TE Vfgh Beschluss 2002/9/24 G201/02

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GewO 1994 §134a

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags mangels aktueller rechtlicher Betroffenheit durch die bereits außer Kraft getretene angefochtene Vorschrift der Gewerbeordnung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit seinem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag vom 27. August 2002 begehrt der Einschreiter die Aufhebung zweier Wortfolgen in §134a Abs1 GewO 1994 idF BGBl. I 59/1999.

Der bekämpfte §134a Abs1 befindet sich im II. Hauptstück der GewO 1994 und lautet in der Fassung BGBl. I 59/1999 (die zur Aufhebung begehrten Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Einer Gewerbeberechtigung für das gebundene Gewerbe der Buchhalter (§124 Z2a) bedarf es für die pagatorische Buchhaltung (Geschäftsbuchhaltung) einschließlich der Lohnverrechnung und der Erstellung der Saldenlisten für Betriebe im Rahmen der doppelten Wertgrenzen des §125 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 9/1998 und der Einnahmen- und Ausgabenrechnung im Sinne des §4 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988. Gewerbliche Buchhalter sind zum Abschluß von Büchern (Erstellung von Bilanzen), ausgenommen im Rahmen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung, und zur Vertretung ihrer Auftraggeber vor Behörden nicht berechtigt."

2. Zur Antragslegitimation bringt der Einschreiter insbesondere vor, dass er als Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe des gewerblichen Buchhalters nach §134a GewO 1994 seinen Beruf nur in den Schranken des §125 BAO ausüben und grundsätzlich Bücher nicht abschließen dürfe. Die bekämpften Wortfolgen in §134a GewO 1994, die ihm Rechtspflichten und Verbote auferlegen würden, seien für ihn unmittelbar wirksam, ohne dass es hiefür der Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder der Erlassung eines Bescheides bedarf. Eine Bestrafung im Falle des Zuwiderhandelns abzuwarten bzw. zu provozieren sei ihm nicht zumutbar. Auch andere Wege, die Verfassungswidrigkeit des Eingriffs an den Verfassungsgerichthof heranzutragen, stünden ihm nicht zur Verfügung, weshalb der Antrag nach Art140 B-VG zulässig sei.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zur Frage der Zulässigkeit des Antrages insbesondere darauf hinweist, dass mit der Änderung der GewO 1994 durch BG BGBl. I 111/2002, die am 1. August 2002 in Kraft getreten ist, das II. Hauptstück der GewO 1994 gänzlich neu gefasst worden sei. Dem Antragsteller dürfte es sohin aus diesem Grund an der auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderlichen Legitimation zur Anfechtung fehlen, weil er durch die Bestimmung des §134a GewO 1994 in der angefochtenen Fassung nach Inkrafttreten der Änderung der GewO 1994 keinesfalls mehr unmittelbar und aktuell in seinen Rechten verletzt sein könne.

4. Dieser Rechtsmeinung tritt der Antragsteller in einer Äußerung unter Hinweis auf die "Gefahr einer Verfolgung nach §1 UWG" entgegen.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Mit dem Bundesgesetz BGBl. I 111/2002 wurde u.a. das die angefochtene Bestimmung des §134a beinhaltende II. Hauptstück der GewO 1994 gänzlich neu gefasst. Eine mit der bekämpften Bestimmung übereinstimmende Regelung wurde mit der genannten Änderung unter der Bezeichnung §102 erlassen. Die entsprechenden Bestimmungen traten mit 1. August 2002 in Kraft.

Der vom Antragsteller (teilweise) angefochtene §134a Abs1 GewO 1994 idF BGBl. I 59/1999 steht somit seit dem Inkrafttreten des BG BGBl. I 111/2002 nicht mehr in Geltung.

2. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt (vgl. VfSlg. 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.021/1997, 15.116/1998, VfGH 12.12.2001, G68/00), entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht, woran auch die hier nicht näher zu prüfende - abstrakte - Möglichkeit einer Unterlassungsklage nach §1 UWG nichts zu ändern vermag.

Dem Antragsteller fehlt demnach die - nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hierüber - erforderliche aktuelle Betroffenheit durch die bereits außer Kraft getretenen Vorschriften und damit die Legitimation zu deren Anfechtung.

3. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G201.2002

Dokumentnummer

JFT_09979076_02G00201_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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