TE OGH 2001/11/28 9ObA230/01s

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Veröffentlicht am 28.11.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Igor J*****, Elektriker, ***** vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer und Mag. Peter Prechtl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dragan M*****, Schlossermeister, ***** vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer und Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen restlicher S 16.319,62 brutto abzüglich S 5.000,-- netto sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Juli 2001, GZ 15 Ra 51/01i-55, womit infolge Rekurses des Klägers der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Juni 2001, GZ 48 Cga 43/99k-52, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile schlossen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. 3. 2001 einen bedingten Vergleich folgenden Inhalts ab:

"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, dem Kläger zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches S 6.000,-- netto zu bezahlen.

  1. 2.Ziffer 2
    Die klagende Partei verpflichtet sich ihrerseits, binnen der unter
  2. 1.Ziffer eins
    angeführten Frist der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters
    S 23.742,77 (darin S 3.957,13 USt) an Prozesskosten zu ersetzen.

3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen, aus dem bestandenen Beschäftigungsverhältnis der Streitteile herrührenden Ansprüche abgegolten.

4. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht bis spätestens 30. 3. 2001 (Datum der Postaufgabe) widerrufen wird".

Am 30. 3. 2001 um 22.04 Uhr brachte die klagende Partei den (- von ihrem Vertreter im Original unterschriebenen -) Widerruf per Telefax bei Gericht ein. Das Original wurde über Aufforderung des Erstgerichtes später nachgereicht.

Der Beklagte wendete dazu ein, dass der Vergleichswiderruf verspätet sei, weil er nicht, wie ausdrücklich vereinbart, am 30. 3. 2001 zur Post gegeben worden sei. Der Vergleich sei somit rechtswirksam geworden.

Das Erstgericht wies den Vergleichswiderruf des Klägers zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der zitierte Wortlaut auf eine Parteienabsicht schließen lasse, nach der für einen Widerruf die Schriftform und überdies der traditionelle Postweg vereinbart worden seien. Somit komme eine analoge Anwendung des § 89 Abs 3 GOG auf einen im Wege der Telekopie (Telefax) übertragenen Vergleichswiderruf nicht in Frage.Das Erstgericht wies den Vergleichswiderruf des Klägers zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der zitierte Wortlaut auf eine Parteienabsicht schließen lasse, nach der für einen Widerruf die Schriftform und überdies der traditionelle Postweg vereinbart worden seien. Somit komme eine analoge Anwendung des Paragraph 89, Absatz 3, GOG auf einen im Wege der Telekopie (Telefax) übertragenen Vergleichswiderruf nicht in Frage.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass nach der Rechtsprechung (6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96 = infas 1996 A 156 = Arb 11.494) eine durch späteren Schriftsatz bestätigte telegrafische Eingabe (mit Telefax) bei vereinbarter Schriftform für den Widerruf des Vergleiches ausreiche, also insoweit § 89 Abs 3 GOG Anwendung finde. Die Vereinbarung über die Form des Widerrufs eines gerichtlichen Vergleichs sei im Zweifel als prozessrechtliche Vereinbarung anzusehen, die analoge Anwendung des § 89 Abs 3 GOG auf einen im Wege der Telekopie übertragenen Vergleichswiderruf daher unbedenklich (9 ObA 23/96 mwN). Im konkreten Fall bedeute Punkt 4. des von den Parteien geschlossenen Vergleiches, dass auch ein am letzten Tag der Frist (30. 3. 2001) zur Post gegebener Schriftsatz noch rechtzeitig sei, dass also der Postenlauf auch bei dieser materiellrechtlichen Frist vereinbarungsgemäß nicht in die Widerrufsfrist miteinzubeziehen sei. Der Vereinbarung könne aber nicht unterstellt werden, dass ausschließlich ein mit der Post übermittelter Schriftsatz zulässig sein solle. Es stehe wohl außer Zweifel, dass es den Parteien auch freigestanden wäre, bis einschließlich 30. 3. den Widerrufsschriftsatz bei Gericht zu überreichen. Gleich einem derartigen Schriftsatz müsse aber unter analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG auch ein als Telefax eingebrachter Schriftsatz, welcher nachträglich durch ein Original bestätigt wurde, den Vergleichswiderruf rechtswirksam herbeiführen. Gegenteiliges könne auch der Entscheidung 6 Ob 619/95 = EvBl 1996/66 nicht entnommen werden, welche ihrerseits auf die in EvBl 1980/125 veröffentlichte Entscheidung Bezug nehme. Da jedoch diese Auffassung "zumindest vordergründig" von der Entscheidung 6 Ob 619/95 abweiche, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass nach der Rechtsprechung (6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96 = infas 1996 A 156 = Arb 11.494) eine durch späteren Schriftsatz bestätigte telegrafische Eingabe (mit Telefax) bei vereinbarter Schriftform für den Widerruf des Vergleiches ausreiche, also insoweit Paragraph 89, Absatz 3, GOG Anwendung finde. Die Vereinbarung über die Form des Widerrufs eines gerichtlichen Vergleichs sei im Zweifel als prozessrechtliche Vereinbarung anzusehen, die analoge Anwendung des Paragraph 89, Absatz 3, GOG auf einen im Wege der Telekopie übertragenen Vergleichswiderruf daher unbedenklich (9 ObA 23/96 mwN). Im konkreten Fall bedeute Punkt 4. des von den Parteien geschlossenen Vergleiches, dass auch ein am letzten Tag der Frist (30. 3. 2001) zur Post gegebener Schriftsatz noch rechtzeitig sei, dass also der Postenlauf auch bei dieser materiellrechtlichen Frist vereinbarungsgemäß nicht in die Widerrufsfrist miteinzubeziehen sei. Der Vereinbarung könne aber nicht unterstellt werden, dass ausschließlich ein mit der Post übermittelter Schriftsatz zulässig sein solle. Es stehe wohl außer Zweifel, dass es den Parteien auch freigestanden wäre, bis einschließlich 30. 3. den Widerrufsschriftsatz bei Gericht zu überreichen. Gleich einem derartigen Schriftsatz müsse aber unter analoger Anwendung des Paragraph 89, Absatz 3, GOG auch ein als Telefax eingebrachter Schriftsatz, welcher nachträglich durch ein Original bestätigt wurde, den Vergleichswiderruf rechtswirksam herbeiführen. Gegenteiliges könne auch der Entscheidung 6 Ob 619/95 = EvBl 1996/66 nicht entnommen werden, welche ihrerseits auf die in EvBl 1980/125 veröffentlichte Entscheidung Bezug nehme. Da jedoch diese Auffassung "zumindest vordergründig" von der Entscheidung 6 Ob 619/95 abweiche, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO iVm § 1 ASGG an den Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Da keiner der Fälle des § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses vom Vorliegen einer iS des § 46 Abs 1 ASGG qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Die im Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes umschriebene Rechtsfrage erfüllt diese Voraussetzungen nicht:Der Oberste Gerichtshof ist gemäß Paragraph 526, Absatz 2, ZPO in Verbindung mit Paragraph eins, ASGG an den Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Da keiner der Fälle des Paragraph 46, Absatz 3, ASGG vorliegt, ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses vom Vorliegen einer iS des Paragraph 46, Absatz eins, ASGG qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Die im Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes umschriebene Rechtsfrage erfüllt diese Voraussetzungen nicht:

Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen (EvBl 1996/66; 6 Ob 1697/93; Arb 11.494), dass eine durch späteren Schriftsatz bestätigte telegrafische Eingabe bei vereinbarter Schriftform für den Widerruf des gerichtlichen Vergleiches ausreichend ist, also § 89 Abs 3 GOG insoweit Anwendung findet und eine Vereinbarung über die Form des Widerrufes eines gerichtlichen Vergleiches im Zweifel als prozessrechtliche Vereinbarung angesehen werden muss und demnach die analoge Anwendung des § 89 Abs 3 GOG auf einen im Wege der Telekopie übertragenen Vergleichswiderruf im Lichte der mit EvBl 1993/105 begonnenen Entscheidungskette keinen Bedenken begegnet. Auch die vom Revisionsrekurswerber zitierte Entscheidung 6 Ob 619/95 = EvBl 1996/66 lässt keinen Zweifel daran, dass der Endtermin für einen Vergleichswiderruf und die konkrete Form des Widerrufs der Disposition der Parteien unterliegt und nach dem Parteiwillen im Einzelfall ausgelegt werden muss. Durch die in der zitierten Entscheidung beispielsweise erwähnte Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit auf dem Postwege sollte auch nur zum Ausdruck kommen, dass ein eindeutig entgegenstehender Parteiwille (- welcher erst im Wege der Auslegung gewonnen wird -), der sonst möglichen Annahme entgegensteht, dass ein Widerruf auch in Form eines anderen Schriftsatzes zulässig sei und somit den für die Schriftsätze geltenden prozessualen Vorschriften unterliege.Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen (EvBl 1996/66; 6 Ob 1697/93; Arb 11.494), dass eine durch späteren Schriftsatz bestätigte telegrafische Eingabe bei vereinbarter Schriftform für den Widerruf des gerichtlichen Vergleiches ausreichend ist, also Paragraph 89, Absatz 3, GOG insoweit Anwendung findet und eine Vereinbarung über die Form des Widerrufes eines gerichtlichen Vergleiches im Zweifel als prozessrechtliche Vereinbarung angesehen werden muss und demnach die analoge Anwendung des Paragraph 89, Absatz 3, GOG auf einen im Wege der Telekopie übertragenen Vergleichswiderruf im Lichte der mit EvBl 1993/105 begonnenen Entscheidungskette keinen Bedenken begegnet. Auch die vom Revisionsrekurswerber zitierte Entscheidung 6 Ob 619/95 = EvBl 1996/66 lässt keinen Zweifel daran, dass der Endtermin für einen Vergleichswiderruf und die konkrete Form des Widerrufs der Disposition der Parteien unterliegt und nach dem Parteiwillen im Einzelfall ausgelegt werden muss. Durch die in der zitierten Entscheidung beispielsweise erwähnte Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit auf dem Postwege sollte auch nur zum Ausdruck kommen, dass ein eindeutig entgegenstehender Parteiwille (- welcher erst im Wege der Auslegung gewonnen wird -), der sonst möglichen Annahme entgegensteht, dass ein Widerruf auch in Form eines anderen Schriftsatzes zulässig sei und somit den für die Schriftsätze geltenden prozessualen Vorschriften unterliege.

Soweit daher das Rekursgericht auf Grund seiner im Einzelfall gewonnenen Auslegung des Vergleiches zur Rechtsauffassung gelangt ist, dass aus der Formulierung "... wenn er nicht bis spätestens 30. 3. 2001 (Datum der Postaufgabe) widerrufen wird" nicht auf einen nur im Postwege möglichen Widerruf zu schließen ist, sondern auch andere Formen des Widerrufes, wie etwa durch fristgerechte direkte Eingabe eines Schriftsatzes bei Gericht oder die Übermittlung der Telekopie wirksam sein sollten, liegt darin eine zutreffende Rechtsauffassung.

Da der Revisionsrekurswerber auch sonst keine Rechtsfrage von der im § 46 Abs 1 ASGG genannten Bedeutung aufzuzeigen vermag, erweist sich sein Rechtsmittel als unzulässig.Da der Revisionsrekurswerber auch sonst keine Rechtsfrage von der im Paragraph 46, Absatz eins, ASGG genannten Bedeutung aufzuzeigen vermag, erweist sich sein Rechtsmittel als unzulässig.

Anmerkung

E63998 09B02301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:009OBA00230.01S.1128.000

Dokumentnummer

JJT_20011128_OGH0002_009OBA00230_01S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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