TE OGH 2001/11/29 6Ob204/01w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2001
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen W***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Gerald B*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. März 2001, GZ 28 R 269/00k-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 2000, GZ 1 Fr 4801/99w-10, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revisionsrekurs und der Antrag der Revisionsrekurswerber auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zurückgewiesen.Der außerordentlichen Revisionsrekurs und der Antrag der Revisionsrekurswerber auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Artikel 234, EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht forderte mit Beschluss vom 6. Juli 1999 "den/die Geschäftsführer" der Gesellschaft auf, den Jahresabschluss zum 28. Februar 1998 und das Formblatt für die Bekanntgabe der Größenmerkmale der Gesellschaft (§ 277 Abs 4 HGB) binnen vier Wochen einzureichen, widrigens über jeden Geschäftsführer gemäß § 283 HGB eine Zwangsstrafe von 10.000 S verhängt werde. Ein Fristerstreckungsantrag der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer wurde vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen, ein Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zurückewiesen und eine neuerliche Vorlagefrist von 2 Wochen gesetzt. Nachdem auch diese Frist fruchtlos verstrichen war, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 6. 2000 über den Geschäftsführer Gerald B***** und drei weitere "Geschäftsführer" die angedrohten Zwangsstrafen von je 10.000 S und forderte sie neuerlich auf, den Jahresabschluss zum 28. Februar 1998 vorzulegen, widrigens über jeden Geschäftsführer eine weitere Zwangsstrafe von 50.000 S verhängt und der Beschluss über die Verhängung auf Kosten der Gesellschaft im Bekanntmachungsblatt veröffentlicht werde.Das Erstgericht forderte mit Beschluss vom 6. Juli 1999 "den/die Geschäftsführer" der Gesellschaft auf, den Jahresabschluss zum 28. Februar 1998 und das Formblatt für die Bekanntgabe der Größenmerkmale der Gesellschaft (Paragraph 277, Absatz 4, HGB) binnen vier Wochen einzureichen, widrigens über jeden Geschäftsführer gemäß Paragraph 283, HGB eine Zwangsstrafe von 10.000 S verhängt werde. Ein Fristerstreckungsantrag der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer wurde vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen, ein Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zurückewiesen und eine neuerliche Vorlagefrist von 2 Wochen gesetzt. Nachdem auch diese Frist fruchtlos verstrichen war, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 6. 2000 über den Geschäftsführer Gerald B***** und drei weitere "Geschäftsführer" die angedrohten Zwangsstrafen von je 10.000 S und forderte sie neuerlich auf, den Jahresabschluss zum 28. Februar 1998 vorzulegen, widrigens über jeden Geschäftsführer eine weitere Zwangsstrafe von 50.000 S verhängt und der Beschluss über die Verhängung auf Kosten der Gesellschaft im Bekanntmachungsblatt veröffentlicht werde.

Das Rekursgericht bestätigte die Verhängung der Zwangsstrafe über Gerald B***** und hob den Beschluss insoweit auf, als damit auch über weitere drei Personen Zwangsstrafen verhängt wurden, weil diese teils überhaupt nie, teils im Zeitpunkt der Straffestsetzung nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft waren. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Nach dem Aktenstand reichte die Gesellschaft am 17. Juli 2000, zeitlich somit nach dem erstinstanzlichen, aber noch vor dem zweitinstanzlichen Beschluss, die "Bilanzunterlagen" zum 28. Februar 1998 beim Firmenbuchgericht ein.

Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RIS-Justiz RS0110629).Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß Paragraph 13, Absatz 2, AußStrG (Paragraph 15, FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RIS-Justiz RS0110629).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Gerald B***** ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Gerald B***** ist mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH; vor allem der Entscheidung vom 4. Dezember 1997, Slg. 1997 I-6843 - Daihatsu = EuZW 1998, 45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN; RIS-Justiz RS0113282).

Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegenDer Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des Paragraph 10, AußStrG nicht erfasst und unterliegen

nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s =

ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157 u.a.). Eine Nachholung der Offenlegung erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.

Auf die Frage des (auch) strafrechtlichen (repressiven oder punitiven) Charakters der Zwangsstrafe nach § 283 HGB braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rechtsmittelwerber führen nur allgemein aus, nach der Entscheidung des VfGH - gemeint die Beschlüsse der VfGH vom 5. Oktober 1999, Zl. G 60/99, vom 13. Oktober 1999, Zl. G 61/99 u.a. und vom 29. November 1999, Zl. G 156, 157/99 - käme der Zwangsstrafe nach § 283 HGB kein punitiver Charakter zu. Eine abschließende Stellungnahme dazu erübrigt sich hier, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem Punitivcharakter der Zwangsstrafe kann sich in einem solchen Fall erst bei ihrer Einbringung stellen. Erst dann kann geprüft werden, ob die bereits verhängte Zwangsstrafe zu vollziehen ist.Auf die Frage des (auch) strafrechtlichen (repressiven oder punitiven) Charakters der Zwangsstrafe nach Paragraph 283, HGB braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rechtsmittelwerber führen nur allgemein aus, nach der Entscheidung des VfGH - gemeint die Beschlüsse der VfGH vom 5. Oktober 1999, Zl. G 60/99, vom 13. Oktober 1999, Zl. G 61/99 u.a. und vom 29. November 1999, Zl. G 156, 157/99 - käme der Zwangsstrafe nach Paragraph 283, HGB kein punitiver Charakter zu. Eine abschließende Stellungnahme dazu erübrigt sich hier, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem Punitivcharakter der Zwangsstrafe kann sich in einem solchen Fall erst bei ihrer Einbringung stellen. Erst dann kann geprüft werden, ob die bereits verhängte Zwangsstrafe zu vollziehen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 16, Absatz 4, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 510, Absatz 3, dritter Satz ZPO).

Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, wird das Firmenbuchgericht zu entscheiden haben.

Die neben dem Rechtsmitttelantrag neuerlich gestellte Anregung ist nicht aufzugreifen, der formelle Antrag zurückzuweisen (6 Ob 54/01m = RdW 2001, 598 u.a.).

Anmerkung

E63967 06A02041

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0060OB00204.01W.1129.000

Dokumentnummer

JJT_20011129_OGH0002_0060OB00204_01W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten