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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §39a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. N in B, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 22. April 2004, Zl. LGS NÖ/RAG/12181/2004, betreffend Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der am 7. September 1942 geborene Beschwerdeführer stellte am 19. Jänner 2004 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Baden einen Antrag auf Gewährung von Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG. Mit Bescheid vom selben Tag wurde der Antrag mangels Erreichung des frühestmöglichen Anfallsalters für die vorzeitige Alterspension abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge.
Nach Darlegung des § 39a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2003 und des erstinstanzlichen Bescheides gibt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers wieder. Demnach habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe das 60. Lebensjahr "am 30.09.2002 vollendet und auf Grund der Anhebung des Anfallsalters um 16 Monate seinen Pensionsstichtag am 01.02.2004 erreicht".
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld bis zum Höchstausmaß am 15. Oktober 2003 bezogen habe und in der Folge der Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe mangels Notlage abgewiesen worden sei. Nach dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt betreffend "vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG, Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen" sei das erhöhte Anfallsalter im Falle des Beschwerdeführers die Vollendung des 736. Lebensmonates (61 Jahre und 4 Monate). Die Voraussetzungen für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer wären im Falle des Beschwerdeführers frühestens zum Stichtag 1. November 2006 erfüllt, wenn dieser ab Jänner 2004 noch 34 Versicherungsmonate erwerben könne.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 253a Abs. 1 ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2001 der Versicherte Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 738. Lebensmonates bei Erfüllung von weiteren Voraussetzungen habe. Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG hätten ab 1. Jänner 2004 Personen, die zu diesem Zeitpunkt das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit bereits erfüllt hätten, sowie jene Personen, die diese Voraussetzung in den Jahren 2004 bis 2006 erfüllten. Letzteren gebühre die Leistung frühestens ab dem auf die Vollendung des 61,5. Lebensjahres (bei Männern) folgenden Tag. Der Beschwerdeführer vollende den 738. Lebensmonat am 6. März 2004, sodass das Übergangsgeld daher frühestens - bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen - ab dem 7. März 2004 gebühre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003 wurden im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) Bestimmungen über "besondere Leistungen für ältere Personen" (Abschnitt 3a) eingeführt. Diese Maßnahmen standen in einem Zusammenhang mit der Pensionsreform, durch die es zu einer Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension gekommen ist. Nach den Ausführungen in der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003 (59. BlgNR 22. GP, Seite 348) sollen "jene Arbeitslosen, die bei Beibehaltung der bisherigen Rechtslage in den Jahren 2004 bis 2006 nach zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit in die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit hätten gehen können, an deren Stelle Übergangsgeld beziehen können".
§ 39a AlVG trat schließlich gemäß § 79 Abs. 72 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 und BGBl. I Nr. 128/2003 mit 1. Jänner 2004 in Kraft. § 39a Abs. 1 AlVG in dieser hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 128/2003 lautet wie folgt:
"§ 39a. (1) Personen, die das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2001 in den Jahren 2004 bis 2006 erfüllen, haben bis zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Alterspension Anspruch auf ein Übergangsgeld, wenn sie in den letzten fünfzehn Monaten mindestens 52 Wochen arbeitslos im Sinne des § 12 (allenfalls mit Ausnahme des Abs. 3 lit. f) sind und trotz intensiver Bemühungen keine neue Beschäftigung antreten können. Der Zeitraum von 52 Wochen verlängert sich um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 Z 1. Wenn keine Aussicht auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit besteht, kann die regionale Geschäftsstelle im Rahmen der Richtlinie des Arbeitsmarktservice (§ 38b AMSG) nach Anhörung des Regionalbeirates festlegen, dass solche Personen sich für eine bestimmte Zeit nicht ständig zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung bereithalten (§ 7 Abs. 3 Z 1) müssen. Während dieser Zeit sind § 49 (Kontrollmeldungen) und § 16 Abs. 1 lit. g (Ruhen bei Auslandsaufenthalt) nicht anzuwenden. Die regionale Geschäftsstelle hat für diese Personen nach Anhörung des Regionalbeirates festzulegen, dass sie der Arbeitsvermittlung wieder ständig zur Verfügung stehen müssen, wenn begründete Aussicht auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt besteht."
2. Die belangte Behörde hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf Übergangsgeld gemäß § 39a AlVG ausschließlich mit der Begründung verneint, dass dieser zum Antragszeitpunkt das 738. Lebensmonat noch nicht vollendet hatte. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, dass die belangte Behörde die Übergangsbestimmungen des § 588 Abs. 6 Z. 1 ASVG unberücksichtigt habe lassen, wonach § 253a Abs. 1 ASVG auf jene Versicherungsfälle anzuwenden sei, in denen der Stichtag nach dem 30. September 2000 liege, jedoch an Stelle des 738. Lebensmonates der 736. Lebensmonat trete, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr im Juli, August oder September 2002 vollendet habe.
3. § 253a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 sieht vor, dass der Versicherte unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 738. Lebensmonates hat. Diese Voraussetzung wurde mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000, BGBl. I Nr. 92/2000, geschaffen, wodurch die bis dahin geltende Altersgrenze für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit von der Vollendung des 60. Lebensjahres auf die Vollendung des
738. Lebensmonates (damit auf ein Alter von 61 1/2 Lebensjahren) angehoben wurde. Mit dieser Anhebung des Antrittsalters für die vorzeitige Alterspension nach § 253a ASVG wurde auch eine Übergangsbestimmung in § 588 Abs. 6 ASVG geschaffen, wonach u.a. § 253a Abs. 1 in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000 nur auf Versicherungsfälle anzuwenden ist, in denen der Stichtag nach dem 30. September 2000 liegt, wobei jedoch an die Stelle des 738. Lebensmonates, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr im Juli, August oder September 2002 vollendet hat, der 736. Lebensmonat tritt. An dieser Übergangsbestimmung hat sich durch die mit der Novelle BGBl. I Nr. 103/2001 erfolgte Änderung des § 253a Abs. 1 ASVG - bei der lediglich die hier nicht relevante Z. 2 neu gefasst wurde - nichts geändert.
4. Die in § 39a AlVG enthaltene Bezugnahme auf das frühestmögliche Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG kann nicht von der dazu bestehenden Übergangsbestimmung des § 588 Abs. 6 ASVG losgelöst gesehen werden. Der Beschwerdeführer, der sein 60. Lebensjahr am 7. September 2002 und zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Übergangsgeld den 736. Lebensmonat vollendet hatte, erfüllte zu diesem Zeitpunkt damit das frühestmögliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension gemäß § 253a ASVG mit der für ihn maßgebenden Modifikation des § 588 Abs. 6 Z. 1 ASVG.
Da dies die belangte Behörde verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 21. Februar 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004080097.X00Im RIS seit
03.05.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011