TE OGH 2001/11/29 8ObS90/01w

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Veröffentlicht am 29.11.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika J*****, vertreten durch Dr. Susanne Steiner, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Salzburg, nunmehr IAF-Service GmbH, Geschäftsstelle Salzburg, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 170.111,40 netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Jänner 2001, GZ 11 Rs 297/00a-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. März 2000, GZ 19 Cgs 37/99b-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über den vom Obersten Gerichtshof am 26. 4. 2001 in der Sozialrechtssache 8 ObS 249/00a gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlagen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung:

Die Klägerin war vom 1. 10. 1991 bis zu ihrem Austritt am 30. 11. 1997 bei einer GmbH beschäftigt, an welcher sie mit einer Stammeinlage von S 187.500, somit mit 25 % des Stammkapitals, beteiligt war. Geschäftsführer und Mitgesellschafter zu ebenfalls 25 % war ihr Ehemann. Mit Beschluss vom 8. 4. 1998 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Der Antrag auf Konkurseröffnung wurde von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse am 16. 1. 1998 und von der späteren Gemeinschuldnerin am 6. 4. 1998 gestellt.

Die Klägerin war bei der GmbH mit 30 Wochenstunden als Büroangestellte beschäftigt. Sie war mit Schreib- und allgemeinen Büroarbeiten befasst. Sie gab bei Arbeitsbeginn das Material an die Arbeiter aus, erstellte die Baustelleneinteilung, verrichtete Telefondienst, erfasste die Daten der Lieferscheine mittels Computers und vereinbarte die Termine für ihren Mann. Daneben hatte die Klägerin die Buchhaltung für den Steuerberater vorzubereiten. Die einlangende Post öffnete die Klägerin nicht.

Seit 1994 oder 1995 gab es massive private Probleme zwischen den Ehegatten. Dies führte dazu, dass sie seit April 1997 zwar im selben Haus, aber in verschiedenen Stockwerken getrennt wohnten. Über die Geschäftsgebarung bzw die finanzielle Situation des Unternehmens war die Klägerin zwar nicht vollständig informiert, es war ihr aber jedenfalls bekannt, dass es seit April 1997 Exekutionen gab. In diesem Monat erschien der Gerichtsvollzieher zwei- oder dreimal im Unternehmen, wobei die betriebenen Forderungen jeweils unter S 10.000 lagen. Dem Ehemann der Klägerin gelang es zunächst noch, die Forderungen zu befriedigen.

Die finanzielle Situation des Unternehmens war im Jahr 1997 allgemein schlecht. Der Ehemann der Klägerin versuchte, wichtige Lieferanten, auf die er angewiesen war, bei der Bezahlung ihrer Forderungen zu bevorzugen. Bei anderen, wo er annahm, die Zahlung noch hinauszögern zu können, bezahlte er nicht. Eine massive Verschlechterung der Situation der GmbH trat dadurch ein, dass eine Forderung über rund S 1 Mio nicht bezahlt wurde. Zwar erwirkte die GmbH am 13. 1. 1998 ein Versäumungsurteil, doch konnte der Betrag in der Folge nicht einbringlich gemacht werden.

Die Lohnforderungen der Klägerin wurden bis März 1997 befriedigt. Ab April 1997 erhielt sie kein Entgelt mehr. Die Klägerin sprach ihren Ehemann jedenfalls seit dem 2. oder 3. Monat ab dem Ausbleiben der Gehaltszahlungen immer wieder auf die rückständigen Gehälter an. Dieser vertröstete sie stets und stellte in Aussicht, sie werde das Geld bekommen, wenn die Verhandlung wegen des aushaftenden Betrags von S 1 Mio "durch sei".

Mit Klage vom 25. 3. 1998 begehrte die Klägerin von der GmbH die Bezahlung des laufenden Gehalts von April bis November 1997 zuzüglich Sonderzahlungen im Gesamtbetrag von S 150.497 sA. Das Verfahren wurde durch die Konkurseröffnung unterbrochen.

Mit Bescheid vom 3. 2. 1999 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe des nunmehrigen Klagsbetrags ab.

Mit ihrer am 5. 3. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte für offene Lohnforderungen in der Zeit von April bis einschließlich November 1997 zuzüglich Sonderzahlungen, Abfertigung sowie Kosten und Zinsen zur Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld im Betrag von S 170.111,40 schuldig zu erkennen. Die Klägerin habe der späteren Gemeinschuldnerin niemals Darlehen gewährt, sondern immer wieder auf Auszahlung der fälligen Lohnansprüche gedrängt. Sie sei Ende November 1997 aus dem Unternehmen ausgeschieden und habe ihre offenen Gehaltsansprüche gerichtlich geltend gemacht. Von einem "Stehenlassen" ihrer Ansprüche als Gesellschafterdarlehen könne unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens sei nicht erkennbar gewesen, dass das Unternehmen in einer so ernsten Krise stecke, dass Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz drohe. Die Zahlungsunfähigkeit sei erst unmittelbar vor der Konkurseröffnung, insbesondere auf Grund des nicht vorhersehbaren Ausfalls der Forderung von rund S 1 Mio gegen ein anderes Unternehmen eingetreten.

Die Beklagte wendete dagegen ein, das Verbleiben im Unternehmen trotz Nichtzahlung des Lohns indiziere, dass der Arbeitnehmer beabsichtige, in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen, also mit der Gegenleistung nicht den Arbeitgeber, sondern den Fonds zu belasten. Derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen seien nichtig. Daran ändere auch die klagsweise Geltendmachung der Ansprüche im März 1998 nichts. Es bestehe daher kein aufrechter nach dem IESG gesicherter Anspruch der Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, für die Beurteilung der nach dem IESG gesicherten Ansprüche müsse im Fremdvergleich geprüft werden, zu welchem objektiven Zeitpunkt ein (unbeteiligter) Arbeitnehmer anstelle der Klägerin den vorzeitigen Austritt erklärt hätte. Hiebei erscheine eine Überlegungsfrist von höchstens zwei Monaten angemessen. Aus der zwischenzeitlich erfolgten Limitierung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für die Zeit vor der Konkurseröffnung (§ 3a IESG idF IESG-Novelle 1997 BGBl I 107) sei lediglich zu schließen, dass nunmehr das Zuwarten um mehr als sechs Monate zum Verlust der Sicherung führe. Daraus folge aber nicht, dass ein Lohnrückstand von sechs Monaten für die Zeit vor der Konkurseröffnung jedenfalls gesichert sei. Vor und nach der IESG-Novelle 1997 seien Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodass die Klägerin auch für die letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung den rückständigen Lohn gegen den Fonds nicht erfolgreich geltend machen könne. Das Unterlassen der Einforderung laufenden Entgelts durch einen Gesellschafter sei einem Eigenkapital ersetzenden Darlehen gleichzuhalten. Zweck des IESG sei es nicht, dem Gesellschafter einer GmbH das Finanzierungsrisiko abzunehmen und ihm zur Fortführung des Unternehmens aufgewendetes Eigenkapital im Falle der Insolvenz zu ersetzen. Das gelte nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung auch für beendigungsabhängige Ansprüche. Insoweit wirke die gesellschaftsrechtliche Betrachtungsweise fort und verdränge die arbeitsrechtlichen Ansprüche. Ein atypisches, nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtetes Arbeitsverhältnis falle insgesamt, somit auch für die Zeit, in der ein "normaler" Arbeitnehmer möglicherweise noch im Betrieb verblieben wäre, nicht in den Schutzbereich des IESG.Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, für die Beurteilung der nach dem IESG gesicherten Ansprüche müsse im Fremdvergleich geprüft werden, zu welchem objektiven Zeitpunkt ein (unbeteiligter) Arbeitnehmer anstelle der Klägerin den vorzeitigen Austritt erklärt hätte. Hiebei erscheine eine Überlegungsfrist von höchstens zwei Monaten angemessen. Aus der zwischenzeitlich erfolgten Limitierung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für die Zeit vor der Konkurseröffnung (Paragraph 3 a, IESG in der Fassung IESG-Novelle 1997 Bundesgesetzblatt römisch eins 107) sei lediglich zu schließen, dass nunmehr das Zuwarten um mehr als sechs Monate zum Verlust der Sicherung führe. Daraus folge aber nicht, dass ein Lohnrückstand von sechs Monaten für die Zeit vor der Konkurseröffnung jedenfalls gesichert sei. Vor und nach der IESG-Novelle 1997 seien Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodass die Klägerin auch für die letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung den rückständigen Lohn gegen den Fonds nicht erfolgreich geltend machen könne. Das Unterlassen der Einforderung laufenden Entgelts durch einen Gesellschafter sei einem Eigenkapital ersetzenden Darlehen gleichzuhalten. Zweck des IESG sei es nicht, dem Gesellschafter einer GmbH das Finanzierungsrisiko abzunehmen und ihm zur Fortführung des Unternehmens aufgewendetes Eigenkapital im Falle der Insolvenz zu ersetzen. Das gelte nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung auch für beendigungsabhängige Ansprüche. Insoweit wirke die gesellschaftsrechtliche Betrachtungsweise fort und verdränge die arbeitsrechtlichen Ansprüche. Ein atypisches, nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtetes Arbeitsverhältnis falle insgesamt, somit auch für die Zeit, in der ein "normaler" Arbeitnehmer möglicherweise noch im Betrieb verblieben wäre, nicht in den Schutzbereich des IESG.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Nach der zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelten Rechtsprechung sei eine Gesellschaft dann als kreditunwürdig anzusehen, wenn sie von dritter Seite nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen ohne Besicherung des Kredits durch die Gesellschafter Kredit erhalten könne und ohne Zuführung von Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen liquidiert werden müsste. Diese Regeln seien auch auf solche Kredite anzuwenden, die der Gesellschaft in nicht kritischer Zeit gewährt, aber in der Krise "stehen gelassen" worden seien, weil auch in der Stundung von Forderungen eine dem Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichwertige Art der Zuführung von Liquidität an die Gesellschaft liege. Für die Qualifizierung eines Darlehens als Eigenkapital ersetzend genüge es, dass der Gesellschafter den Eigenkapitalcharakter der Zuwendung habe kennen müssen; positive Kenntnis der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft sei daher nicht erforderlich. Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt belege im Sinn dieser Rechtsprechung die Kreditunwürdigkeit der späteren Gemeinschuldnerin, die bereits zum Zeitpunkt des Austritts der Klägerin bestanden habe. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass es bereits seit April 1997 zu Fahrnisexekutionsvollzügen im Zusammenhang mit Forderungen unter S 10.000 gekommen und dass die finanzielle Situation des Unternehmens im Jahr 1997 allgemein schlecht gewesen sei. Der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin habe nicht mehr alle Lieferanten bezahlen können, die Klägerin selbst habe ab April 1997 überhaupt keine Zahlungen mehr erhalten. Die Klägerin könne sich durch die daraus zu schließende Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft nicht beschwert erachten, weil sie selbst behauptet habe, die spätere Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sei insbesondere auf Grund des Forderungsausfalls in der Höhe von rund S 1 Mio eingetreten. Die Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin sei daher schon längere Zeit ganz offenkundig entscheidend mit dieser einen Forderung verknüpft gewesen. Die Klägerin selbst habe vorgebracht, gegen diese Forderung seien inhaltlich unberechtigte Gewährleistungseinreden erhoben worden und es hätten Nachforschungen ergeben, dass die Schuldnerin ihr vorhandenes Vermögen im Sommer 1997 veräußert und keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet habe. Damit sei die Forderung objektiv wertlos und die Kreditunwürdigkeit der späteren Gemeinschuldnerin schon längst gegeben gewesen. Bei hinreichender Information über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft hätte die Klägerin dies auch erkennen können.Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die Revision nach Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zulässig sei. Nach der zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelten Rechtsprechung sei eine Gesellschaft dann als kreditunwürdig anzusehen, wenn sie von dritter Seite nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen ohne Besicherung des Kredits durch die Gesellschafter Kredit erhalten könne und ohne Zuführung von Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen liquidiert werden müsste. Diese Regeln seien auch auf solche Kredite anzuwenden, die der Gesellschaft in nicht kritischer Zeit gewährt, aber in der Krise "stehen gelassen" worden seien, weil auch in der Stundung von Forderungen eine dem Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichwertige Art der Zuführung von Liquidität an die Gesellschaft liege. Für die Qualifizierung eines Darlehens als Eigenkapital ersetzend genüge es, dass der Gesellschafter den Eigenkapitalcharakter der Zuwendung habe kennen müssen; positive Kenntnis der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft sei daher nicht erforderlich. Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt belege im Sinn dieser Rechtsprechung die Kreditunwürdigkeit der späteren Gemeinschuldnerin, die bereits zum Zeitpunkt des Austritts der Klägerin bestanden habe. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass es bereits seit April 1997 zu Fahrnisexekutionsvollzügen im Zusammenhang mit Forderungen unter S 10.000 gekommen und dass die finanzielle Situation des Unternehmens im Jahr 1997 allgemein schlecht gewesen sei. Der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin habe nicht mehr alle Lieferanten bezahlen können, die Klägerin selbst habe ab April 1997 überhaupt keine Zahlungen mehr erhalten. Die Klägerin könne sich durch die daraus zu schließende Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft nicht beschwert erachten, weil sie selbst behauptet habe, die spätere Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sei insbesondere auf Grund des Forderungsausfalls in der Höhe von rund S 1 Mio eingetreten. Die Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin sei daher schon längere Zeit ganz offenkundig entscheidend mit dieser einen Forderung verknüpft gewesen. Die Klägerin selbst habe vorgebracht, gegen diese Forderung seien inhaltlich unberechtigte Gewährleistungseinreden erhoben worden und es hätten Nachforschungen ergeben, dass die Schuldnerin ihr vorhandenes Vermögen im Sommer 1997 veräußert und keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet habe. Damit sei die Forderung objektiv wertlos und die Kreditunwürdigkeit der späteren Gemeinschuldnerin schon längst gegeben gewesen. Bei hinreichender Information über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft hätte die Klägerin dies auch erkennen können.

Ansprüche auf laufendes Entgelt seien zudem nach ständiger Rechtsprechung dann nicht gesichert, wenn ein sogenannter "Fremdvergleich" zeige, dass ein Arbeitnehmer, der nicht durch besonders gelagerte Interessen mit dem Unternehmen verbunden sei, das Fehlen jedweder Entgeltzahlung durch einen längeren Zeitraum nicht widerspruchslos hingenommen hätte. Nach den dazu entwickelten Grundsätzen handle es sich bei Ansprüchen von Arbeitnehmer-Gesellschaftern, die wegen ihrer Beteiligung an der als Arbeitgeberin fungierenden GmbH die Befriedigung der ihnen aus ihrem Arbeitsverhältnis zustehenden Entgeltansprüche hintanstellen, nicht um typische Arbeitnehmeransprüche im Sinn des Schutzzwecks des IESG. Es sei daran festzuhalten, dass bei Hinzutreten besonderer Umstände - zB Nahebeziehung zum Unternehmen verbunden mit der Absicht, die Weiterführung des Unternehmens zu ermöglichen - das Zuwarten mit der Beendigung des Dienstverhältnisses als dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechend zum Verlust der Sicherung führen könne. Die Klägerin habe durch rund acht Monate das Ausbleiben jedweder Entgeltzahlung hingenommen. Sie sei zum Unternehmen auf Grund ihrer Beteiligung als Gesellschafterin und der ungeachtet der privaten Probleme aufrechten Ehe zum Geschäftsführer in einer Nahebeziehung gestanden. Da die Klägerin von Exekutionen auf Grund betriebener Forderungen von weniger als S 10.000 Kenntnis gehabt habe, diese betriebenen Forderungen und andere befriedigt worden seien, ihr jedoch das Entgelt zur Gänze vorenthalten worden sei, sei es für sie offenkundig gewesen, dass sie mit ihren Ansprüchen hintanstehen müsse. Unter diesen Umständen hätte normalerweise ein "sonstiger" Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis keinesfalls acht Monate lang aufrecht erhalten, sondern hätte wesentlich früher seinen vorzeitigen Austritt erklärt und seine Ansprüche umgehend geltend gemacht und diese nicht zusammen mit den Beendigungsansprüchen noch mehrere Monate kreditiert.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat im Verfahren 8 ObS 249/00a, in welchem ebenfalls ein 25 %-Gesellschafter der insolvent gewordenen Arbeitgeberin unter anderem auch beendigungsabhängige Ansprüche geltend machte, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:Der erkennende Senat hat im Verfahren 8 ObS 249/00a, in welchem ebenfalls ein 25 %-Gesellschafter der insolvent gewordenen Arbeitgeberin unter anderem auch beendigungsabhängige Ansprüche geltend machte, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Artikel 234, EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Widerspricht es den Zielen der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, wenn ein Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft unter Berücksichtigung der auch von der österreichischen Rechtsprechung angewandten Grundsätze über das Eigenkapital ersetzende Darlehen seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld dann verliert, wenn er als Arbeitnehmer der Gesellschaft nach Eintritt deren ihm erkennbarer Kreditwürdigkeit nicht mehr bezahltes Arbeitsentgelt durch mehr als 60 Tage nicht ernsthaft einfordert und/oder wegen Vorenthaltens des Entgeltes nicht vorzeitig austritt?

2. Umfasst dieser Anspruchsverlust alle unberichtigten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder nur solche, die nach jenem fiktiven Zeitpunkt entstanden sind, zu welchem ein unbeteiligter Arbeitnehmer wegen Vorenthaltens des Lohnes den Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt hätte?".

Da dieselben Erwägungen betreffend Auslegungszweifel gemeinschaftsrelevanter Vorschriften auch für die vorliegende Sozialrechtssache gelten, ist es zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung bis zu jener des Europäischen Gerichtshofs über das gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das behängende Revisionsverfahren zu unterbrechen. Dies ist sinnvoll, weil der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen und diese daher auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden hat (RIS-Justiz RS0110583).

Anmerkung

E63856 08C00901

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:008OBS00090.01W.1129.000

Dokumentnummer

JJT_20011129_OGH0002_008OBS00090_01W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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