TE OGH 2001/10/23 14Os129/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2001
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Dieter M***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Unzuständigkeitsurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. August 2001, GZ 39 Vr 351/01-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht sprach aus, dass es zur Entscheidung über die gegen Hans Dieter M***** unter anderem wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes (richtig: wegen mehrerer teils im Versuchsstadium verbliebener Verbrechen des Raubes) nach §§ 142 Abs 1, 15 StGB erhobene Anklage - wonach dieser durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, A) abgenötigt habe, nämlich am 15. Feber 2001 in Mödling 250 S Bargeld, indem er gegenüber Alina B***** geäußert habe, er sei HIV-positiv, sie solle ihm Geld geben, wobei er eine Einwegspritze in der Hand hielt (S 243) sowie B) jeweils Bargeld abzunötigen versucht habe, indem er 1. am 9. März 2001 in Traiskirchen gegenüber Ines P***** gesagt habe: "So, jetzt gebens ma bitte das Börsel, weil i hab a HIV-Spritzen, sonst stich i es ihna eine", wobei er ihr eine Einwegspritze entgegengehalten habe, und 2. am 21. Feber 2001 in Guntramsdorf, indem er gegenüber Wilhelmine L***** geäußert habe: "Entschuldigen sie, ich hab hier ein HIV-verseuchtes Blut. Ich will die Börse", wobei er ihr eine mit bräunlich-roter Flüssigkeit gefüllte Einwegspritze entgegengehalten habe (ON 19) - nicht zuständig sei (§ 261 Abs 1 StPO), weil die bei den Taten verwendeten Injektionsnadeln als Waffe im Sinne des § 143 zweiter Fall StGB zu beurteilen seien. Es liege sohin der Verdacht in die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes fallender Verbrechen des (teils vollendeten, teils versuchten) schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall (15) StGB vor.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung vertreten einen materiellen und eigenständig für § 143 StGB nach funktionalen Kriterien entwickelten Waffenbegriff. Demnach gehören dazu alle Gegenstände, die als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Raubdrohung ad hoc geeignetes Instrument gebraucht werden und bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den Waffen des § 1 WaffG gleichwertig sind; denen also die Eignung zukommt, die Abwehrfähigkeit des Opfers durch unmittelbare Einwirkung herabzusetzen und solcherart den Gewahrsamsbruch zu erleichtern (Eder-Rieder in WK2 Rz 16 ff, Leukauf/Steininger Komm3 RN 10 f, Kienapfel BT II3 Rz 20).

Unter Ablehnung der von diesen Kommentatoren ohne weitere Erörterung zitierten Entscheidung EvBl 1976/119 = RZ 1975/98, in welcher ohne nähere Begründung unter anderem "Injektionsspritzen" lediglich als anderes Mittel im Sinne der §§ 109 Abs 3 Z 2, 129 Z 4 StGB bezeichnet werden, ist auszuführen, dass die vom Angeklagten zur Verübung der Taten verwendeten Injektionsspritzen sehr wohl dem Waffenbegriff des § 143 zweiter Fall StGB zu unterstellen sind (so schon 15 Os 23, 24/01):

Gezielt oder unkontrolliert verwendet können mit einer Injektionsspritze samt zugehöriger Nadel erhebliche Verletzungen im Kopf- (insbesondere Augen-), Hals- und Brustbereich, aber auch eine Luftembolie verursacht werden, welche zu einer zumindest kurzzeitigen, aber keineswegs zu vernachlässigenden Herabsetzung der Abwehrfähigkeit eines Opfers führen und den angestrebten Gewahrsamsbruch erleichtern.

Hiebei ist ohne Belang, dass der Angeklagte vorgeblich bei den Taten vom 15. Feber 2001 und 9. März 2001 Injektionsnadeln mit aufgesteckter Hülle zum Einsatz brachte (vgl aber die solches negierenden Aussagen der Zeugin Ines P*****, S 27, 77). Lässt sich doch ein derartiger Schutz - gleich wie etwa das Entsichern einer Faustfeuerwaffe - mit einem einfachen Handgriff ebenso leicht entfernen, wie sich eine Nadel mit der Injektionskanüle verbinden lässt.Hiebei ist ohne Belang, dass der Angeklagte vorgeblich bei den Taten vom 15. Feber 2001 und 9. März 2001 Injektionsnadeln mit aufgesteckter Hülle zum Einsatz brachte vergleiche aber die solches negierenden Aussagen der Zeugin Ines P*****, S 27, 77). Lässt sich doch ein derartiger Schutz - gleich wie etwa das Entsichern einer Faustfeuerwaffe - mit einem einfachen Handgriff ebenso leicht entfernen, wie sich eine Nadel mit der Injektionskanüle verbinden lässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Textnummer

E63683

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0140OS00129.01.1023.000

Im RIS seit

22.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten