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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des MS in H, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 2. August 2005, GZ. K 121.056/0003-DSK/2005, betreffend eine erkennungsdienstliche Behandlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist nach den vorgelegten Akten am 22. November 2003 um 23.05 Uhr von der Polizeiinspektion L bei der Einreise von Deutschland einer Suchtmittelkontrolle unterzogen worden, die positiv verlaufen ist. Er ist in der Folge am 23. November 2004 um 1.45 Uhr von österreichischen Sicherheitsbeamten dem Gendarmerieposten B übergeben worden, wo er einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer war geständig. Am Gendarmerieposten B ist auch eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers vorgenommen worden.
Mit der am 27. April 2004 bei der belangten Behörde erhobenen Beschwerde machte der Beschwerdeführer u.a. geltend, während der Anhaltung durch die Sicherheitsexekutive (GP B) am 23. November 2003 rechtswidrigerweise erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein. Ihm sei ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Handflächenabdruck und Fingerabdrücke abgenommen, sowie sein Lichtbild aufgenommen worden.
Die Bezirkshauptmannschaft B hat in ihrer Stellungnahme im Verfahren vor der belangten Behörde dazu festgestellt, der Beschwerdeführer habe an dieser erkennungsdienstlichen Behandlung freiwillig mitgewirkt. In der Beschwerde an die belangte Behörde vom 27. April 2004 wurde dazu ausgeführt, dass der einschreitende Beamte auf dem GP B verlangt habe, dass sich der Beschwerdeführer erkennungsdienstlich behandeln lasse. Im Antrag des Beschwerdeführers auf Zuständigkeitsentscheidung vom 29. Juni 2005 hat der Beschwerdeführer dargelegt, er habe nach Aufforderung gemäß § 77 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) an der erkennungsdienstlichen Behandlung mitgewirkt, da er der Meinung gewesen sei, er sei dazu verpflichtet.
Nach der Weiterleitung der Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg gemäß § 6 Abs. 1 AVG durch die belangte Behörde beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 (bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt) den bescheidmäßigen Abspruch der belangten Behörde über ihre Zuständigkeit.
Die belangte Behörde wies die Beschwerde gemäß § 77 Abs. 2 und 4, § 78 und § 90 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, i.d.F. BGBl. I Nr. 104/2002 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG zurück. Die belangte Behörde führte dazu aus, dass infolge der durch den strafrechtlichen Tatverdacht nach dem SMG begründeten Anhaltung gemäß § 77 Abs. 2 und 4 sowie § 78 SPG die Voraussetzungen vorgelegen seien, eine erkennungsdienstliche Behandlung ohne Erlassung eines Bescheides durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorzunehmen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zwangsweise, das bedeute unter Androhung oder Anwendung physischer Gewalt, erkennungsdienstlich behandelt worden sei, oder sich - pflichtgemäß nach § 65 Abs. 4 SPG - dem bloßen Befehl (der Aufforderung) zur Mitwirkung gebeugt habe. Entscheidend sei vielmehr, dass ihm gemäß SPG keine Wahl geblieben sei, rechtmäßig seine Zustimmung (etwa im Sinne von § 8 Abs. 1 Z. 2 DSG 2000) zu erteilen oder zu verweigern. Denn auch ohne seine Zustimmung hätte die erkennungsdienstliche Behandlung dennoch, erforderlichenfalls durch Zwangsausübung, vorgenommen werden können. Daher sei die Beurteilung der Angelegenheit gemäß § 90 zweiter Satz SPG der Zuständigkeit der belangten Behörde entzogen und falle vielmehr gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i. V.m. § 88 Abs. 1 SPG in die (örtliche) Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem mittlerweile ergangenen Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/06/0018, die von der belangten Behörde dort vertretene Auffassung, dass eine im Zuge einer gerichtlich angeordneten Anhaltung vorgenommene erkennungsdienstliche Behandlung ohne Erlassung eines Bescheides jedenfalls als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sei, als rechtswidrig erkannt. In dem angeführten Erkenntnis wurde unter Berufung auf einschlägige Vorjudikatur dargelegt, dass die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als spezifisch verstandene Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Im Falle eines Befehls ist dann die Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt anzunehmen, wenn dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Schon in dem Fall, dass sich der Betroffene weigert, der Aufforderung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung Folge zu leisten, und ihm darauf angedroht wird, dass er gemäß § 77 Abs. 4 SPG zu einer solchen Behandlung vorgeführt wird, stellt die Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes muss die Frage, ob die Datenermittlung durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt ist, jeweils an Hand der konkreten Vorgangsweise der amtshandelnden Beamten und des Verhaltens des Betroffenen dabei beantwortet werden. Dies muss in gleicher Weise im Falle einer durch die Sicherheitsbehörden vorgenommenen Anhaltung wegen eines strafrechtlichen Tatverdachtes nach dem SMG gelten, während der es zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Verdächtigen kommt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann es nicht dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zwangsweise, d. h. unter Androhung oder Anwendung physischer Gewalt, erkennungsdienstlich behandelt wurde oder der Aufforderung zur Mitwirkung Folge geleistet hat. Es kann im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des angeführten hg. Erkenntnisses vom 19. September 2006 zu Spruchpunkt I.
verwiesen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2
Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Februar 2007
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060275.X00Im RIS seit
27.03.2007