strafgefangener durch eine Selbstbeschädigung oder durch eine andere Ordnungswidrigkeit vorsätzlich seiner Arbeitspflicht entzogen, so ist dem Strafgefangenen die wegen dieser Ordnungswidrigkeit im Hausarrest zugebrachte Zeit ganz oder teilweise nicht in die Strafzeit einzurechnen. Hierüber hat das Vollzugsgericht auf Antrag des Anstaltsleiters zu entscheiden (§ 16 Abs. 2 Z. 6)."
Für Ordnungswidrigkeiten gilt (ua) § 64 VStG sowohl im Verfahren erster Instanz (§ 107 Abs. 4 StVG) als auch im Verfahren zweiter Instanz vor der belangten Behörde (§ 11g Z 2 VStG).
§ 64 VStG lautet auszugsweise:
"Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je 1,50 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 15 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
(3) ..."
Gemäß § 10 VStG richten sich Strafart und Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, sofern im VStG nicht Anderes bestimmt ist (was hier nicht der Fall ist).
Die beschwerdeführende Bundesministerin bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, die Ordnungsstrafe des Hausarrestes sei als Freiheitsstrafe im Sinne des § 64 Abs. 2 VStG zu qualifizieren, wobei es ihr nach den Beschwerdeausführungen auch darum geht, zur Erzielung von Rechtssicherheit die grundsätzliche Rechtsfrage der Bestimmung von Kostenbeiträgen in Ordnungsstrafverfahren an den Verwaltungsgerichtshof heranzutragen.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Zunächst ist hervorzuheben, dass nach § 64 Abs. 2 VStG eine Kostenbeitragspflicht nur bei Geld- oder Freiheitsstrafen vorgesehen ist, nicht aber bei Strafen anderer Art, etwa beim Verfall gemäß § 17 VStG, die ja nach den einzelnen Verwaltungsvorschriften (siehe § 10 VStG) vorgesehen sein können (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1984, Zl. 82/03/0196, Slg. 11316/A, dort betreffend eine Nebenstrafe in Form des Entzuges einer Jagdkarte; vgl. auch Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm. 15 zu § 64 VStG).
Im Beschwerdefall ist daher zu prüfen, ob die im Ordnungsstrafverfahren verhängte Strafe des Hausarrestes als "Freiheitsstrafe" im Sinne des § 64 Abs. 2 VStG zu qualifizieren ist (die Qualifikation als "Geldstrafe" scheidet von vornherein aus). Das ist zu verneinen. Diese Bestimmung stellt nämlich bloß auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe ab, nicht aber auf nähere Begünstigungen oder Verschärfungen, sodass auch für die Bemessung der Kostenbeitragspflicht ein Tag Freiheitsstrafe mit pauschal EUR 15,-- wie eine entsprechende Geldstrafe bewertet wird, ohne weiter nach Vergünstigungen oder Verschärfungen zu differenzieren. Einem Strafgefangenen, also jemandem, der eine Freiheitsstrafe verbüßt, ist aber begrifflich die Freiheit (für die Dauer dieser Maßnahme) bereits entzogen. Die Ordnungsstrafe des Hausarrestes bewirkt zwar eine "Verschärfung" des Haftübels, worauf es aber nach dem zuvor Gesagten nach § 64 Abs. 2 VStG nicht ankommt. Die Ordnungsstrafe des Hausarrestes bewirkt für sich allein, wie sich aus § 115 StVG ergibt, auch noch keine Verlängerung der Strafzeit. Die Entscheidung, ob eine im Hausarrest zugebrachte Zeit ganz oder teilweise nicht in die Strafzeit einzurechnen ist, obliegt nämlich dem Vollzugsgericht. Damit kann die Dauer einer allfälligen Verlängerung der Strafhaft durch eine solche Nicht-Einrechnung in die Strafzeit auch nicht als Freiheitsstrafe im Sinne des § 64 Abs. 2 VStG verstanden werden, weil diese Verlängerung durch eine gerichtliche Entscheidung und nicht durch ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis erfolgt, Letzteres aber Voraussetzung für einen Kostenbeitragspflicht gemäß § 64 VStG wäre.
Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass bei Verhängung der Strafe des Hausarrestes im Verwaltungsstrafverfahren über Ordnungswidrigkeiten nach dem StVG der Bestrafte keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG) zu leisten hat. Auch die Vorschreibung eines Mindestbeitrages gemäß § 64 Abs. 2 VStG kommt bei anderen Ordnungsstrafen als jenen der Geldbuße nicht in Betracht (siehe dazu auch Drexler, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, Rz 1 zu § 64 VStG).
Die Kostenentscheidung im angefochtenen Bescheid war demnach inhaltlich rechtswidrig.
Die bekämpfte Kostenentscheidung ist aber auch aus einem weiteren Grund inhaltlich rechtswidrig, nämlich insoweit die belangte Behörde damit erstmals die Kosten des Strafverfahrens in erster Instanz bestimmt hat: Da das erstinstanzliche Straferkenntnis keinen Kostenausspruch enthält, war die belangte Behörde nur zu einem Kostenausspruch betreffend das Berufungsverfahren berechtigt, was in der Beschwerde ebenfalls zutreffend geltend gemacht wird (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1984, Zl. 83/10/0270, und vom 19. Oktober 1988, Zl. 88/02/0137).
Die bekämpfte Kostenentscheidung des angefochtenen Bescheides war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 21. Februar 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006060286.X00Im RIS seit
04.04.2007