TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/21 2003/17/0100

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Veröffentlicht am 21.02.2007
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Index

L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;

Norm

ROG OÖ 1994 §27 Abs1 idF 1999/032;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des JL und

2. der AL, beide in Gutau und beide vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Aubergstraße 63, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Februar 2003, Zl. BauR-012768/2-2002-Stö/Mö, betreffend Ausnahme von der Entrichtung eines Aufschließungsbeitrags gemäß § 27 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Gutau, St. Oswalderstraße 2, 4293 Gutau), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit zwei Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 18. Dezember 2000 wurden den Beschwerdeführern als grundbücherlichen Eigentümern eines im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Marktgemeinde als Bauland ausgewiesenen, näher bezeichneten Grundstücks Aufschließungsbeiträge in der Höhe von S 60.070,99 (Erschließung durch eine öffentliche Verkehrsfläche) und S 54.300,-- (Erschließung durch die gemeindeeigene Kanalisationsanlage) gemäß den §§ 25 ff des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (in der Folge: Oö ROG 1994), LGBl. Nr. 114/1993, vorgeschrieben.

1.2. Mit Bescheid vom 9. März 2001 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gemäß § 27 Oö ROG 1994 als unbegründet ab. Das Grundstück der Beschwerdeführer stelle eine Baulücke dar und liege "innerhalb eines rechtskräftigen Bebauungsplanes".

1.3. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. April 2001 wurde die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde gab mit ihrem Bescheid vom 13. November 2001 der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer Folge und hob den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. April 2001 auf. Der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid enthalte lediglich die Behauptung, dass es sich bei dem gegenständlichen Grundstück um eine Baulücke handle. Das Vorliegen eines geschlossen bebauten Gebietes sei nicht nachvollziehbar festgestellt worden. Der Gemeindebescheid leide daher an einem Begründungsmangel. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.4. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wies sodann nach Einholung eines ergänzenden Gutachtens mit (Ersatz)bescheid vom 24. Juli 2002 die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. März 2001 (erneut) als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Parteivorbringens sowie des § 27 Oö ROG 1994 führte der Gemeinderat begründend aus, dass hinsichtlich des Begriffes der Baulücke nach der Entscheidung der Vorstellungsbehörde § 2 Z 24 Oö BauTG maßgeblich sei, der den Begriff "geschlossen bebautes Gebiet" definiere. Im Hinblick auf das in der Definition in § 2 Z 24 Oö BauTG enthaltene Kriterium, dass entweder die Gebäude straßenseitig unmittelbar aneinander anschlössen oder "die durch dieses Landesgesetz festgelegten Abstände" nicht gegeben seien, wird ausgeführt, dass zwar das gegenständliche Grundstück mit einer Ausnahme von bebauten Grundstücken umgeben sei, die "Abstandsbestimmungen (allerdings) nicht unterschritten" würden. Da demzufolge kein geschlossen verbautes Gebiet vorliege, sei zu prüfen, ob ein Widerspruch zu den Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 2 Oö ROG 1994 gegeben sei. Ein solcher Widerspruch wird mit Hinweis auf die Ausführungen des im Verfahren eingeholten Gutachtens betreffend die Notwendigkeit der raschen Bebauung des Grundstücks zur Ausnützung der in diesem Gebiet bereits vorhandenen Infrastruktur und Gewährleistung einer sinnvollen Siedlungsentwicklung bejaht.

1.5. In der dagegen erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführer aus, die Gemeinde habe die Abweisung der Berufung ausschließlich auf die Notwendigkeit der Ausnutzung der Infrastruktur und die sinnvolle Siedlungsentwicklung gestützt. Tatsache sei jedoch, dass das Grundstück keine Baulücke darstelle. Die "streusiedlungsförmig angeordneten Liegenschaften" könnten "nicht als dringend erforderliche Siedlungsentwicklung" betrachtet werden.

1.6. Mit ihrem Bescheid vom 13. Februar 2003 gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge.

Die Gemeindebehörde habe die Abweisung des Antrags auf das Interesse an einer geordneten Siedlungsentwicklung gestützt. Nach Wiedergabe der wesentlichen Ausführungen des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens wird festgehalten, dass sich die Beschwerdeführer darauf beschränkt hätten, das Vorliegen einer Baulücke zu bestreiten, und dass sie den Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich des Interesses der geordneten Siedlungsentwicklung nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten seien. Die Berufungsentscheidung verletze die Beschwerdeführer daher nicht in ihren Rechten.

1.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Marktgemeinde hat sich nicht geäußert.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 27 des Oö ROG 1994, in der Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 32/1999, regelt die Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag wie folgt (auszugsweise):

"(1) Die Gemeinde hat mit Bescheid eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag zu erteilen, wenn

1. dies der Grundstückseigentümer binnen vier Wochen nach Zustellung der Vorschreibung beantragt,

2. den (Anm: richtig: dem) Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, nicht entgegenstehen und

3. das Grundstück keine Baulücke darstellt. ...

(1a) Die Einbringung des Antrags nach Abs. 1, Z 1 hat die Wirkung, dass die Einhebung des Aufschließungsbeitrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Ausnahme gehemmt wird.

(2) Die Erteilung der Ausnahmebewilligung hat die Wirkung, dass auf dem Grundstück vor Ablauf von zehn Jahren weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Bauvorhaben errichtet werden dürfen. ...

(3) ..."

2.2. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Annahme, dass im Beschwerdefall Interessen der geordneten Siedlungsentwicklung der Erteilung der Ausnahme entgegenstünden. Es könnte nicht bereits aus dem Umstand der Aufschließung (allein) auf die Unzulässigkeit der Ausnahmebewilligung geschlossen werden, weil damit eine Ausnahme grundsätzlich nicht in Betracht käme und damit die gesetzliche Bestimmung ad absurdum geführt würde. Auch könne in einer raschen Bebauung kein Interesse einer geordneten Siedlungsentwicklung erblickt werden, weil es nicht Sinn einer geordneten Siedlungsentwicklung sein könne, alle bebaubaren Grundstücke sofort zu bebauen. Das von der Behörde herangezogene Gutachten zeige somit keinerlei Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung auf.

2.3. Zunächst ist festzuhalten, dass § 27 Abs. 1 Oö ROG 1994 das Vorliegen aller drei genannten Kriterien für die Erteilung der Ausnahmebewilligung kumulativ vorsieht. Insofern trifft es zu, dass bei Fehlen einer der Voraussetzungen die Bewilligung nicht zu erteilen wäre. Der Umstand, dass die Abgabenbehörden und die belangte Behörde nicht vom Vorliegen einer Baulücke ausgegangen sind, ist daher für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

2.4. Was die Frage der Beeinträchtigung von Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung anlangt, ist Folgendes auszuführen:

Das vom Gemeinderat eingeholte Gutachten hat in seinem Befund die Lage und Größe sowie Gestalt des gegenständlichen Grundstücks beschrieben und seine Aufschließung durch Straße, Kanal- und Wasserversorgung sowie die vorhandene Beleuchtung festgestellt. Als Befund wurde festgehalten, dass auf Grund der "dargestellten Lage" im geschlossenen Siedlungsbereich des Bebauungsplanes "S II" mit allen Ver- und Entsorgungseinrichtungen - also der gesamten Infrastruktur - eine rasche Bebauung anzustreben sei.

Diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Nachteile für die Siedlungsentwicklung der mitbeteiligten Marktgemeinde es hätte, wenn das Grundstück nicht verbaut würde. Weder der Gutachter noch die Gemeinde sind etwa auf das Örtliche Entwicklungskonzept näher eingegangen. Im Gutachten findet sich lediglich eine Feststellung, dass die behauptete Notwendigkeit einer raschen Bebauung "auch durch die Maßnahmen die das ÖEK vorsieht" (fehlender Beistrich im Original) zum Ausdruck komme. Um welche Maßnahmen es sich handle, wird im Gutachten nicht ausgeführt. Auch die Gemeindebehörde hat keine näheren Feststellungen zu den Aussagen des Örtlichen Entwicklungskonzeptes getroffen. Der Umstand der Widmung als Wohngebiet allein belegt noch nicht, dass durch die Nichtbebauung eines Grundstücks Interessen der geordneten Siedlungsentwicklung verletzt würden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2006, Zl. 2005/17/0253).

Es bleibt daher unerfindlich, welchen fachlichen Aussagen die Beschwerdeführer auf gleicher fachlicher Ebene entgegen treten hätten sollen. Maßgeblich ist nicht die Bebaubarkeit des Grundstücks und seine Aufschließung, sondern die Beeinträchtigung einer geordneten Siedlungsentwicklung, wenn das Grundstück nicht bebaut würde. Dazu finden sich weder im Gutachten noch im Bescheid des Gemeinderates oder im angefochtenen Bescheid Ausführungen, die über die Feststellung hinausgingen, dass die Bebauung eines aufgeschlossenen Grundstückes anzustreben sei und dabei die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur möglich sei. Da dem im Akt erliegenden Auszug aus der Katastermappe entnommen werden kann, dass in der Umgebung des gegenständlichen Grundstücks auch andere unbebaute Grundstücke vorhanden sind, dürfte dieses Argument auch auf andere Grundstücke zutreffen. Ob und inwieweit die Nichtbebauung des Grundstücks zu einer Verschärfung des als "Druck auf die Siedlungsränder" bekannten Phänomens beitragen würde, lässt sich den Feststellungen der Gemeindebehörden nicht entnehmen. Weder dem letztinstanzlichen Gemeindebescheid noch dem angefochtenen Bescheid sind Feststellungen dahin gehend zu entnehmen, welcher Bedarf bezüglich Wohnbebauung im Gebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde gegeben ist, welche in vergleichbarer Lage gelegenen Grundstücke zur Deckung dieses Bedarfes zur Verfügung stehen und in welchem Ausmaß in der mitbeteiligten Marktgemeinde Bauland ausgewiesen ist.

Wenn im Gutachten am Ende festgestellt wird, dass die Form und Größe des Grundstückes allen Anforderungen an ein selbstständig bebaubares Grundstück entspreche, so hat diese Feststellung mit der zu klärenden Frage, ob Interessen der geordneten Siedlungsentwicklung der Erteilung der Ausnahme entgegen stehen, nichts zu tun. Auch das Resümee, dass "weder auf Grund der Größe, der Form, der gesamten vorhandenen Infrastruktur und der im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Wohngebietswidmung noch der derzeitigen Nutzung aus der Sicht des Ortsplaners" ein fachlicher Grund für die Erteilung der Ausnahme gegeben sei, belegt nur, dass nichts einer Bebauung entgegen steht, nicht aber, welche Nachteile für die Siedlungsentwicklung es hätte, wenn das Grundstück nicht bebaut würde.

Insofern leidet der mit Vorstellung bekämpfte Gemeindebescheid an einem Feststellungs- und Begründungsmangel, der von der belangten Behörde wahrzunehmen gewesen wäre.

2.5. Da die belangte Behörde dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die genannte Verordnung im Hinblick auf § 53 Abs. 1 VwGG keinen Streitgenossenzuschlag vorsieht.

Wien, am 21. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003170100.X00

Im RIS seit

10.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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