Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga M*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Parteien 1) Manfred S*****, und 2) Christine S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterlassung (Streitwert 100.000 S) infolge ordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 5. Juni 2001, GZ 36 R 215/01p-25, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 6. März 2001, GZ 1 C 332/99g-19, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erkannte die Beklagten im zweiten Rechtsgang neuerlich schuldig, das Abladen bzw Abladenlassen von Koks unmittelbar nach der Einfahrt zum Grundstück der Klägerin auf deren Grundstück zu unterlassen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 19. 9. 2001 änderte das Berufungsgericht den letzteren Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Nach dessen Ansicht mussten sich nach dem maßgebenden Sachverhalt "für jeden durchschnittlichen Erklärungsempfänger tatsächlich Zweifel an der Ernstlichkeit" des Anbots der Beklagten auf Abschluss eines Unterlassungsvergleichs in der Verhandlung vom 6. 9. 1999 ergeben. Dieses Anbot sei demnach ungeeignet gewesen, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die Beklagten seien materielle Streitgenossen. Die Zweifel an einem ernstlichen Unterlassungswillen der Zweitbeklagten belasteten daher auch die Rechtsposition des Erstbeklagten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu klären sei, ob Äußerungen eines Beklagten, die auf einen mangelnden Verpflichtungswillen beider Beklagten schließen ließen, auch dem anderen Beklagten zuzurechnen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
1. Schon das Erstgericht stützte seine Ansicht, die Beklagten hätten bei ihrem Vergleichsanbot keinen ernstlichen Verpflichtungswillen gehabt, einerseits auf zahlreiche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, die "das Klima ... offenbar vergiftet haben", andererseits aber auch auf die Andeutung der Zweitbeklagten (offenkundig) nach dem Vergleichsanbot in der Verhandlung vom 6. 9. 1999, sie werde "den Koks weiter wie bisher liefern lassen". Das Erstgericht bezweifelte also nicht ausschließlich aufgrund einer Äußerung der Zweitbeklagten einen ernsthaften Verpflichtungswillen des Erstbeklagten, deren Äußerung wurde vielmehr als weiteres Indiz für den mangelnden Willen beider Beklagten angesehen, den angebotenen Vergleich auch einzuhalten.
Das Berufungsgericht hielt die Beurteilung durch das Erstgericht für zutreffend und verwies als weitere Stütze für deren Richtigkeit auf die Aussage des Erstbeklagten als Partei, nach der "eine gewisse Unklarheit darüber herrschte, wie in weiterer Zukunft vorgegangen werden soll". Dazu sei dann noch die Äußerung der Zweitbeklagten gekommen. Der Erstbeklagte hätte "insbesondere in der Verhandlung am 29. 9. 2000 die Möglichkeit gehabt, alle Unklarheiten aus dem Weg zu räumen und das Vergleichsanbot unter Hinweis auf die neu gefundenen Modalitäten (Anm: offenkundig der Koksablagerung) zu wiederholen und zu bekräftigen". Angesichts dieser Umstände trifft der unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erhobene Vorwurf der Beklagten nicht zu, das Berufungsgericht habe ohne Beweiswiederholung eigene Feststellungen getroffen, wurden doch damit nur die schon vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über das durch zahlreiche Prozesse vergiftete Klima zwischen den Streitteilen, das sich auch in der Äußerung der Zweitbeklagten in der Verhandlung vom 6. 9. 1999 niederschlug, einerseits durch den Hinweis auf ein weiteres Beweisergebnis, andererseits aber auch durch die vom Erstbeklagten im Zuge eines Verhandlungstermins unterlassene Klarstellung seines Vergleichswillens untermauert. Das Berufungsgericht traf - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch keine "(versteckte) Tatsachenfeststellung", soweit es ausführte, aus dem Umstand, dass die Beklagten den Koks während des Verfahrens in Säcken liefern ließen und nicht mehr vor der Einfahrt der Klägerin ablagerten, sei noch nicht auf einen Wegfall der Wiederholungsgefahr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu schließen. Die für diese rechtliche Schlussfolgerung ins Treffen geführten Tatsachen wurden vielmehr aus dem Ersturteil übernommen, hatte doch schon das Erstgericht festgestellt, dass die Beklagten "die Liefermodalitäten für ihren Brennstoff" in der Folge änderten und "nunmehr keine Ablagerungen auf dem Grundstück der Klägerin" vornahmen (ON 19 S 5).Das Berufungsgericht hielt die Beurteilung durch das Erstgericht für zutreffend und verwies als weitere Stütze für deren Richtigkeit auf die Aussage des Erstbeklagten als Partei, nach der "eine gewisse Unklarheit darüber herrschte, wie in weiterer Zukunft vorgegangen werden soll". Dazu sei dann noch die Äußerung der Zweitbeklagten gekommen. Der Erstbeklagte hätte "insbesondere in der Verhandlung am 29. 9. 2000 die Möglichkeit gehabt, alle Unklarheiten aus dem Weg zu räumen und das Vergleichsanbot unter Hinweis auf die neu gefundenen Modalitäten Anmerkung, offenkundig der Koksablagerung) zu wiederholen und zu bekräftigen". Angesichts dieser Umstände trifft der unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erhobene Vorwurf der Beklagten nicht zu, das Berufungsgericht habe ohne Beweiswiederholung eigene Feststellungen getroffen, wurden doch damit nur die schon vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über das durch zahlreiche Prozesse vergiftete Klima zwischen den Streitteilen, das sich auch in der Äußerung der Zweitbeklagten in der Verhandlung vom 6. 9. 1999 niederschlug, einerseits durch den Hinweis auf ein weiteres Beweisergebnis, andererseits aber auch durch die vom Erstbeklagten im Zuge eines Verhandlungstermins unterlassene Klarstellung seines Vergleichswillens untermauert. Das Berufungsgericht traf - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch keine "(versteckte) Tatsachenfeststellung", soweit es ausführte, aus dem Umstand, dass die Beklagten den Koks während des Verfahrens in Säcken liefern ließen und nicht mehr vor der Einfahrt der Klägerin ablagerten, sei noch nicht auf einen Wegfall der Wiederholungsgefahr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu schließen. Die für diese rechtliche Schlussfolgerung ins Treffen geführten Tatsachen wurden vielmehr aus dem Ersturteil übernommen, hatte doch schon das Erstgericht festgestellt, dass die Beklagten "die Liefermodalitäten für ihren Brennstoff" in der Folge änderten und "nunmehr keine Ablagerungen auf dem Grundstück der Klägerin" vornahmen (ON 19 S 5).
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der von den Beklagten behauptete wesentliche Mangel des Berufungsverfahrens nicht verwirklicht wurde. Es liegt ferner auch die gerügte Aktenwidrigkeit nicht vor.
2. In der Rechtsrüge wenden sich die Beklagten gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wegen der Situation nach dem Vergleichsanbot sei ernstlich zu bezweifeln gewesen, dass die Beklagten in das Eigentumsrecht der Klägerin künftig nicht mehr eingreifen würden. Die Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil ihr nicht die getroffenen Tatsachenfeststellungen (vergiftetes Klima zwischen den Streitteilen, das sich auch in Äußerungen der Zweitbeklagten nach dem Vergleichsanbot manifestierte - siehe dazu ON 16 S. 2 ff; ON 18 S. 2) zugrunde gelegt wurden.
2. 1. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil zu klären sei, ob bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft die Äußerung eines Streitgenossen auch dem anderen Streitgenossen zuzurechnen sei.
Es fehlt zweifellos an einer gesetzlichen Bestimmung, nach der ein materieller Streitgenosse prozessual nicht nur für sich, sondern gleichzeitig auch für den anderen handelt. Aus § 13 ZPO, der sich nur nicht auf die einheitliche Streitpartei bezieht (Fasching, Kommentar II 188), folgt vielmehr, dass die Handlungen und die Unterlassungen eines Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen (Fasching, LB2 Rz 378). Eine solche prozessuale Zurechnungsfrage ist indes im Anlassfall nicht zu lösen. Die Vorinstanzen hatten nicht zu klären, ob und - bejahendenfalls - wie weit eine Prozesserklärung der Zweitbeklagten auch gegen den Erstbeklagten wirkt. Zu beurteilen war vielmehr, inwieweit das Verhalten beider Beklagten einen Rückschluss auf die Ernstlichkeit ihres materiellen Verpflichtungswillens im Zusammenhang mit dem erstatteten Vergleichsanbot zuließ. Nur soweit war von Bedeutung, ob bestimmte Äußerungen der Zweitbeklagten nach dem Vergleichsanbot - angesichts des durch andere Prozesse vergifteten Klimas zwischen den Streitteilen - auch einen mangelnden materiellen Verpflichtungswillen ihres Ehegatten, des Erstbeklagten, indizierten. Diese Frage ließ sich nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beantworten.Es fehlt zweifellos an einer gesetzlichen Bestimmung, nach der ein materieller Streitgenosse prozessual nicht nur für sich, sondern gleichzeitig auch für den anderen handelt. Aus Paragraph 13, ZPO, der sich nur nicht auf die einheitliche Streitpartei bezieht (Fasching, Kommentar römisch II 188), folgt vielmehr, dass die Handlungen und die Unterlassungen eines Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen (Fasching, LB2 Rz 378). Eine solche prozessuale Zurechnungsfrage ist indes im Anlassfall nicht zu lösen. Die Vorinstanzen hatten nicht zu klären, ob und - bejahendenfalls - wie weit eine Prozesserklärung der Zweitbeklagten auch gegen den Erstbeklagten wirkt. Zu beurteilen war vielmehr, inwieweit das Verhalten beider Beklagten einen Rückschluss auf die Ernstlichkeit ihres materiellen Verpflichtungswillens im Zusammenhang mit dem erstatteten Vergleichsanbot zuließ. Nur soweit war von Bedeutung, ob bestimmte Äußerungen der Zweitbeklagten nach dem Vergleichsanbot - angesichts des durch andere Prozesse vergifteten Klimas zwischen den Streitteilen - auch einen mangelnden materiellen Verpflichtungswillen ihres Ehegatten, des Erstbeklagten, indizierten. Diese Frage ließ sich nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beantworten.
3. Der Unterlassungsanspruch setzt entweder aktuelle Gefährdung oder, wenn ein Eingriff schon stattfand, Wiederholungsgefahr voraus. Bei deren Prüfung darf "nicht engherzig" vorgegangen werden, sondern es genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe. Die Wiederholungsgefahr darf nach herrschender Auffassung nur dann verneint werden, wenn der Beklagte besondere Umstände dartut, die eine Wiederholung seines Verhaltens als ausgeschlossen oder doch zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ist das Verhalten des Beklagten auch nur unklar und zwiespältig, so ist das Unterbleiben künftiger Verstöße nicht gewährleistet. Das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs durch den Beklagten kann die Wiederholungsgefahr ausschließen. Maßgebend ist, ob dem Verhalten des Verletzers nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits ausreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen; dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen eine solche Sinnesänderung des Verletzers sprechen (1 Ob 296/98f mwN).
4. Das Berufungsgericht prüfte die Wiederholungsgefahr im Einklang mit den soeben wiedergegebenen Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Soweit es eine solche Gefahr nach den besonderen Umständen des Einzelfalls bejahte, haftet dem angefochtenen Urteil zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung an, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Die Revision ist somit gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, ist doch der Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden.4. Das Berufungsgericht prüfte die Wiederholungsgefahr im Einklang mit den soeben wiedergegebenen Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Soweit es eine solche Gefahr nach den besonderen Umständen des Einzelfalls bejahte, haftet dem angefochtenen Urteil zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung an, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Die Revision ist somit gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuweisen, ist doch der Obersten Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO gebunden.
Anmerkung
E63686 01A02781European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00278.01S.1127.000Dokumentnummer
JJT_20011127_OGH0002_0010OB00278_01S0000_000