TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/21 2006/06/0085

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Veröffentlicht am 21.02.2007
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 2001 §37 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde der AE in Z, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 31. Jänner 2006, Zl. Ve1-550-3071/1-4, betreffend baurechtlichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde R, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zur Hälfte Eigentümerin eines im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde gelegenen Grundstücks. Mit Bescheid vom 2. Februar 2005 wurde der Beschwerdeführerin sowie der anderen Hälfteeigentümerin des Grundstücks, einer Agrargemeinschaft, der Auftrag erteilt, das bewilligungslos errichtete Gebäude auf diesem Grundstück "'Bienenhaus mit unterkellertem Lagerraum', dargestellt im Einreichplan des BM Ing. B vom 18.8.1999, Bauakt Zl. 1999/131-9/17" innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zur Gänze zu entfernen. Zur Begründung führte der Bürgermeister aus, dass im Rahmen eines Ortsaugenscheines am 11. Juni 1999 festgestellt worden sei, dass mit der Errichtung des Gebäudes begonnen worden sei, ohne dass hiefür die erforderliche baubehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Mit Bescheid vom 6. Juli 1999 sei der Beschwerdeführerin die weitere Ausführung der Arbeiten an diesem Bauvorhaben, welches sich damals im Bauzustand der Kellererrichtung befunden habe, untersagt worden, weiters sei ihr aufgetragen worden, binnen Monatsfrist nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen. Nach dem ergebnislosen Verstreichen dieser Frist sei gegenüber der Beschwerdeführerin der Bescheid vom 11. August 1999 ergangen, mit welchem ihr die Beseitigung des widerrechtlich errichteten Gebäudes bis zum 30. September 1999 aufgetragen worden sei. Ein Bauansuchen des Bruders der Beschwerdeführerin habe letztlich nicht zur Genehmigung des Bauvorhabens geführt. Solange aber nicht gegen alle Miteigentümer vollstreckbare Abtragungstitel vorlägen, könne auch gegen den Miteigentümer, gegen den bereits ein vollstreckbarer Bescheid bestehe, weder ein Kostenvorauszahlungsauftrag erlassen, noch die Ersatzvornahme angeordnet werden, dies sei aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1989, Zlen. 87/06/0086, 0087, abzuleiten. Daher sei der gegenständliche Bescheid, der den Gesamtabbruch des konsenslos begonnenen und fertig gestellten Gebäudes umfasse, gegen beide Liegenschaftsmiteigentümer und somit auch gegen die Agrargemeinschaft als weitere Hälftemiteigentümerin zu erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte aus, dass "die Bienenhütte" nicht konsenslos errichtet, sondern vielmehr mit Bescheid vom 12. Dezember 1988 auf den Namen FE bewilligt worden sei. Die Beschwerdeführerin legte Fotos vor, aus denen ersichtlich sei, dass die Ersatzhütte stabiler gebaut sei und auch besser in das Landschaftsbild passe. Die bewilligte alte Hütte habe auch zum Schutz von Mensch und Tier und der Festigkeit wegen durch eine neue ersetzt werden müssen, da sich der Standort in einer besonderen "Windschnur" befinde. Aus diesem Grunde sei die Ersatzhütte bis in den Keller "niedergehängt". Inhaber und Bauherr der Bienenhütte sei im Übrigen FE und nicht die Beschwerdeführerin.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 23. November 2005 als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass zwar eine baubehördliche Bewilligung mit Bescheid vom 12. Dezember 1988 für ein Gebäude auf dem gegenständlichen Standort bestehe, hiebei handle es sich aber um eine solche für einen Bienenstand ohne Kellergeschoß. Das nunmehr ausgeführte und fertig gestellte Bauvorhaben weise jedoch auch ein ausgebautes Kellergeschoß auf, es werde ja auch in einem vorgelegten Bauplan als "Bienenhaus samt Lagerraum im Untergeschoß" beschrieben. Für das bestehende Objekt bestehe daher keine Baubewilligung und eine dem Bescheid vom 12. Dezember 1988 entsprechende Bauausführung des bewilligten Bienenstandes habe nie stattgefunden. Da sohin entsprechend § 27 Abs. 1 lit. b TBO 2001 die im Bescheid vom 12. Dezember 1988 erteilte Baubewilligung bzw. das damit bewilligte Bauvorhaben nicht zur Ausführung gelangt sei, sei diese Baubewilligung erloschen. Der Beseitigungsauftrag sei gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 gegenüber dem Eigentümer der baulichen Anlage zu erteilen, somit auch gegenüber der Beschwerdeführerin. Es könne auch von einem Superädifikat im Sinne des § 435 ABGB im Hinblick auf die feste Bauweise nicht gesprochen werden, und auch ein Erwerbstitel zu Gunsten einer dritten Person im Sinne des § 481 Abs. 2 ABGB sei nicht nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in welcher sie vorbrachte, dass FE an der Bienenhütte fruchtgenussberechtigt sei und auch Renovierungen in seinem eigenen Namen und auf seine eigene Rechnung und Gefahr durchgeführt habe, zu Unrecht sei ihm kein Bescheid zugestellt worden. Die alte Bienenhütte sei in einem schlechten Zustand und daher zu renovieren gewesen. Für die nunmehrige Bienenhütte sei ein ordnungsgemäßes Baugesuch gestellt worden, das allerdings von der Agrargemeinschaft nicht unterzeichnet worden sei. Es liege eine Befangenheit des Bürgermeisters insoferne vor, als dieser Obmann einer Raiffeisenkasse sei, deren Geschäftsführer als Obmann der Agrargemeinschaft einem Baugesuch für die nunmehrige Bienenhütte die Zustimmung versagt habe. Die Verweigerung der Zustimmung der Agrargemeinschaft zum gegenständlichen Bauvorhaben widerspreche jedoch einer vertraglich vorgesehenen Nutzungsteilung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführerin bereits mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 11. August 1999 nach § 37 Abs. 1 TBO 1998 die Beseitigung der "Bienenhütte" aufgetragen worden sei. Durch die Erlassung eines neuerlichen Beseitigungsauftrages auf derselben Rechtsgrundlage könne die Beschwerdeführerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt sein. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass der Beseitigungsauftrag dem FE zuzustellen gewesen wäre, führte die belangte Behörde aus, dass als Adressatin von Beseitigungsaufträgen nach § 37 Abs. 1 TBO 2001 zutreffend die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Bienenhütte ausgewählt worden sei. Auch käme eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin dadurch, dass der Beseitigungsauftrag einer anderen Person nicht zugestellt worden sei, ohnehin nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, hat die Behörde dem Eigentümer einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage, die ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert wurde, eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenutzt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig hält, weil für diese sehr wohl eine baubehördliche Bewilligung, nämlich jene vom 12. Dezember 1988 vorliege, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil sie auch in der Beschwerde einräumt, dass das Bauwerk gegenüber dem Bescheid vom 12. Dezember 1988 "erneuert wurde". Sie tritt auch der Beurteilung der Baubehörden und der belangten Behörde nicht entgegen, dass die im Jahr 1999 errichtete, von ihr selbst mit Schreiben vom 9. Mai 2006 als "Ersatz-Bienenhütte" bezeichnete Gebäude vom Bewilligungsstand des Jahres 1988 insbesondere dadurch abweicht, dass es nunmehr einen Keller aufweist. Die erheblichen Abweichungen sind auch aus den von der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Lichtbildern und auch aus dem im Akt einliegenden Bauplan vom 18. August 1999 zu ersehen. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausging, dass für das Bauwerk, dessen Beseitigung die Baubehörden auftrugen, keine baubehördliche Bewilligung bestand.

Die Baubehörde hat im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin auch unbestritten mit Bescheid vom 6. Juli 1999 die weitere Ausführung von Bauarbeiten untersagt und aufgetragen, binnen Monatsfrist nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung für das gegenständliche Bauwerk anzusuchen. Diese Frist ist unbestritten ergebnislos verstrichen.

Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Bereits mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. August 1999 wurde nämlich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin mit der Errichtung des gegenständlichen "Gebäudes begonnen" habe und ihr insoferne "die Beseitigung des widerrechtlich errichteten Gebäudes" bis zum 30. September 1999 aufgetragen. Dieser Bescheid ist der Beschwerdeführerin gegenüber nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft erwachsen. Einer neuen Sachentscheidung der Baubehörden stand die Rechtskraft des angeführten, in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides vom 11. August 1999 gemäß § 68 Abs. 1 AVG daher entgegen, weil in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine Änderung eingetreten ist (vgl. zur Unwiederholbarkeit von Bescheiden die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, zu § 68 unter den Zlen. 4ff angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage 1999, Rzlen. 462, und in einem ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 94/06/0200). Im vorliegenden Fall konnte nach der Aktenlage von einem geänderten Sachverhalt nicht ausgegangen werden, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bestand des gegenständlichen Gebäudes im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 11. August 1999 insoferne verändert worden wäre, dass das Gebäude insoferne nun als ein anderes anzusehen wäre, und auch die Rechtslage erfuhr keine Änderung. Es war daher rechtswidrig, gegen die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Beseitigungsauftrag im selben Gegenstande zu erlassen, soweit sie den gegenständlichen Beseitigungsauftrag hinsichtlich eines Bauwerkes erteilten, das schon Gegenstand des Beseitigungsauftrages vom 11. August 1999 gewesen ist.

Soweit die Baubehörden im vorliegenden Fall damit argumentieren, die Erlassung eines neuerlichen Beseitigungsauftrages sei im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass ein solcher gegen die Agrargemeinschaft als Miteigentümerin noch nicht ergangen sei, und die Erteilung eines Kostenvorauszahlungsauftrages und die Anordnung einer Ersatzvornahme erst dann zulässig sei, wenn gegen alle Miteigentümer ein Abbruchbescheid ergangen sei, ist zu bemerken, dass die Baubehörden nicht gehindert gewesen wären, angesichts eines bereits gegenüber der Beschwerdeführerin bestehenden Beseitigungsauftrages einen solchen nur gegen die Agrargemeinschaft zu erlassen.

Die belangte Behörde hat dies jedoch verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. Februar 2007

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006060085.X00

Im RIS seit

20.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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