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66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;Norm
BSVG §2 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 2. Juni 2005, Zl. BMSG- 229377/0002-II/A/3/2005, berichtigt durch den Bescheid vom 25. Oktober 2005, Zl. BMSG-229377/0005-II/A/3/2005, betreffend Zurückverweisung gemäß § 417a ASVG in einer Angelegenheit der Versicherungspflicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: J in N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2004 hat die Beschwerdeführerin ausgesprochen, der Mitbeteiligte sei vom 1. Juli 2004 bis laufend in der Unfallfallversicherung der Bauern pflichtversichert.
In der Begründung gab die Beschwerdeführerin die maßgebenden Auszüge des § 3 BSVG wieder und stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Sie sind Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ... mit einem Ausmaß von 1,0211 ha und einem Einheitswert von EUR 900,-- laut Wertfortschreibungsbescheid zum 01.01.1996 vom 31.01.1996 des Finanzamtes Linz.
Eine Besichtigung der Gründe an Ort und Stelle am 06.09.2004 ergab, dass auf einer Teilfläche von ca. 6.000 m2, welche mit dem Rasenmäher gemäht wird, insgesamt 34 Obstbäume stehen (10 Birnen, 8 Äpfel, 3 Kirsch, 3 Nuss, 10 Zwetschken), welche von ihnen gepflegt bzw. betreut werden. Beim Haus wurden einige Säcke mit geerntetem Obst vorgefunden.
Mit Schreiben vom 11.10.2004 haben Sie bestätigt, dass Sie mit dem Obst der Apfel-, Birnen-, Zwetschken- und Nussbäume ihren Eigenbedarf decken."
Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0251, sah die Beschwerdeführerin für das Vorliegen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes als wesentlich an, dass der Mitbeteiligte Handlungen (Pflege, Betreuung und Ernte von 34 Bäumen) gesetzt habe, die sich als landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke darstellten oder zumindest die Prognoseentscheidung rechtfertigten, dass er aus Erträgnisses seines Grundbesitzes künftig wirtschaftlichen Nutzen erzielen werde.
In der Folge nahm die Beschwerdeführerin auf "Naschbaum"- Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Bezug (z.B. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256) und führte auf den Beschwerdefall bezogen aus, dass die Menge der heranreifenden und im Durchschnitt geernteten Früchte der 34 Obstbäume nicht an Ort und Stelle verzehrt werden könnte; die Menge entspreche somit nicht mehr dem geringfügigen Ertrag von "Naschbäumen", weshalb der Obstbau auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liege. Nach dem Sachverhalt gehe sowohl das landwirtschaftlich bewertete Grundausmaß, auf dem sich die Obstbäume befinden, als auch das Ausmaß der Obstgewinnung tatsächlich über das Maß hinaus, das üblicherweise in Gärten von Einfamilienhäusern erreicht werde, sodass von einer landwirtschaftlichen Produktion zu sprechen sei. Das Ausmaß der Obstgewinnung sei als eine nachhaltig vorgenommene Betätigung zu qualifizieren, die als eine relevante Größe für eine Erwerbsquelle, und sei es auch nur eine Quelle der eigenen Ernährung, anzusehen sei. Die Voraussetzungen für das Vorliegen der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung lägen vor, weil übliche landwirtschaftliche Arbeiten im technischen Sinn (Pflege und Betreuung der Obstbäume sowie Ernte der Früchte) verrichtet würden.
In dem gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch brachte der Mitbeteiligte vor, die Bäume würden nicht gepflegt und betreut werden. Der Baumbestand sei überwiegend sehr alt, es gebe lediglich zwei jüngere Zwetschkenbäume. Der Mitbeteiligte habe noch nie einen Baumschnitt vorgenommen. Die Wiese bei den Obstbäumen werde gelegentlich vom Mitbeteiligten gemäht, um sie vor Verwilderung zu bewahren. Für den Grasschnitt habe der Mitbeteiligte weder eine Verwendungs- noch eine Verwertungsmöglichkeit, auch für das Obst habe er keinerlei Verwendung. Die Kirschbäume würden wegen ihres Alters und der damit verbundenen Gefahren nicht bestiegen und somit nicht abgeerntet. Dasselbe gelte für die alten Zwetschkenbäume und die Nussbäume. Der Nutzen beschränke sich somit auf den Verzehr von Obst von sieben Bäumen (2 Birnen-, 3 Äpfel- und 2 Zwetschkenbäume). Für das Mostobst (8 Birnen- und 5 Äpfelbäume) habe der Mitbeteiligte keine Verwendung. Ein Bekannter des Mitbeteiligten hole sich im Herbst Fallobst, welches er für die Wildfütterung einsetze. Die Beseitigung des Fallobstes sei eine Gefälligkeit, es werde damit ansonsten auf der Wiese verfaulendes Obst entfernt. Dafür erhalte der Mitbeteiligte kein Entgelt. Die Wiese mit den Obstbäumen diene ausschließlich Erholungszwecken. Der Sachverhalt sei nicht dahin ermittelt worden, ob das Ausmaß des Ertrages der Bäume über die "Naschbaum"-Grenze hinausgehe.
Dem Einspruch des Mitbeteiligten hat der Landeshauptmann von Oberösterreich Folge gegeben und festgestellt, dass der Mitbeteiligte "auch nach dem 30.6.2004 in der Unfallversicherung der Bauern nicht pflichtversichert war."
Der Landeshauptmann von Oberösterreich ging von folgendem Sachverhalt aus:
"(Der Mitbeteiligte) ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ... mit einem Ausmaß von 1,0211 ha und einem Einheitswert von 872,07 Euro (Wertfortschreibungsbescheid vom 31.1.1996, wirksam ab 1.4.1996). Auf der Liegenschaft wird eine Teilfläche von ca. 6.000 m2 regelmäßig mit dem Rasenmäher gemäht und stehen dort insgesamt 34 Obstbäume. Die Baumstruktur stellt sich wie folgt dar: 8 Birnen-Mostobstaltbäume, 5 Äpfel-Mostobstaltbäume, an Edelobst 2 Birnen- und 3 Äpfelbäume, 3 Kirschen-, 3 Nuss- und 8 Zwetschkenbäume (alle Altbäume) und 2 Zwetschken-Jungbäume. Die Bäume werden nicht gepflegt, sie wurden von (dem Mitbeteiligten) noch nie geschnitten. Obst von 7 Bäumen (5 Edelobstbäume + 2 Zwetschken-Jungbäume) wird von (dem Mitbeteiligten) zum Eigenbedarf verwendet.
Das Mostobst wird nicht verwendet. Das Fallobst wird im Herbst von einem Bekannten des (Mitbeteiligten) für die Wildfütterung geholt und damit das ansonsten auf der Wiese verfaulende Obst entfernt.
Die Wiese wird von (dem Mitbeteiligten) gemäht, wobei der Grasschnitt weder verwendet noch verwertet wird. Die Wiese mit den Obstbäumen dient zu Erholungszwecken."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die die belangte Behörde zum Anlass nahm, den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich mit dem angefochtenen Bescheid - in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 25. Oktober 2005 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2005/08/0205) - dahin abzuändern,
"dass der erstinstanzliche Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 29.10.2004 gemäß §§ 182 BSVG und 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und der Begründung sowie zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zurückverwiesen wird."
In der Begründung des berichtigten Bescheides gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die Bestimmungen des § 417a ASVG und des § 66 Abs. 4 AVG dar. Als strittig sah sie die Frage an, ob der festgestellte Sachverhalt den Tatbestand eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 5 Abs. 1 LAG erfülle. Nach Zitaten aus der einschlägigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung führte die belangte Behörde aus, zur Beurteilung, ob die "Naschbaum"- Grenze überschritten worden sei, seien Feststellungen über die Menge bzw. die Zahl der geernteten Früchte erforderlich gewesen. Zudem sei von Bedeutung, von wem und in welcher Menge das Obst geerntet und in welcher Weise mit dem geernteten Obst verfahren werde. Im Zuge eines Ortsaugenscheins werde auch zu klären sein, von wie vielen Obstbäumen der Mitbeteiligte tatsächlich Obst bezogen habe, da diesbezüglich widersprüchliche Vorbringen bestünden. Das bloße Vorhandensein einer entsprechenden Menge von Obst auf den Bäumen lasse noch nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass tatsächlich Obst geerntet werde, dessen Zahl bzw. Menge ein zu großes Ausmaß erreiche, um an Ort und Stelle verzehrt werden zu können. Auch das unentgeltliche Überlassen von Obst in Haushaltsmengen an die Geschwister des Mitbeteiligten liege nicht auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Im Übrigen werde zu berücksichtigen sein, dass hinsichtlich der Obstbäume keinerlei Pflegemaßnahmen gesetzt worden seien. Auf Grund des vorhandenen Ermittlungsstandes sei daher keine abschließende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles möglich. Es seien umfangreiche ergänzende Erhebungen erforderlich, die zweckmäßigerweise und aus Gründen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vom Versicherungsträger durchzuführen sei. Es sei daher eine Zurückverweisung an die Beschwerdeführerin auszusprechen gewesen.
Gegen diesen Bescheid in seiner berichtigten Fassung richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 417a ASVG lautet samt Überschrift:
"Zurückverweisung durch den Landeshauptmann
und das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
§ 417a. Ist der dem Landeshauptmann bzw. dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorliegende entscheidungsrelevante Sachverhalt mangelhaft erhoben und sind aus diesem Grund umfangreiche Ermittlungen notwendig oder ist die Begründung des angefochtenen Bescheides in wesentlichen Punkten unvollständig, so kann der Landeshauptmann bzw. das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen oder der Begründung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Versicherungsträger oder den Landeshauptmann zurückverweisen."
Die grundsätzliche Zulässigkeit der Zurückverweisung einer Rechtssache vom Bundesminister zum Versicherungsträger nach dieser Bestimmung ergibt sich schon - anders als die Beschwerdeführerin meint - aus dem Wortlaut ("an den Versicherungsträger oder den Landeshauptmann zurückverweisen"). Die Regelung entspricht in diesem Punkt § 66 Abs. 2 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 nach dem die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen kann.
Im Beschwerdefall ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides in seiner berichtigten Fassung zu entnehmen, dass die belangte Behörde die Rechtssache an die erste Instanz (also zur Beschwerdeführerin) zurückverwiesen hat (vgl. das schon zitierte zum Berichtigungsbescheid ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2005/08/0205). Im Ergebnis sind durch die Abänderung des Einspruchsbescheides die Rechtswirkungen der Bescheide beider Unterinstanzen beseitigt.
Zu prüfen ist im Beschwerdefall, ob die Voraussetzungen zur Zurückverweisung der Rechtssache an den Versicherungsträger vorliegen.
In den - auch im hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 2001/08/0100, wiedergegebenen - Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 417a ASVG, Blg. 1234, XX. GP.NR., 39 f, ist Folgendes ausgeführt:
"Zu Z 136 (§ 417a):
Das wesentliche Ermittlungsverfahren soll aus Gründen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der räumlichen Nähe zu den Beteiligten und Zeugen beim Versicherungsträger bzw. beim Landeshauptmann, jedoch keinesfalls bei der Berufungsbehörde durchgeführt werden; es ist auch darauf hinzuweisen, dass den Zeugen und Parteien des Verfahrens kein Anspruch auf Gebühren zusteht.
Die mittelbare Beweisaufnahme im Namen der Berufungsbehörde durch die Einspruchs- und andere Behörden erwies sich in der Praxis als wenig zweckmäßig, weil für eine zielführende Ermittlung die genaue Kenntnis des Aktes und der Rechtslage Voraussetzung ist.
Nach der derzeitigen Rechtslage kann die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG den angefochtenen Bescheid nur dann beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die unterinstanzliche Behörde verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Das bedeutet, dass zwar bereits jetzt die Möglichkeit der Zurückverweisung besteht, allerdings ist hervorzustreichen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 23. April 1990, 90/19/0067) die Berufungsbehörde nicht berechtigt ist, bei jedem, wenn auch gravierenden, Verfahrensmangel von § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen: Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG sehr restriktiv aus, in dem er die Zurückverweisung an die untere Instanz nur in jenen Fällen für zulässig erachtet, in denen sich der Mangel nicht anders als durch Vornahme einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Berufungsbehörde derzeit im Wesentlichen nur dann vom Zurückverweisungsrecht Gebrauch machen kann, wenn im Gesetz eine Regelung, die die Durchführung einer obligatorischen Verhandlung vorsieht, enthalten ist. Da im ASVG eine derartige Bestimmung fehlt, kommt für das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Berufungsbehörde in Verfahren in Verwaltungssachen eine Zurückverweisung an die Behörde unterer Instanz kaum in Betracht. Dies führt dazu, dass im Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Sachverhalt in vielen Fällen sehr dürftig vorgelegt wird, sodass durch die Behörde dritter Instanz eine weitere Klärung des Sachverhaltes oft in sehr großem Ausmaß erforderlich ist: So müssen etwa auch erst in dritter Instanz Zeugen einvernommen werden, obwohl diese bereits dem Versicherungsträger gegenüber bekannt gegeben wurden oder zumindest bereits in dem an den Landeshauptmann gerichteten Rechtsmittel (Einspruch) die Vernehmung namentlich angeführter Zeugen beantragt wurde. Eine solche Vorgangsweise ist jedoch insbesondere nicht mit den Grundsätzen der materiellen Wahrheitsforschung und der Verfahrensökonomie vereinbar. Aus diesem Grund wird ein erweitertes Zurückverweisungsrecht vorgesehen, wobei zu betonen ist, dass auch dieses erweiterte Zurückverweisungsrecht nach § 417a ASVG nicht so weit reicht, dass die Berufungsbehörde wegen jeden Mangels, gleichgültig wie gravierend er ist, berechtigt ist zurückzuverweisen; vielmehr hat die Berufungsbehörde jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Mangel derartig umfangreich ist, dass er im Sinne der oben genannten Grundsätze besser von ihr selbst oder von den unteren Instanzen behoben werden kann, wobei zu berücksichtigen ist, dass aus dem Umstand, dass im § 357 ASVG die Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren (mit Ausnahme des § 38) nicht als für das Verfahren vor den Versicherungsträgern geltend angeführt sind, nicht der Schluss gezogen werden darf, dass nicht etwa auch das Verfahren vor den Versicherungsträgern sich von der Rücksicht auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, ferner von den in einem Rechtsstaat für jedes behördliche Verfahren selbstverständlichen Grundsätzen der Ermittlung der materiellen Wahrheit, der Beobachtung des Parteiengehörs und der Vermeidung schikanösen Vorgehens leiten zu lassen hat (vgl. Teschner/Wiedlar, Anm. 1 zu § 358).
Bei der Zurückverweisung wird zu beachten sein, dass die Versicherungsträger gemäß § 357 ASVG das AVG nur zum Teil anzuwenden haben und z.B. die förmliche Zeugeneinvernahme gemäß § 48 AVG vom Landeshauptmann durchzuführen sein wird."
§ 417a ASVG unterscheidet die Fälle der mangelhaften Sachverhaltserhebung und der Unvollständigkeit der Bescheidbegründung. Beide Fälle wurden von der belangten Behörde als gegeben angenommen.
Nach Ansicht der belangte Behörde wären - zusammengefasst - Erhebungen und Feststellungen über die Menge bzw. die Zahl der geernteten Früchte erforderlich gewesen, um ein allfälliges Überschreiten der "Naschbaumgrenze" beurteilen zu können, sowie darüber, von wem das Obst geerntet und wie damit weiter verfahren worden ist.
Nach der Rechtsprechung kann eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht angenommen werden, wenn Früchte nur fallweise reifen und deren Zahl bzw. Menge gerade ausreicht, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden, (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 96/08/0355, mit einem Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256, in dem für Bäume mit derart geringem Ertrag die Bezeichnung "Naschbäume" verwendet wurde). Ist aber die Grenze zur Geringfügigkeit der geernteten Menge überschritten, entspricht die Menge somit nicht nur dem Ertrag von "Naschbäumen", liegt der Obstbau auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (vgl. das Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 99/08/0043, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 2663/79). Selbst wenn der Obstbau ausschließlich für den Eigenbedarf erfolgt, liegt er, sobald die genannten Mengen überschritten werden, auf der Linie der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, 2001/08/0201).
Im vorliegenden Fall liegen den von den Unterinstanzen vertretenen - gegenteiligen - Ansichten keine Feststellungen über den Ertrag der Obstbäume zu Grunde. Ist aber von einem durchschnittlichen Ertrag von - nach den Feststellungen des Landeshauptmannes - insgesamt sieben Obstbäumen auszugehen, kann nicht von vornherein von einer geringen Menge, die gerade zum Verzehr an Ort und Stelle ausreicht, die Rede sein, zumal zumindest bei den Bäumen gleicher Obstart eine gleichzeitige Reife der Früchte anzunehmen ist, was einen Verzehr an Ort und Stelle wegen der anfallenden Mengen ausschließen würde. Schon daraus ergibt sich die Relevanz von Feststellungen über den Ertrag der Obstbäume, die die Unterinstanzen wegen ihrer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen haben. Erst nach Vorliegen eines entsprechend festgestellten Sachverhaltes kann die - skizzierte - wesentliche Rechtsfrage beurteilt werden.
Beide Unterinstanzen haben - ohne Erhebungen über den geernteten Ertrag durchgeführt und Feststellungen darüber getroffen zu haben - den Sachverhalt unterschiedlich beurteilt. Soweit die geernteten Früchte nicht einem Dritten zur Nutzung überlassen wurden, sind nach der dargestellten Rechtsprechung aber zu einer abschließenden Beurteilung solche Feststellungen notwendig, ohne dass es darauf ankäme, wer das Obst tatsächlich geerntet bzw. aufgeklaubt hat (zur Irrelevanz der tatsächlichen - im Unterschied zur rechtlich übertragenen - Betriebsführung vgl. das Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 93/08/0098).
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass im Beschwerdefall weitere Ermittlungen erforderlich sind. Es kann in Anbetracht des Beweisthemas auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Erhebungen einen nicht unwesentlichen Umfang erreichen, zumal solche auch an Ort und Stelle sinnvoll erscheinen. Die Zurückverweisung der Rechtssache an die Beschwerdeführerin, deren Organe auf der Liegenschaft des Mitbeteiligten bereits Nachschau gehalten haben und ortskundig sind, erweist sich auch als zweckmäßig. Dem Mitbeteiligten obliegt gemäß § 20 BSVG dem Versicherungsträger gegenüber eine umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht. Die Notwendigkeit der Durchführung einer förmlichen Zeugeneinvernahme ist hingegen nicht erkennbar, weshalb eine Zurückverweisung nur an den Landeshauptmann nicht geboten war.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. I Nr. 333.
Wien, am 21. Februar 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005080131.X00Im RIS seit
03.05.2007