TE OGH 2001/11/27 1Ob172/01b

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Veröffentlicht am 27.11.2001
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Mario K*****, infolge Revisionsrekurses der Mutter Dr. Christine B*****, vertreten durch Dr. Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 21. März 2001, GZ 37 R 89/01s-106, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 2. Februar 2001, GZ P 1545/95y-102, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom 21. September 1993 gemäß § 55a EheG geschieden. Nach dem pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsfolgen-Ver- gleich kam die Obsorge für den am 1. Mai 1985 geborenen Minderjährigen sowie dessen drei Jahre jüngeren Bruder der Mutter allein zu. Erstmals am 2. Februar 1996 beantragte der Vater die Übertragung der Obsorge für beide Kinder an ihn, weil sich insbesondere der Minderjährige bei seiner Mutter und deren Lebensgefährten (und jetzigen Ehegatten) nicht wohl fühle und deshalb beim Vater bleiben wolle. Mit Schreiben vom 8. April 1996 teilte der Vater mit, dass sich der Minderjährige weigere, nach dem Osterurlaub zur Mutter zurückzukehren; er beantragte daher, dass der Minderjährige bis zum Abschluss des Obsorgeverfahrens bei ihm verbleiben könne. Die Mutter sprach sich gegen die Anträge des Vaters aus und beantragte ihrerseits die vorübergehende Aussetzung der Besuchsrechte.

Seit 30. April 1996 lebt der Minderjährige ständig beim Vater. Aufforderungen des Jugendwohlfahrtsträgers und des Gerichts, den Minderjährigen wieder in die Obhut der Mutter zurückzuführen, begegnete der Vater mit dem Hinweis, dass er den Minderjährigen nur mit Gewalt zur Mutter zurückbringen könne und ihm dies unmöglich sei. In der Tagsatzung vom 22. Mai 1996 wurde der Vater neuerlich angehalten, den Minderjährigen bis längstens 28. Mai 1996 zu seiner Mutter zurückzustellen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Die Mutter erklärte schließlich, von Zwangsmaßnahmen möge Abstand genommen werden, ohne damit aber dem weiteren Aufenthalt des Minderjährigen beim Vater zuzustimmen oder gar die Obsorge aufgeben zu wollen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen ist der Vater die Hauptbezugsperson des Minderjährigen, während sich bei dessen Bruder eine eindeutige Präferenz für die Mutter zeigte. Die Sachverständige empfahl die Übernahme der Obsorge für den Minderjährigen durch den Vater unter der Voraussetzung einer äußerst großzügigen Besuchsrechtsregelung. Die Mutter stimmte einer Obsorgeübertragung nicht zu, schlug jedoch in der Tagsatzung vom 28. August 1997 vor, sie würde dem weiteren Aufenthalt des Minderjährigen beim Vater zustimmen, wenn die Obsorge weiterhin bei ihr bliebe und über den Obsorgeantrag nicht entschieden würde. Damit war der Vater einverstanden.

Am 17. März 1999 beantragte der Vater neuerlich, ihm die Obsorge für den Minderjährigen zu übertragen, weil ständig Ereignisse aufträten, die ein rasches Reagieren des Erziehungsberechtigten notwendig machten. Vor allem aber bestehe der Wunsch des Sohnes, nach fast drei Jahren faktischen Aufenthalts in der Familie des Vaters (der gleichfalls eine zweite Ehe eingegangen war), nun auch rechtlich uneingeschränkt dort leben zu dürfen. Die Mutter sprach sich weiterhin gegen die Obsorgeübertragung an den Vater aus, weil sie sich nichts zu schulden habe kommen lassen und die Hoffnung nicht aufgebe, dass der Minderjährige zu ihr zurückkehren werde. Sie erhob zwar keine Vorwürfe gegen die Art der Ausübung der Obsorge durch den Vater, merkte allerdings an, dass der Vater etwa Schulummeldungen etc. durchgeführt habe, obwohl die Obsorge ihr zukomme.

Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde befürwortete die Obsorgeübertragung und verwies in ihren Sozialberichten vom 26. Februar und 23. Juni 1999 darauf, dass der Minderjährige seine Mutter und seinen Bruder regelmäßig besuche, sich die konflikthafte Beziehung der Eltern aber auf das Verhältnis der Brüder belastend auswirke. Der Minderjährige sei beim Vater und in der Umgebung gut integriert, weil er sich beim Vater wohl fühle und auch weiterhin bei ihm bleiben wolle; der Vater selbst erwecke einen bemühten Eindruck.

Die Vorinstanzen übertrugen die Obsorge für den Minderjährigen an den Vater, die zweite Instanz mit folgender Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Abänderung der einmal getroffenen Obsorgeregelung nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB, also bei einer Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten des Obsorgeträgers, möglich. Dieser Rechtsprechung liege vor allem der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung zugrunde. Deshalb werde die "Latte für einen Obsorgewechsel sehr hoch gelegt". Insbesondere müssten die Voraussetzungen beim nunmehr die Obsorge anstrebenden Teil besser sein als beim bisherigen Obsorgeträger. Käme es darauf an, bei welchem Elternteil die Verhältnisse gerade besser seien, könnte dies zu einem ständigen Wechsel führen, weil es durch jede Änderung der Lebensumstände des Elternteils oder des Kindes (für den Elternteil Umzug, Berufswechsel, Beginn oder Beendigung einer Partnerschaft, für das Kind Schulwechsel etc.) zu einem Ausschlagen des Pendels in die eine oder andere Richtung kommen könnte, also die Verhältnisse zunächst bei dem einen Elternteil günstiger seien, bei Änderung der Verhältnisse dann aber beim anderen Elternteil, und bei einer neuerlichen Veränderung wieder beim ersten usw. Dies würde auch zu einem ständigen "Pendelverkehr" des Kindes führen, würde es nach den gerade beim anderen Elternteil günstigeren Verhältnissen sogleich zu einem Obsorgewechsel kommen. Dies wäre aber nach den einschlägigen psychologischen Erkenntnissen (auf denen die Wertungen der Rechtsprechung letztlich beruhten) mit dem Wohl des Kindes unvereinbar. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Minderjährigen sei die Konstanz der Pflege-und Erziehungsverhältnisse von ausschlaggebender Bedeutung. Das Kind müsse "wissen, wo es zu Hause ist", ein "Heim erster Ordnung" haben (vgl. dazu die RV zum KindRÄG, 296 BlgNR 21. GP zu § 177 ABGB), in dem es seinen ständigen Aufenthalt habe und in dem auch die seine Zukunft betreffenden Entscheidungen fielen. Gerade diese Umstände sprächen aber hier für eine Übertragung der Obsorge an den Vater. Der Minderjährige lebe nunmehr seit nahezu fünf Jahren ständig beim Vater und habe dort sein "Heim erster Ordnung" gefunden. Die von der Rechtsprechung stets betonte Kontinuität könne nicht eine Kontinuität des bloß in formaler Hinsicht aufrechten Bestands der Obsorge bedeuten, sondern eine solche der Pflege- und Erziehungsverhältnisse. Pflege und Erziehung (als für den Minderjährigen unmittelbar spürbare Auswirkungen der Obsorge) lägen aber seit nahezu fünf Jahren dauernd in den Händen des Vaters, und dies zumindest seit 28. August 1997 (also seit rund 31/2 Jahren) sogar mit ausdrücklicher Billigung der Mutter. Die Mutter selbst betone, an der Art, in der der Vater seither Pflege und Erziehung ausgeübt habe, nichts auszusetzen zu haben. Sie gebe sogar an, dass Vertretungshandlungen wie Schulwechsel vom Vater durchgeführt würden. Die in ihren Händen verbliebene Obsorge sei damit lediglich eine leere Hülse, an deren Weiterbestand in Wahrheit kein Bedarf mehr bestehe. Ihre fortgesetzte Weigerung, der Übertragung der Obsorge an den Vater zuzustimmen und damit den rechtlichen Zustand dem faktischen anzugleichen, sei unter den konkreten Voraussetzungen des Einzelfalls nicht rational nachvollziehbar. Der Aufenthalt beim Vater habe dem ausdrücklichen Wunsch des Kindes entsprochen, und zwar nicht aus einer vorübergehenden Laune, sondern, wie aus der Dauer des Aufenthalts hervorgehe, einem sehr nachhaltigen Wunsch, den zu übergehen sicherlich eine Verletzung des Kindeswohls bedeuten würde. Der Aufenthalt beim Vater habe sich auch in jeder Hinsicht über Jahre hinweg bewährt. Von einem ständigen Wechsel könne keine Rede sein. Gerade der Grundsatz der Kontinuität spreche hier also für einen weiteren Verbleib des Minderjährigen beim Vater. Es bestehe kein vernünftiger Grund, auf lange Sicht die faktischen Pflege- und Erziehungsverhältnisse von der Obsorge zu trennen. Auch wenn es bisher zu keinen konkreten Schwierigkeiten gekommen sein möge und erforderliche Unterschriften von der Mutter geleistet worden seien, sei auf lange Sicht ein Auseinanderklaffen zwischen tatsächlichen Pflegeverhältnissen und Obsorge dem Kindeswohl abträglich. Einerseits könne es (etwa im Krankheitsfall) zu Verzögerungen und damit zu faktischen Nachteilen kommen. Andererseits liege ein - wenn auch nicht allzu gravierender - Nachteil einfach in gewissen Unannehmlichkeiten, die mit der Einholung von Unterschriften und Zustimmungserklärungen von einem Elternteil, mit dem der Minderjährige nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, verbunden seien. Schließlich gebe es nach wie vor offenbar keine ausreichend gute Gesprächsbasis zwischen den Eltern, daher könne es bei unterschiedlicher Meinung der Eltern über die erforderlichen Maßnahmen zu schwerwiegenden rechtlichen und tatsächlichen Nachteilen für den Minderjährigen kommen. Für den Minderjährigen sei doch immer eine gewisse psychische Belastung damit verbunden, dass er sich der gegensätzlichen Positionen der Eltern bewusst sei und immer damit rechnen müsse, dass dies zu gröberen Auseinandersetzungen führen könne, für die letztlich er der Anlass sei. Es bedeute daher, insbesondere angesichts des schon seit sehr langer Zeit gegebenen faktischen Zustands, das weitere Auseinanderklaffen der tatsächlichen Pflege- und Erziehungsverhältnisse von der Obsorge (auch im Hinblick darauf, dass der Minderjährige in einem Alter sei, in dem Vertretungshandlungen gegenüber Dritten immer mehr an Bedeutung gewinnen) eine potentielle Gefährdung des Kindeswohls, die nur durch die Übertragung der Obsorge an denjenigen Elternteil, der faktisch seit vielen Jahren die Pflege und Erziehung ausübt, beseitigt werden könne. Obwohl das KindRÄG 2001 noch nicht in Kraft sei, sei hier doch auf die gesetzgeberischen Wertungen, die darin zum Ausdruck kämen, Bezug zu nehmen. Die bisherigen, in der Rechtsprechung zu § 176 ABGB entwickelten Grundsätze würden durch das KindRÄG unmittelbar zwar keine einschneidende Modifikation erfahren. In Zukunft sei aber eine Obsorge beider Eltern nach Auflösung ihrer Gemeinschaft möglich. Die Eltern könnten auch einmal getroffene Vereinbarungen oder Regelungen über die Betrauung mit der Obsorge abändern. In jedem Fall sei es aber notwendig, dass jener Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhalten solle (worüber auch nach neuem Recht zwingend eine Vereinbarung zu schließen sei), immer mit der gesamten Obsorge betraut ist. Eine Vereinbarung, wie sie hier faktisch seit Jahren gegeben war, dass nämlich einem Elternteil die Obsorge zukomme, sich das Kind aber ständig beim anderen Elternteil aufhalte, würde daher der neuen Rechtslage nicht entsprechen. Auch das KindRÄG gehe damit vom sogenannten "Eingliederungsmodell" aus, also der Notwendigkeit kontinuierlicher Pflege- und Erziehungsverhältnisse (im Gegensatz zum sogenannten "Wandelmodell", also einem ständigen Wechsel der Betreuungsverhältnisse). Derjenige, bei dem sich das Kind ständig aufhalte, müsse (zwingend) mit der gesamten Obsorge betraut und damit in die Lage versetzt sein, Entscheidungen für das Kind zu treffen und in Form von Vertretungshandlungen auch umzusetzen. Daraus komme eindeutig die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, ein völliges Auseinanderfallen von Aufenthalt bzw. faktischer Pflege und Erziehung einerseits und Obsorge andererseits zu vermeiden.Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Abänderung der einmal getroffenen Obsorgeregelung nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB, also bei einer Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten des Obsorgeträgers, möglich. Dieser Rechtsprechung liege vor allem der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung zugrunde. Deshalb werde die "Latte für einen Obsorgewechsel sehr hoch gelegt". Insbesondere müssten die Voraussetzungen beim nunmehr die Obsorge anstrebenden Teil besser sein als beim bisherigen Obsorgeträger. Käme es darauf an, bei welchem Elternteil die Verhältnisse gerade besser seien, könnte dies zu einem ständigen Wechsel führen, weil es durch jede Änderung der Lebensumstände des Elternteils oder des Kindes (für den Elternteil Umzug, Berufswechsel, Beginn oder Beendigung einer Partnerschaft, für das Kind Schulwechsel etc.) zu einem Ausschlagen des Pendels in die eine oder andere Richtung kommen könnte, also die Verhältnisse zunächst bei dem einen Elternteil günstiger seien, bei Änderung der Verhältnisse dann aber beim anderen Elternteil, und bei einer neuerlichen Veränderung wieder beim ersten usw. Dies würde auch zu einem ständigen "Pendelverkehr" des Kindes führen, würde es nach den gerade beim anderen Elternteil günstigeren Verhältnissen sogleich zu einem Obsorgewechsel kommen. Dies wäre aber nach den einschlägigen psychologischen Erkenntnissen (auf denen die Wertungen der Rechtsprechung letztlich beruhten) mit dem Wohl des Kindes unvereinbar. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Minderjährigen sei die Konstanz der Pflege-und Erziehungsverhältnisse von ausschlaggebender Bedeutung. Das Kind müsse "wissen, wo es zu Hause ist", ein "Heim erster Ordnung" haben vergleiche dazu die RV zum KindRÄG, 296 BlgNR 21. GP zu § 177 ABGB), in dem es seinen ständigen Aufenthalt habe und in dem auch die seine Zukunft betreffenden Entscheidungen fielen. Gerade diese Umstände sprächen aber hier für eine Übertragung der Obsorge an den Vater. Der Minderjährige lebe nunmehr seit nahezu fünf Jahren ständig beim Vater und habe dort sein "Heim erster Ordnung" gefunden. Die von der Rechtsprechung stets betonte Kontinuität könne nicht eine Kontinuität des bloß in formaler Hinsicht aufrechten Bestands der Obsorge bedeuten, sondern eine solche der Pflege- und Erziehungsverhältnisse. Pflege und Erziehung (als für den Minderjährigen unmittelbar spürbare Auswirkungen der Obsorge) lägen aber seit nahezu fünf Jahren dauernd in den Händen des Vaters, und dies zumindest seit 28. August 1997 (also seit rund 31/2 Jahren) sogar mit ausdrücklicher Billigung der Mutter. Die Mutter selbst betone, an der Art, in der der Vater seither Pflege und Erziehung ausgeübt habe, nichts auszusetzen zu haben. Sie gebe sogar an, dass Vertretungshandlungen wie Schulwechsel vom Vater durchgeführt würden. Die in ihren Händen verbliebene Obsorge sei damit lediglich eine leere Hülse, an deren Weiterbestand in Wahrheit kein Bedarf mehr bestehe. Ihre fortgesetzte Weigerung, der Übertragung der Obsorge an den Vater zuzustimmen und damit den rechtlichen Zustand dem faktischen anzugleichen, sei unter den konkreten Voraussetzungen des Einzelfalls nicht rational nachvollziehbar. Der Aufenthalt beim Vater habe dem ausdrücklichen Wunsch des Kindes entsprochen, und zwar nicht aus einer vorübergehenden Laune, sondern, wie aus der Dauer des Aufenthalts hervorgehe, einem sehr nachhaltigen Wunsch, den zu übergehen sicherlich eine Verletzung des Kindeswohls bedeuten würde. Der Aufenthalt beim Vater habe sich auch in jeder Hinsicht über Jahre hinweg bewährt. Von einem ständigen Wechsel könne keine Rede sein. Gerade der Grundsatz der Kontinuität spreche hier also für einen weiteren Verbleib des Minderjährigen beim Vater. Es bestehe kein vernünftiger Grund, auf lange Sicht die faktischen Pflege- und Erziehungsverhältnisse von der Obsorge zu trennen. Auch wenn es bisher zu keinen konkreten Schwierigkeiten gekommen sein möge und erforderliche Unterschriften von der Mutter geleistet worden seien, sei auf lange Sicht ein Auseinanderklaffen zwischen tatsächlichen Pflegeverhältnissen und Obsorge dem Kindeswohl abträglich. Einerseits könne es (etwa im Krankheitsfall) zu Verzögerungen und damit zu faktischen Nachteilen kommen. Andererseits liege ein - wenn auch nicht allzu gravierender - Nachteil einfach in gewissen Unannehmlichkeiten, die mit der Einholung von Unterschriften und Zustimmungserklärungen von einem Elternteil, mit dem der Minderjährige nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, verbunden seien. Schließlich gebe es nach wie vor offenbar keine ausreichend gute Gesprächsbasis zwischen den Eltern, daher könne es bei unterschiedlicher Meinung der Eltern über die erforderlichen Maßnahmen zu schwerwiegenden rechtlichen und tatsächlichen Nachteilen für den Minderjährigen kommen. Für den Minderjährigen sei doch immer eine gewisse psychische Belastung damit verbunden, dass er sich der gegensätzlichen Positionen der Eltern bewusst sei und immer damit rechnen müsse, dass dies zu gröberen Auseinandersetzungen führen könne, für die letztlich er der Anlass sei. Es bedeute daher, insbesondere angesichts des schon seit sehr langer Zeit gegebenen faktischen Zustands, das weitere Auseinanderklaffen der tatsächlichen Pflege- und Erziehungsverhältnisse von der Obsorge (auch im Hinblick darauf, dass der Minderjährige in einem Alter sei, in dem Vertretungshandlungen gegenüber Dritten immer mehr an Bedeutung gewinnen) eine potentielle Gefährdung des Kindeswohls, die nur durch die Übertragung der Obsorge an denjenigen Elternteil, der faktisch seit vielen Jahren die Pflege und Erziehung ausübt, beseitigt werden könne. Obwohl das KindRÄG 2001 noch nicht in Kraft sei, sei hier doch auf die gesetzgeberischen Wertungen, die darin zum Ausdruck kämen, Bezug zu nehmen. Die bisherigen, in der Rechtsprechung zu § 176 ABGB entwickelten Grundsätze würden durch das KindRÄG unmittelbar zwar keine einschneidende Modifikation erfahren. In Zukunft sei aber eine Obsorge beider Eltern nach Auflösung ihrer Gemeinschaft möglich. Die Eltern könnten auch einmal getroffene Vereinbarungen oder Regelungen über die Betrauung mit der Obsorge abändern. In jedem Fall sei es aber notwendig, dass jener Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhalten solle (worüber auch nach neuem Recht zwingend eine Vereinbarung zu schließen sei), immer mit der gesamten Obsorge betraut ist. Eine Vereinbarung, wie sie hier faktisch seit Jahren gegeben war, dass nämlich einem Elternteil die Obsorge zukomme, sich das Kind aber ständig beim anderen Elternteil aufhalte, würde daher der neuen Rechtslage nicht entsprechen. Auch das KindRÄG gehe damit vom sogenannten "Eingliederungsmodell" aus, also der Notwendigkeit kontinuierlicher Pflege- und Erziehungsverhältnisse (im Gegensatz zum sogenannten "Wandelmodell", also einem ständigen Wechsel der Betreuungsverhältnisse). Derjenige, bei dem sich das Kind ständig aufhalte, müsse (zwingend) mit der gesamten Obsorge betraut und damit in die Lage versetzt sein, Entscheidungen für das Kind zu treffen und in Form von Vertretungshandlungen auch umzusetzen. Daraus komme eindeutig die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, ein völliges Auseinanderfallen von Aufenthalt bzw. faktischer Pflege und Erziehung einerseits und Obsorge andererseits zu vermeiden.

Dass die ursprüngliche Vorgangsweise des Vaters unrechtmäßig gewesen sei und die nunmehrige Sanktionierung seines Vorgehens auch dazu führen würde, dass dem Minderjährigen gegenüber der Eindruck vermittelt werden würde, aus unrechtmäßigen Handlungen könne erfolgreich eine Situation herbeigeführt werden, die man sonst nicht erlangt hätte, sei Folgendes zu erwidern: Inwiefern dem Minderjährigen dieser Eindruck vermittelt werde, werde in erster Linie an den beteiligten Erwachsenen liegen. Wie der Obsorgewechsel begründet werde, liege gleichfalls in erster Linie in den Händen der beteiligten Erwachsenen. Welchen Eindruck der Minderjährige gewinne, liege daher ausschließlich daran, wie das Ergebnis des Verfahrens gegenüber dem Kind von den beteiligten Eltern vertreten und mitgeteilt werde. Die ursprüngliche Vorgangsweise des Vaters sei formal nicht korrekt gewesen, er habe sich über die bestehende Obsorge der Mutter ebenso hinweggesetzt wie über entsprechende Anweisungen einer Sozialarbeiterin der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und des Gerichts. Allerdings dürfe nicht übersehen werden, dass von Anfang an tatsächlich der Wunsch des Minderjährigen bestanden habe, beim Vater zu bleiben. Oberster Grundsatz des Pflegschaftsrechts sei immer die Wahrung des Kindeswohls. Diese müsse auch oberste Leitlinie für das Verhalten des Obsorgeträgers sein. Wenn daher das Wohl des Kindes einen Wechsel des Aufenthalts erfordert, müsste es daher im wohlverstandenen Interesse des Obsorgeträgers liegen, diesem Wunsch des Kindes auch Rechnung zu tragen und nachzukommen, ohne eigene Interessen über jene des Kindes zu stellen. Dem habe jedoch die Mutter nicht entsprochen, sodass auch ihre ursprüngliche Weigerung, dem Aufenthalt des Minderjährigen beim Vater zuzustimmen, Unrecht, nämlich gegen das Wohl des Kindes gerichtet gewesen sei. Es habe somit in der Anfangsphase der Vater in erster Linie in formaler Hinsicht, die Mutter in materieller Hinsicht unrechtmäßig gehandelt. Auf Grund der langjährigen faktischen Verhältnisse sei die formal immer noch bestehende Obsorge der Mutter zu einer bloßen leeren Hülse geworden; das Festhalten an diesem Zustand bringe keine erkennbare Förderung der tatsächlichen und rechtlichen Interessen der Mutter, geschweige denn solcher des Minderjährigen, während die Übertragung der Obsorge an den Vater sowohl dessen Interessen als auch jenen des Minderjährigen förderlich wäre. Unter diesen Umständen grenze daher das Festhalten der Mutter an der bloß formal und auf dem Papier bestehenden Obsorge an missbräuchliche Rechtsausübung. Gerade durch den langen Zeitverlauf sei somit auf Seiten der Mutter jedenfalls aus ursprünglich bestehendem Recht Unrecht geworden. Oberster Grundsatz des Kindschaftsrechts sei und bleibe das Wohl des Kindes. Die Anwendung aller anderen Grundsätze habe sich an diesem Grundsatz zu orientieren. In Anbetracht der seit langen Jahren bestehenden faktischen Verhältnisse entspreche ein bloßes Festklammern an rechtlichen Verhältnissen keinesfalls dem Wohl des Kindes, dem alle anderen Grundsätze unterzuordnen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der Mutter ist nicht berechtigt.

a) Maßgeblich ist im vorliegenden Fall noch die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 BGB I 135/2000 (Art XVIII).a) Maßgeblich ist im vorliegenden Fall noch die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 BGB I 135/2000 (Art römisch XVIII).

Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend (stRsp, zuletzt 4 Ob 186/01h); im Spannungsverhältnis zwischen Elternrechten und dem - richtig beurteilten - Kindeswohl haben erstere naturgemäß zurückzutreten (JBl 1996, 714 = EFSlg 81.134; EFSlg 89.783 u.a., zuletzt 4 Ob 186/01h). Die hier von den Eltern getroffene und pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung gemäß § 55a EheG, womit die Obsorge für beide Kinder der Mutter zukam, stellt eine Vereinbarung iSd § 177 ABGB dar. Die mit der Entziehung ihrer Elternrechte verbundene Übertragung der Obsorge auf den anderen Elternteil ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 176 Abs 1 ABGB - die Gefährdung des Kindeswohls - zutreffen, der Obsorgeberechtigte demnach die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder wenigstens objektiv nicht erfüllt oder vernachlässigt hat. Dieser typische Grund für die Rechtfertigung einer Entziehung oder Einschränkung der Obsorge iSd § 176 ABGB ist demnach dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist. Dieser typische Rechtfertigungsgrund für eine Entziehung oder Einschränkung der Obsorge scheidet hier, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, aus. An der Fähigkeit der Rechtsmittelwerberin, ihr Kind ordentlich zu betreuen und zu erziehen, ist nach den Verfahrensergebnissen nicht zu zweifeln, und es fehlen auch Anhaltspunkte für einen Erziehungsnotstand des Minderjährigen. Da es für eine Entziehung der Obsorge nicht ausreicht, dass der andere Elternteil bessere Betreuungsverhältnisse bieten könnte, kommt nach der Sachlage als Grund für eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur folgender Umstand in Betracht:Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend (stRsp, zuletzt 4 Ob 186/01h); im Spannungsverhältnis zwischen Elternrechten und dem - richtig beurteilten - Kindeswohl haben erstere naturgemäß zurückzutreten (JBl 1996, 714 = EFSlg 81.134; EFSlg 89.783 u.a., zuletzt 4 Ob 186/01h). Die hier von den Eltern getroffene und pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung gemäß § 55a EheG, womit die Obsorge für beide Kinder der Mutter zukam, stellt eine Vereinbarung iSd § 177 ABGB dar. Die mit der Entziehung ihrer Elternrechte verbundene Übertragung der Obsorge auf den anderen Elternteil ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des Paragraph 176, Absatz eins, ABGB - die Gefährdung des Kindeswohls - zutreffen, der Obsorgeberechtigte demnach die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder wenigstens objektiv nicht erfüllt oder vernachlässigt hat. Dieser typische Grund für die Rechtfertigung einer Entziehung oder Einschränkung der Obsorge iSd Paragraph 176, ABGB ist demnach dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist. Dieser typische Rechtfertigungsgrund für eine Entziehung oder Einschränkung der Obsorge scheidet hier, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, aus. An der Fähigkeit der Rechtsmittelwerberin, ihr Kind ordentlich zu betreuen und zu erziehen, ist nach den Verfahrensergebnissen nicht zu zweifeln, und es fehlen auch Anhaltspunkte für einen Erziehungsnotstand des Minderjährigen. Da es für eine Entziehung der Obsorge nicht ausreicht, dass der andere Elternteil bessere Betreuungsverhältnisse bieten könnte, kommt nach der Sachlage als Grund für eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur folgender Umstand in Betracht:

Von der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, die Zuteilung der Obsorge im Zuge der Auflösung der Ehe könne auch bei einer wesentlichen Änderung der Umstände gleichsam korrigiert, also die Obsorge auch ohne Gefährdung des Kindeswohls auf den anderen Elternteil übertragen werden, wenn "besonders wichtige Gründe" für die Änderung sprechen, etwa wenn dadurch eine beachtliche Verbesserung der Lage und der Zukunftserwartungen des Minderjährigen herbeigeführt werden könne (SZ 53/142 = EvBl 1981/82 = ÖA 1982, 36 = EFSlg 17/3; 7 Ob 603/89 u.a.; vgl auch 8 Ob 511/90 = EFSlg 62.867; Schwimann in Schwimann2, § 176 ABGB Rz 8 mwN; Stabentheiner in Rummel3, §§ 176-176b ABGB Rz 1a). Die noch in der RV zum KindG 1989 BGBl 1989/162 (144 BlgNR 13. GP.) enthaltene Regelung, dass das Gericht bei wesentlich geänderten Verhältnissen neu zu entscheiden habe, ist aus der endgültigen Fassung des Gesetzes nicht etwa deshalb entfernt worden, weil der Gesetzgeber wesentlich geänderte Verhältnisse nicht mehr als ausreichenden Grund für eine neue Entscheidung angesehen habe, sondern weil vom Justizausschuss eine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts für entbehrlich gehalten wurde: Der Grundsatz, dass das Gericht bei geänderten Verhältnissen neu zu entscheiden habe, sei ohnehin ein das Pflegschaftsverfahren ganz allgemein beherrschender Grundsatz (SZ 53/142 mwN). Die somit aus der bisherigen Rsp abzuleitende weitgehende Gleichsetzung der "Gefährdung des Kindeswohls" und der "besonders wichtigen, die Änderung rechtfertigenden Gründe" findet aber auch im § 176 Abs 1 ABGB idFd KindG 1989, der Verfügungen zur Sicherung des Kindeswohls nicht nur bei dessen Gefährdung durch die Eltern anordnet, sondern (auf Antrag) auch dann gestattet, wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, eine Stütze. Die Gefährdung des Kindeswohls kann daher auch schon darin liegen, dass zwar wichtige Veränderungen eingetreten sind, die Eltern aber diesen Veränderungen nicht durch einvernehmliches Vorgehen Rechnung tragen (SZ 53/142; EFSlg 54.020) und sie auf den ihnen nach § 177 Abs 2 ABGB zuerkannten Elternrechten in einer wichtige Interessen der Kinder beeinträchtigenden Weise beharren (EFSlg 59.776; JBl 1996, 714 u.a.). Ein wichtiges Interesse ist dabei auch der ernstliche Wille eines mündigen Kindes, dem anderen Elternteil zugewiesen zu werden, soll doch einem solchen Minderjährigen die Obsorge durch einen Elternteil möglichst nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen und der Wunsch nicht gegen die offenbar wohlverstandenen Interessen des Kindes gerichtet ist (EFSlg 75.187; 1 Ob 2296/96w; EFSlg 87.021; 9 Ob 43/99k).Von der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, die Zuteilung der Obsorge im Zuge der Auflösung der Ehe könne auch bei einer wesentlichen Änderung der Umstände gleichsam korrigiert, also die Obsorge auch ohne Gefährdung des Kindeswohls auf den anderen Elternteil übertragen werden, wenn "besonders wichtige Gründe" für die Änderung sprechen, etwa wenn dadurch eine beachtliche Verbesserung der Lage und der Zukunftserwartungen des Minderjährigen herbeigeführt werden könne (SZ 53/142 = EvBl 1981/82 = ÖA 1982, 36 = EFSlg 17/3; 7 Ob 603/89 u.a.; vergleiche auch 8 Ob 511/90 = EFSlg 62.867; Schwimann in Schwimann2, § 176 ABGB Rz 8 mwN; Stabentheiner in Rummel3, §§ 176-176b ABGB Rz 1a). Die noch in der RV zum KindG 1989 BGBl 1989/162 (144 BlgNR 13. GP.) enthaltene Regelung, dass das Gericht bei wesentlich geänderten Verhältnissen neu zu entscheiden habe, ist aus der endgültigen Fassung des Gesetzes nicht etwa deshalb entfernt worden, weil der Gesetzgeber wesentlich geänderte Verhältnisse nicht mehr als ausreichenden Grund für eine neue Entscheidung angesehen habe, sondern weil vom Justizausschuss eine ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts für entbehrlich gehalten wurde: Der Grundsatz, dass das Gericht bei geänderten Verhältnissen neu zu entscheiden habe, sei ohnehin ein das Pflegschaftsverfahren ganz allgemein beherrschender Grundsatz (SZ 53/142 mwN). Die somit aus der bisherigen Rsp abzuleitende weitgehende Gleichsetzung der "Gefährdung des Kindeswohls" und der "besonders wichtigen, die Änderung rechtfertigenden Gründe" findet aber auch im § 176 Abs 1 ABGB idFd KindG 1989, der Verfügungen zur Sicherung des Kindeswohls nicht nur bei dessen Gefährdung durch die Eltern anordnet, sondern (auf Antrag) auch dann gestattet, wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, eine Stütze. Die Gefährdung des Kindeswohls kann daher auch schon darin liegen, dass zwar wichtige Veränderungen eingetreten sind, die Eltern aber diesen Veränderungen nicht durch einvernehmliches Vorgehen Rechnung tragen (SZ 53/142; EFSlg 54.020) und sie auf den ihnen nach § 177 Abs 2 ABGB zuerkannten Elternrechten in einer wichtige Interessen der Kinder beeinträchtigenden Weise beharren (EFSlg 59.776; JBl 1996, 714 u.a.). Ein wichtiges Interesse ist dabei auch der ernstliche Wille eines mündigen Kindes, dem anderen Elternteil zugewiesen zu werden, soll doch einem solchen Minderjährigen die Obsorge durch einen Elternteil möglichst nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen und der Wunsch nicht gegen die offenbar wohlverstandenen Interessen des Kindes gerichtet ist (EFSlg 75.187; 1 Ob 2296/96w; EFSlg 87.021; 9 Ob 43/99k).

Der Minderjährige strebt erkennbar aus emotional bestimmten, den Eltern ohnehin bekannten Motiven nach dem bereits vor fünf Jahren faktisch vollzogenen Wechsel nun auch die rechtlich abgesicherte Übertragung der Obsorge an den Vater an; die Mutter widersetzt sich diesen Bestrebungen. Die autonome Gestaltung des eigenen Lebens ist zweifellos Zeichen der Reife des mündigen Minderjährigen, die angesichts seines Alters und des Gebots der Erziehungskontinuität nicht mehr vernachlässigt werden darf, selbst wenn dieser Zustand in rechtswidriger Weise herbeigeführt und das vom Vater zumindest geduldet wurde. Die Obsorgeentscheidung ist zukunftsbezogene Rechtsgestaltung und nur dann sachgerecht, wenn sie auf aktueller Sachverhaltsgrundlage beruht (EFSlg 68.806; JBl 1996, 713 u.a.). Schwimann (aaO § 176 ABGB Rz 14 mwN) lehnt deshalb die Zuteilung der Obsorge gegen den Widerstand eines mündigen Minderjährigen ab, sofern der Richter zur Überzeugung gelangt, dass dieser Widerstand auf dessen eigenständiger Willensbildung beruht, nicht auf eine "Präparierung" durch den anderen Elternteil zurückzuführen ist und auch sonst keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen. Dem ist zuzustimmen. Je älter das Kind, desto eher ist sein Wunsch nach einem Obsorgewechsel zu berücksichtigen; in der Entscheidung EFSlg 68.809 wurde demgemäß ausgesprochen, selbst wenn die Meinung eines derzeit bereits 14jährigen Minderjährigen noch nicht ausschlaggebend sein müsse, so sollte doch an dessen ernstlich geäußertem Streben nach einem Obsorgewechsel nicht vorbeigegangen werden. Es gereicht aber regelmäßig dem Kind zum Wohl, wenn jener Elternteil, der die Pflege und Erziehung faktisch bereits durch fünf Jahre - ohne Anstände - wahrgenommen hat, auch den Minderjährigen vertreten und ein allfälliges Vermögen verwalten soll (EFSlg 43.379, 59.834 u.a.). Dass bei der Entscheidung der zweiten Instanz nicht ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen worden wäre, ist somit nicht zu erkennen. Schwerwiegende Gründe, die dem Wunsch des Kindes entgegenstünden, wurden nicht festgestellt und liegen auch nicht vor.

Zwar ist das KindRÄG 2001 hier noch unanwendbar, dennoch sprechen dessen Wertungen für die vorliegende Lösung. Denn einerseits enthält die neue Regelung des § 146 Abs 3 ABGB einen gesetzlichen Auftrag an die Eltern, auch - mehr als bisher - auf den Willen des einsichts- und urteilsfähigen Kindes Bedacht zu nehmen (vgl dazu RV, 296 BlgNR 21. GP, 22f, 26, 31f), anderseits haben die Eltern nach ihrer Trennung - unter stärkerer als bisher gesetzlicher Betonung elterlicher Verantwortung - in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auch auf den Willen des Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht das Wohl des Kindes oder die Lebensverhältnisse der Eltern entgegenstehen (RV aaO 33ff). Dazu, dass nach der neuen Rechtslage ein völliges Auseinanderfallen von Aufenthalt bzw. faktischer Pflege und Erziehung einerseits und Obsorge andererseits zu vermeiden sei, hat sich bereits das Rekursgericht zutreffend auseinander gesetzt. Darauf kann verwiesen werden.

Textnummer

E64125

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00172.01B.1127.000

Im RIS seit

27.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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