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L78007 Elektrizität Tirol;Norm
BauO Tir 2001 §1 Abs3 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des SPin N, vertreten durch Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Juli 2005, GZ. Ve1-8-1/233-1, betreffend Untersagung eines Bauvorhabens gemäß § 33 Tiroler Bauordnung 2001 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde , vertreten durch Dr. Reinhard Kraler, Rechtsanwalt GmbH in 9900 Lienz, Johannesplatz 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 27. November 2003 (bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangt am 3. Dezember 2003) beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Biogasanlage mit zwei Betonfermentern, einer Vorgrube und einem Endlager sowie die Nutzungsänderung in der bestehenden Maschinenhalle für die Errichtung eines Blockheizkraftwerk-(BHKW)-Raumes und eines Gasspeicherraumes im Verband seines Bauernhofes auf einem Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde.
Die Bezirkshauptmannschaft Lienz erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 1. September 2004 die Genehmigung zur Errichtung der (verfahrensgegenständlichen) Biogasanlage (Bioheizkraftwerk) gemäß § 7 Abs. 1 Tiroler Gasgesetz 2000 und gemäß § 5, § 7 Abs. 1 lit. a und § 24 Abs. 2 lit. b Tiroler Elektrizitätsgesetz 2002 jeweils im Sinne der Befundbeschreibung nach Maßgabe der vorgelegten und vidierten Projektsunterlagen.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 (eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am selben Tag) zog der Beschwerdeführer das Bauansuchen betreffend die Biogasanlage zurück und hielt das Bauansuchen nur mehr hinsichtlich der drei Tore bei der Maschinenhalle und hinsichtlich der Verwendung der bestehenden Maschinenhalle als Hofwerkstätte aufrecht. Er begründete dies damit, dass es sich bei der Biogasanlage um eine Stromerzeugungsanlage handle, die von der Tiroler Bauordnung und somit von der Zuständigkeit der Gemeinde als Baubehörde ausgenommen worden sei. Die gesamte Biogasanlage sei zwischenzeitig rechtskräftig nach dem Tiroler Elektrizitätsgesetz genehmigt worden, nachdem auch die nachbarrechtlichen Ansprüche Berücksichtigung gefunden hätten.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde stellte mit Bescheid vom 7. März 2005 das Bauverfahren in Bezug auf das Bauverfahren betreffend die Errichtung einer Biogasanlage ein.
In der Folge untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 18. März 2005 gemäß § 33 Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 in der Fassung LGBl. Nr. 89/2003, die weitere Ausführung des Bauvorhabens betreffend die Errichtung einer Biogasanlage mit Endlager und Fermentern auf dem näher angeführten Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass nach der bereits im "Bescheid" vom 15. Dezember 2004 dargelegten Rechtsansicht eine Ausnahme gemäß § 1 Abs. 3 lit. c Tir. Bauordnung 2001 nicht gegeben sei, da die Betonfermenter und das Endlager keine Stromerzeugungsanlage darstellten und nicht unmittelbar der Energieerzeugung dienten (mit dem "Bescheid" ist offenbar die im Akt einliegende, vorbereitete Erledigung gemeint, die die Abweisung des eingangs angeführten Vorhabens vorgesehen hätte; diese Erledigung wurde offenbar im Hinblick auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 16. Dezember 2004 nicht mehr zugestellt) .
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 7. April 2005 als unbegründet ab. Auch nach der Auffassung der Berufungsbehörde handelte es sich bei dem Fermenter und dem Endlager einer Biogasanlage um bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001). Sie seien zwar notwendige Bestandteile einer Biogasanlage, würden jedoch weder der Erzeugung noch der "Übertragung und Verteilung" elektrischer Energie im Sinne des § 4 Z. 35 Tiroler Elektrizitätsgesetz (TEG) dienen und stellten daher auch keine Nebenanlagen einer Stromerzeugungsanlage im Sinne dieser Bestimmung dar.
Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie teilte die Ansicht der Baubehörden, dass die beiden Fermenter und das Endlager keine Stromerzeugungsanlage im Sinne des § 4 Z. 35 TEG 2003 darstellten, da sie weder der Erzeugung noch der Übertragung noch der Verteilung elektrischer Energie dienen würden. Nach dem Befund über die Biogasanlage gemäß dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 1. September 2004 sei davon auszugehen, dass sowohl die Vorgrube, die beiden Fermenter als auch das Endlager im Wesentlichen dazu dienten, die am Betrieb des Beschwerdeführers anfallende Gülle sowie Silage zu verarbeiten und daraus Biogas zu gewinnen. Das dort gewonnene Biogas werde sodann dem Bioheizkraftwerk zugeleitet und dort elektrische Energie erzeugt. Das an der Hofstelle gewonnene Gas könne auch von dritter Seite, etwa mittels Gasleitungen, dem Bioheizkraftwerk (BHKW) zugeleitet werden und sei nicht zwingender Bestandteil dieser Stromerzeugungsanlage. Dass diese Gaserzeugung unmittelbar auf der Hofstelle erfolgen müsste, sei den Projektsunterlagen nicht zu entnehmen. Für die Errichtung von Fermentern mit einem Durchmesser von 14 m bei einer Tiefe von 4 m in Stahlbetonbauweise, die Errichtung einer Vorgrube mit einem Durchmesser von 4 m bei einer Tiefe von 4 m in Stahlbetonweise sowie die Errichtung eines Endlagers mit einer Länge von ca. 40 m, einer Breite von 12 m und einer Tiefe von ca. 2 m seien jedenfalls wesentliche bautechnische Kenntnisse, nicht zuletzt im Hinblick auf die mechanische Standsicherheit dieser Baukörper, erforderlich. Es handle sich daher um bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 TBO 2001. Es lägen aber auch keine Düngerstätten im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. k TBO 2001 vor. Eine Düngerstätte sei eine Lagerstätte von auf der Hofstelle anfallender Gülle, bevor diese auf die landwirtschaftlichen Flächen des jeweiligen Betriebes ausgebracht werde. Die Baubehörden seien daher zu Recht vom Vorliegen bewilligungspflichtiger baulicher Anlagen ausgegangen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall kommt die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 35/2005, zur Anwendung.
Gemäß § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 gilt dieses Gesetz nicht für folgende bauliche Anlagen:
"c) Stromerzeugungsanlagen und elektrische
Leitungsanlagen mit Ausnahme von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen; Telekommunikationsanlagen mit Ausnahme von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen und der nach § 49 anzeigepflichtigen Antennentragmasten".
Das Tiroler Elektrizitätsgesetz 2003 - TEG, LGBl. Nr. 88 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Stammfassung, sieht, soweit es für den Beschwerdefall relevant ist, Folgendes vor:
Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a TEG gilt dieses Gesetz für die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Elektrizität und die hiefür erforderlichen Anlagen.
Gemäß Abs. 5 lit. c dieser Bestimmung ist ein Ziel dieses Gesetzes, den hohen Anteil erneuerbarer Energien an der österreichischen Elektrizitätswirtschaft weiter zu erhöhen.
Gemäß § 4 Z. 13 TEG ist "Erzeugung" die Produktion von Elektrizität.
Gemäß § 4 Z. 35 TEG ist eine "Stromerzeugungsanlage" eine Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie mit allen der Erzeugung, Übertragung und Verteilung dienenden Nebenanlagen (z.B. Anlagen zur Umformung von elektrischer Energie, Schaltanlagen und dergleichen), soweit sie nicht unter das Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 fallen.
Gemäß § 6 Abs. 1 lit. a TEG bedürfen die Errichtung und jede wesentliche Änderung (Errichtungsbewilligung) von Stromerzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 100 kW, soweit im Abs. 2 oder im § 7 nichts anderes bestimmt ist, einer Bewilligung.
Die beabsichtigte Errichtung und jede beabsichtigte wesentliche Änderung von Stromerzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 5 kW sind gemäß § 7 Abs. 1 lit. a TEG anzeigepflichtig.
Weiters ist im vorliegenden Zusammenhang das Ökostromgesetz (Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 149/2002) zu erwähnen, nach dessen § 2 Z. 1 dieses Bundesgesetz die Nachweise über die Herkunft elektrischer Energie aus erneuerbaren Energieträgern regelt.
§ 5 Abs. 1 enthält u.a. folgende Begriffsbestimmungen:
"3. 'erneuerbare Energieträger' (erneuerbare,
nichtfossile Energieträger, Wind, Sonne, Erdwärme, Wellen- und
Gezeitenenergie, Wasserkraft, Biomasse, Abfall mit hohem biogenen
Anteil, Deponiegas, Klärgas und Biogas);
4. 'Biomasse' den biologisch abbaubaren Anteil von
Erzeugnissen, Abfällen und Rückständen der Landwirtschaft
(einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der
Forstwirtschaft und damit verbundener Industriezweige.
5. ...
6. 'Strom aus erneuerbaren Energieträgern' elektrische
Energie, die in Anlagen erzeugt wurde, die ausschließlich erneuerbare Energieträger nutzen, sowie den dem Anteil der Biomasse entsprechenden Teil elektrischer Energie aus Hybrid- oder Mischfeuerungsanlagen, die auch nicht erneuerbare (konventionelle) Energieträger einsetzen, einschließlich Strom aus erneuerbaren Energieträgern, der zum Auffüllen von Speichersystemen genutzt wird; ausgenommen ist Strom, der als Ergebnis der Speicherung in Speichersystemen gewonnen wird;
...
12. 'Ökostromanlage' eine Erzeugungsanlage, die aus
erneuerbaren Energieträgern Ökostrom erzeugt und als solche
anerkannt ist;
...
15. 'Ökostrom' elektrische Energie aus erneuerbaren
Energieträgern
... ."
Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz Ökostromgesetz sind Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie, die ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energieträger betrieben werden, über Antrag der Betreiber vom Landeshauptmann des Landes, in dem sich die Anlage befindet, mit Bescheid als Ökostromanlagen anzuerkennen.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie, die auf Basis der erneuerbaren Energieträger Biomasse, Abfall mit hohem biogenen Anteil, Deponiegas, Klärgas und Biogas betrieben werden, in denen auch fossile Energieträger verwendet werden, als Hybridanlagen oder als Mischfeuerungsanlagen über Antrag der Betreiber vom Landeshauptmann mit Bescheid anzuerkennen.
Gemäß dem Erlass des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 20. März 2003 betreffend die Anerkennung von Biogasanlagen gemäß § 7 Ökostromgesetz (abgedruckt im Elektrizitätsrecht des Bundes - Stand 1. September 2006, hrsg. von M. Reisinger, S 219 f) sind von den Anlagen, die unter Verwendung von Biogas betrieben werden, nur jene Anlagen als Ökostromanlagen unter Verwendung des Energieträgers Biogas (ohne Konfermentation) anzuerkennen, in denen ausschließlich unter Einsatz folgender Stoffe elektrische Energie erzeugt und in das öffentliche Netz abgegeben wird: u.a. Jauche, Gülle und Stallmist.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers sind auch die Fermenter und das Endlager der verfahrensgegenständlichen Anlage Nebenanlagen im Sinne des § 4 Z. 35 TEG 2003, die der Stromerzeugung, Übertragung und Verteilung dienen, und somit als Stromerzeugungsanlage zu qualifizieren.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht des Beschwerdeführers schon im Hinblick auf die gegebene räumliche und betriebstechnische Einheit der Anlage. Wie insbesondere die angeführten Regelungen im Ökostromgesetz zeigen, stellt die Erzeugung von elektrischer Energie in Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger einen Bereich der Erzeugung von elektrischer Energie dar. Zu den erneuerbaren Energieträgern gehört gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Ökostromgesetz u.a. Biogas. Unter einer Ökostromanlage ist - wie angeführt - eine Erzeugungsanlage zu verstehen, die aus erneuerbaren Energieträgern Ökostrom erzeugt (vgl. Raschauer, Handbuch Energierecht, S. 106 f) und als solche anerkannt ist. Erfolgt die Erzeugung von elektrischer Energie somit in Anlagen auf Basis von Biogas, einem erneuerbaren Energieträger sind all jene Einrichtungen, die in derartigen Anlagen für den erneuerbaren Energieträger bestimmt sind, als Teil der Stromerzeugungsanlage und somit als eine der Erzeugung von elektrischer Energie dienende Nebenanlage im Sinne des § 4 Z. 35 TEG zu qualifizieren. Auch aus dem hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2004/05/0193, ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Biogasanlage, die der Wärme- und Stromerzeugung diente, als Stromerzeugungsanlage qualifiziert und die Rechtmäßigkeit der erteilten elektrizitätsrechtlichen Bewilligung geprüft hat.
Im Einklang mit dieser Auffassung erfolgte im vorliegenden Fall auch - wie angeführt - die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für die gesamte Biogasanlage (samt den Fermentern, dem Endlager und der Vorgrube). Liegt aber eine Stromerzeugungsanlage vor, die kein Gebäude mit Aufenthaltsräumen darstellt, fällt eine derartige Anlage gemäß § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Die verfahrensgegenständliche Untersagung der weiteren Ausführung des "Bauvorhabens", nämlich der Errichtung der verfahrensgegenständlichen Biogasanlage mit Endlager, Fermentern und Vorgrube, gemäß § 33 TBO 2001, erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag, in dem auch bereits die Umsatzsteuer enthalten ist, abzuweisen.
Wien, am 21. Februar 2007
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060261.X00Im RIS seit
20.04.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011