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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in L, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 29. April 2004, Zl. UVS-411-008/E2-2004, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 16. Juli 2003 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers bis zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen.
Basierend auf einem fachärztlichen Gutachten vom 20. Jänner 2004 erstattete der Amtsarzt am 23. Jänner 2004 ein Gutachten über die bedingte Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B, empfahl die Vorschreibung einer Auflage über Harnkontrollen im Abstand von zwei Monaten und ärztliche Kontroll- bzw. Nachuntersuchungen sowie eine anschließende fachärztliche Stellungnahme nach Ablauf eines Jahres. Dieses Gutachten ist wie folgt begründet:
"(Beim Beschwerdeführer) liegt ein Zustand nach schädlichem Gebrauch von Cannabinoiden vor. In den letzten drei Monaten ist es zu einer glaubhaften Abstinenz dieser psychotropen Substanzen gekommen. Die zuletzt durchgeführten Harnuntersuchungen sind auf Cannabinoide negativ. Eine weiterhin regelmäßige Kontrolle der Abstinenz und eine Kontrolle des Gesundheitszustandes erscheint erforderlich."
Mit mündlich verkündetem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 27. Jänner 2004 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 5 iVm § 24 Abs. 1 Z. 2 des Führerscheingesetzes (FSG) bis 23. Jänner 2005 befristet und als "Bedingung/en" die im amtsärztlichen Gutachten geforderten Harnkontrollen und ärztlichen Kontroll- bzw. Nachuntersuchungen sowie eine anschließende fachärztliche Stellungnahme nach Ablauf eines Jahres vorgeschrieben. Zur Begründung verwies die Erstbehörde auf die bezeichneten Gesetzesstellen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, er habe zwar im fachärztlichen Untersuchungsgespräch von einem Cannabiskonsum über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren gesprochen, die Häufigkeit dieses Konsums sei dabei aber nicht zur Sprache gekommen. Der Beschwerdeführer habe bloß "gelegentlich" Cannabis in unregelmäßigen Zeitabständen konsumiert. Schon bei den amtsärztlichen Untersuchungen vom 22. Jänner 2001 und vom 5. April 2002 sei daher kein Cannabis im Harn festgestellt worden. Seit Oktober 2003 habe der Beschwerdeführer den Konsum von Cannabis zur Gänze eingestellt. Zum Beweis verwies er auf vier weitere Harnproben im Herbst 2003. Sowohl die Befristung der Lenkberechtigung als auch die mit dem Erstbescheid vorgeschriebene Auflage seien daher rechtswidrig.
Im angefochtenen Bescheid gelangte die belangte Behörde auf Grund des von ihr eingeholten Gutachtens eines medizinischen Amtssachverständigen vom 23. April 2004 zu dem Ergebnis, dass die Berufung teilweise begründet sei, da eine Befristung der Lenkberechtigung und die Vorschreibung einer amtsärztlichen Nachuntersuchung nicht erforderlich seien. Im Spruch des angefochtenen Bescheides gab sie der Berufung des Beschwerdeführers "betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung" insoweit Folge, als die Lenkberechtigung unter folgender Auflage "erteilt" wurde:
"(Der Beschwerdeführer) hat sich während der nächsten sechs Monate einer regelmäßigen (zweimonatlichen) Kontrolle mit Harnanalysen bei einem niedergelassenen Nervenarzt, in einer Ambulanz eines Suchtkrankenhauses oder bei einer professionellen Drogenhilfe (zB Die Fähre) und nach diesen sechs Monaten einer fachärztlichen psychiatrischen Begutachtung zu unterziehen. Hierüber ist der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn eine schriftliche Bestätigung vorzulegen."
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf das Verfahrensgeschehen, die eingangs genannten Rechtsvorschriften und auf die Beurteilung des medizinischen Amtssachverständigen vom 23. April 2004, die wie folgt lautet:
"Aus medizinischer Sicht liegt (beim Beschwerdeführer) ein Zustand nach schädlichem Gebrauch von Cannabinoiden vor, wobei mittlerweile eine durch Harnbefunde dokumentierte Abstinenz über mehrere Monate bei ihm zu belegen ist. Die von der Nervenfachärztin geforderten Kontrollen mit Harnanalysen in zweimonatigen Abständen sind geeignet, über einen längeren Zeitraum hinweg konkrete Anhaltspunkte bezüglich seines Konsumverhaltens zu ergeben und eine allfällige Chronifizierung des Konsums oder schließlich für den Straßenverkehr relevante gesundheitliche Defizite erkennen zu können. Die empfohlenen zweimonatigen Kontrollabstände sind im Hinblick auf den bisherigen Missbrauch von Cannabis-Produkten ausreichend, um verwertbare Informationen zu erhalten. Dies beruht auf in der Regel zunehmend längerer Nachweisbarkeit der Cannabinoide bei chronischem Konsum. Bei unter den von der Fachärztin vorgeschlagenen Bedingungen nachgewiesener Unauffälligkeit kann vom Standpunkt medizinischer Betrachtung also von ausreichender Konsolidierung des Berufungswerbers ausgegangen werden."
Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 23. April 2004 erachtete die belangte Behörde die vorgeschriebene Auflage für erforderlich, da erst nach ihrer Erfüllung festgestellt werden könne, ob sich der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers gefestigt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die hier maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG) lauten:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
..."
§ 14 FSG-GV in der hier maßgebenden Fassung des BGBl. II
Nr. 427/2002 lautet:
Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
...
(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen."
Aus dem wiedergegebenen Sachverhalt ergibt sich, dass die mit Bescheid vom 16. Juli 2003 ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers mit der Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens vom 23. Jänner 2004 geendet hat, woraufhin die Erstbehörde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 27. Jänner 2004 gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG in der näher beschriebenen Weise eingeschränkt hat. In einem Spannungsverhältnis dazu steht der Spruch des angefochtenen Bescheides, mit dem die belangte Behörde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers unter Vorschreibung einer Auflage "erteilt" hat. Eine Überschreitung der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG läge nur dann nicht vor, wenn sich aus dem angefochtenen Bescheid mit noch hinreichender Deutlichkeit ergäbe, dass damit die bestehende Lenkberechtigung des Beschwerdeführers eingeschränkt werden sollte. Für Letzteres spricht, dass die belangte Behörde der Berufung (teilweise) "Folge gegeben" und in der Begründung auf § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG verwiesen hat (vgl. zu einem ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2003/11/0209).
Der angefochtene Bescheid ist aber jedenfalls unter einem anderen Gesichtspunkt rechtswidrig:
Zutreffend wendet die Beschwerde nämlich ein, dass die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Beschwerdeführer bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von Suchtmitteln abhängig war oder damit gehäuften Missbrauch begangen hatte. Im Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0258, hat der Verwaltungsgerichtshof - ebenfalls im Zusammenhang mit der Einschränkung einer Lenkberechtigung - zu § 14 Abs. 5 FSG-GV (in der Fassung vor der Verordnung BGBl. II Nr. 427/2002) ausgesprochen, dass nach dieser Verordnungsstelle unter den dort genannten Voraussetzungen die Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen auferlegt werden dürfe. Entsprechendes gilt daher seit der genannten Verordnung für die Vorschreibung einer Auflage betreffend ärztliche Kontrolluntersuchungen.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und der mit ihm vorgeschriebenen Auflage setzt daher gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV schlüssige Feststellungen über die - in der Berufung bestrittene - Abhängigkeit des Beschwerdeführers von Suchtmitteln bzw. einen gehäuften Missbrauch derselben voraus, die im angefochtenen Bescheid aber fehlen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2003/11/0209, mwN) ein nur gelegentlicher Konsum von Cannabis noch keinen gehäuften Missbrauch darstellt. Auch das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Gutachten vom 23. April 2004, dem sich die belangte Behörde anschloss, vermag die genannten Feststellungen nicht zu ersetzen, da in diesem Gutachten bloß von einem Zustand "nach schädlichem Gebrauch von Cannabinoiden" (nicht aber von einem "gehäuften" Missbrauch) und außerdem von einer durch Harnbefunde dokumentierten Abstinenz des Beschwerdeführers über mehrere Monate die Rede ist.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, soweit damit die Erstattung der Eingabegebühr, die den in § 24 Abs. 3 VwGG genannten Betrag übersteigt, beantragt wurde.
Wien, am 22. Februar 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004110096.X00Im RIS seit
04.04.2007