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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde
1. des NK und 2. der MK, beide in St. M, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. August 2005, GZ. FA13B-12.10 L 202 - 05/45, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern je zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 2. September 2004 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde als Privatrechtsträger die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung von 12 Abstellflächen für Kraftfahrzeuge nahe dem auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr. X, KG U., errichteten Aussichtsturm der mitbeteiligten Gemeinde.
Die Beschwerdeführer hatten ein den Aussichtsturm betreffendes Beseitigungsverfahren eingeleitet. Aus dem diesbezüglichen hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0077, ergibt sich, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Errichtung eines Aussichtsturmes entsprechend den Einreichunterlagen mit Bescheid vom 9. August 2001 unter Auflagen bewilligt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat im angeführten Erkenntnis vom 19. September 2006 festgestellt, dass der tatsächlich errichtete Aussichtsturm im Vergleich zu dem bewilligten Projekt um 90 Grad in seiner Lage gedreht, das ursprünglich bewilligte Bauvorhaben somit in seinem Wesen verändert worden sei und daher keine bloß geringfügige Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben vorliege. Weiters könne aus der mittlerweile erteilten Benützungsbewilligung (Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 2002) keine Baubewilligung für die geänderte Ausführung des Aussichtsturmes abgeleitet werden. Es könne zwar sein, dass die Gemeindebehörde anlässlich der Erteilung der Benützungsbewilligung auch eine Baubewilligung für die geänderte bauliche Ausführung erteilen wollte, das sei aber im Bescheid nicht ausreichend normativ zum Ausdruck gekommen.
Die verfahrensgegenständlichen, schon errichteten zwölf Abstellplätze und die dazugehörige Zufahrtsstraße befinden sich im nordwestlichen Bereich des Baugrundstückes auf der dem Grundstück der Beschwerdeführer aus der Sicht des errichteten Aussichtsturmes abgewandten Seite. Das Grundstück der Beschwerdeführer ist südöstlich des Baugrundstückes gelegen. Die beiden Grundstücke haben keine gemeinsame Grundgrenze, sie stoßen lediglich in einem Eckpunkt (dem südöstlichen Eckpunkt des Baugrundstückes) zusammen. Die verfahrensgegenständlichen Parkplätze liegen, was dem zu Grunde liegenden Einreichplan entnommen werden kann, von diesem Eckpunkt in einer Entfernung von ca. 31 m bis 35 m. Dazwischen liegt nahe der Zufahrtsstraße zu den Abstellflächen der Aussichtsturm.
In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2004 wies der bautechnische Sachverständige in seinem Befund auf die folgenden, dem Ansuchen angeschlossenen Nachweise hin:
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Gutachten über die zu erwartende Lärmbelastung im Bereich der Nachbarschaft, verfasst von Ing. Büro A.F. vom 5. September 2004,
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Immissionstechnisches Gutachten für KFZ-Parkplatz von Dipl. Ing. K.H. vom 3. August 2004
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Medizinisches Gutachten von Dr. A.K. vom 21. September 2004
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Stellungnahme des AWV Gleisdorfer Becken vom 9. September 2004 und
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Mitteilung des Umweltanwaltes Dr. O. vom 16. September 2004.
(Diese Unterlagen wurden dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt.)
Der Sachverständige wies in diesem Befund auch auf die Zusammenfassungen der erwähnten Gutachten hin. Danach sei nach dem immissionstechnischen Gutachten auf Grund der geringen Fahrzeugfrequenz auf der vorbeiführenden Straße eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte durch den Betrieb des Parkplatzes auszuschließen. Nach dem Gutachten von Ing. Büro A.F. vom 5. September 2004 sei mit keiner unzumutbaren Lärmbelastung im Bereich der Nachbarschaft zu rechnen und somit gebe es aus lärmschutztechnischer Sicht keinen Einwand gegen die Inbetriebnahme des geplanten Parkplatzes. Nach dem medizinischen Gutachten seien gesundheitliche Auswirkungen wie auch erhebliche Störungen des Wohlbefindens auszuschließen, da die Parkplatzemissionen nicht über das ortsübliche Ausmaß hinausgingen. Gestützt auf diese Aussagen stellte auch der bautechnische Sachverständige in der Verhandlung fest, dass durch den Betrieb der Kraftfahrzeug-Abstellflächen mit keiner Gefährdung oder unzumutbaren Beeinträchtigung für Nachbarn durch Lärm oder Abgase gerechnet werden könne. Er stellte weiters fest, dass die Erteilung der Baubewilligung befürwortet werde und dass er keine Auflagen vorschlage.
Der Vertreter der Beschwerdeführer machte in der Verhandlung geltend, dass sich das Grundstück ca. 60 m südlich der Parkplätze befinde (er bezog sich dabei offensichtlich auf die Entfernung der Parkplätze zum Wochenendhaus der Beschwerdeführer auf dem Nachbargrundstück). Die Beschwerdeführer würden unzumutbare Lärmbelästigungen befürchten, wobei nicht nur die Lärmbelästigungen durch die Parkplätze und deren Betrieb zu beachten seien, sondern die Lärmbelästigungen durch die Benützung des Aussichtsturmes, der ein einheitliches Projekt mit den Parkplätzen darstelle. Die Lärmbelästigung trete vor allem durch das Zu- und Abfahren der Fahrzeuge ein, sowie durch die Eigenart der Konstruktion der Aluminium-Stiegen, Aluminium-Plattformen sowie der metallenen Seitenteile der Stiegen. Dazu werde beantragt, ein umfassendes lärmtechnisches und medizinisches Gutachten über das Gesamtprojekt einzuholen und eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Die derzeit vorliegenden Gutachten gingen nur auf 12 Pkw-Parkplätze ein, die für sich betrachtet im Freiland keinen Sinn ergäben. Außerdem könne der Parkplatz auch von Bussen angefahren werden und dadurch könnten erhöhte Lärmbelästigungen eintreten. Es fehlten auch Sanitäranlagen und sonstige notwendige Einrichtungen, die zusätzlich zu Beeinträchtigungen der Nachbarn führten.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom 13. Oktober 2004 der Gemeinde als Privatrechtsträger die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung von 12 Pkw-Abstellplätzen auf dem angeführten Grundstück. Dieser Bescheid enthält nichts zum Vorbringen der Beschwerdeführer.
Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung, die der Gemeinderat mit Bescheid vom 20. Jänner 2005 als unbegründet abwies.
Die belangte Behörde wies in der Folge die dagegen erhobene Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass das Baugrundstück im geltenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als "Sondernutzung im Freiland-Erholungsfläche" ausgewiesen sei. Das Steiermärkische Baugesetz kenne kein allgemeines Immissionsverbot, sodass eine Beschränkung der Immissionen nur im Zusammenhalt mit der entsprechenden Flächenwidmung geltend gemacht werden könne. Die Widmung "Sondernutzung Freiland-Erholungsfläche" enthalte keinen Immissionsschutz. Der Nachbar besitze in einem solchen Fall kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzungsart. Die Beschwerdeführer hätten zwar Einwendungen hinsichtlich der Lärmbelästigung erhoben, diesem Vorbringen sei jedoch nichts zu entnehmen, wonach sie die Einhaltung größerer Abstände im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG wegen zu großer befürchteter Immissionen forderten. Wenn man das Vorbringen als Vorbringen gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG werten würde, sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung jenes Ausmaß an Schallimmissionen zulässig, das in einer Widmungskategorie maximal zulässig sei. Es stelle § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG daher einen widmungsabhängigen Immissionsschutz dar, den allerdings die Ausweisung Sondernutzung im Freiland nicht biete (Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2003/06/0063). Da die Beschwerdeführer keine rechtswirksame Einwendung im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk. BauG erhoben hätten, könne eine Verletzung in ihren Rechten nicht eingetreten sein.
Betreffend das Vorbringen in Bezug auf die Nichtgewährung der Akteneinsicht sei festzustellen, dass die Akteneinsicht ein Parteienrecht darstelle und die Beschwerdeführer durch die Nichterhebung von relevanten Einwendungen ihre Parteistellung verloren hätten und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung von formalen Rechten nur im Zusammenhang mit einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten gesehen werden könne. Weiters sei es nach aufsichtsbehördlicher Sicht nicht unzulässig, die Errichtung von 12 Parkplätzen als gesondertes Projekt zu beurteilen, wobei bei der Beurteilung der Immissionsbelastung durch diese Abstellplätze die Istsituation, nämlich die Lärmbelastung durch die Benützung des Aussichtsturmes, zu berücksichtigen gewesen sei. Mangels entsprechender Einwendungen, habe die Frage einer allfälligen Lärmbelästigung inhaltlich nicht geprüft werden können.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 Stmk. Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. Nr. 1/1995, gehören alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen zum Freiland.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung können im Freiland Flächen als Sondernutzung festgelegt werden, soweit nicht eine Ersichtlichmachung auf Grund der überörtlichen Raumordnung (§ 6) zu erfolgen hat (u.a. Flächen für Erholungszwecke).
Weiters ist im vorliegenden Fall das Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 (Stmk. BauG), anzuwenden.
Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, ..., soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
... ."
Gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG muss das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder vom Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufrieden stellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sich die Behörden mit ihren "begründeten Einwendungen" nicht auseinander gesetzt hätten.
Auch wenn die Beschwerdeführer dieses Vorbringen nicht weiter begründet haben, kommt dem insoweit Berechtigung zu, als die Baubehörden die behaupteten Lärmimmissionen nicht im Hinblick auf die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Z. 5 i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG geprüft haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG für den Fall, dass es für die dabei heranzuziehende Widmung des Baugrundstückes (wie etwa auch bei der Widmung als Freiland) kein Widmungsmaß gibt, mittlerweile ausgesprochen, dass über das Kriterium zufrieden stellender Arbeits- und Wohnbedingungen für die Benützer und die Nachbarn gemäß dieser Bestimmung - wie auch die weitere Voraussetzung der nicht gesundheitsgefährdenden Schallimmissionen - auf der Grundlage eines entsprechenden medizinischen Gutachtens, dem ein lärmtechnisches Gutachten zu Grunde liegt, zu entscheiden ist (vgl. das Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl. 2004/06/0166). Es trifft somit die Ansicht der belangten Behörde nicht zu, dass, da es für das Baugrundstück auf Grund der vorgesehenen Widmung Freiland kein Widmungsmaß gibt, § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG nicht zur Anwendung komme. Die Beschwerdeführer haben damit zulässige Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG geltend gemacht und die belangte Behörde ist daher auch zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer ausgegangen.
Nach Meinung der Beschwerdeführer hätten die 12 Abstellplätze nicht isoliert, sondern gemeinsam mit dem Aussichtsturm beurteilt werden müssen. Das Gesamtprojekt wäre - insbesondere in lärmmässiger Hinsicht - zu prüfen gewesen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens - worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat - durch das Bauansuchen bestimmt wird. Die verfahrensgegenständlichen Abstellplätze stehen darüber hinaus zwar in einem Zusammenhang mit dem geplanten Aussichtsturm, es kann aber keine Rede davon sein, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Bauvorhaben besteht. Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, dass es in der Hand des Projektwerbers gelegen ist, ob er einen Aussichtsturm mit oder ohne Parkplätze errichtet, weil ein Aussichtsturm auch so vorgesehen werden kann, dass er nur zu Fuß erreichbar ist.
Insoweit die Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Akteneinsicht geltend machen, weil sie nicht in den Baubewilligungsakt betreffend den Aussichtsturm hätten Einsicht nehmen dürfen, um das Ausmaß der Abweichungen zu ermitteln, stellt dies jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil es im vorliegenden Bauverfahren allein um die verfahrensgegenständlichen 12 Abstellflächen gegangen ist und nicht um den Aussichtsturm und dies auch - wie dargelegt - zulässig war. Es war daher auch auf sämtliche Ausführungen in der Beschwerde zum Aussichtsturm nicht einzugehen.
Indem die belangte Behörde im vorliegenden Bauverfahren zu Unrecht § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG für nicht anwendbar hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Februar 2007
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Planung Widmung BauRallg3 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060277.X00Im RIS seit
20.04.2007