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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §2 Abs5 idF 2002/I/126;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des M K in W, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. November 2005, Zl. 3/08114/250 9832, betreffend Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 2 Abs. 5 AuslBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 8. September 2005 beantragte I T, ein türkischer Staatsangehöriger, bei der zuständigen Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung als unselbständige Schlüsselkraft im Sinn des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG. Im Zuge des Verfahrens über die Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung gab die beschwerdeführende Partei im "Beiblatt für Arbeitgeber" in Bezug auf die vorgesehene Beschäftigung des die Niederlassungsbewilligung begehrenden türkischen Staatsangehörigen an, dieser werde für die berufliche Tätigkeit als türkischer Süß-Speisenkoch ("türkische Süßspeise, Müsebbek, Süße Ringe, Kuchen und türkische Keks") zu einer Entlohnung von 2.178 EUR brutto pro Monat bei 40 Wochenstunden eingestellt.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 3. Oktober 2005 wurde der Antrag auf Zulassung des türkischen Antragstellers gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 AuslBG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 2 Abs. 5 AuslBG keine Folge gegeben. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid nach Zitierung der Rechtslage und Wiedergabe der Berufungsausführungen damit, durch die Schaffung des § 2 Abs. 5 AuslBG sei aus beschäftigungspolitischen Erwägungen ein Steuermechanismus für den Neuzugang von unselbständigen Erwerbstätigen zum inländischen Arbeitsmarkt geschaffen worden, der unter strengen Maßstäben hoch qualifizierten Arbeitskräften eine erstmalige Zulassung zu diesem eröffne. Um der im Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG normierten generellen Bedingung einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" gerecht zu werden, müsse einerseits eine schulische, universitäre oder berufliche Bildung erworben worden sein, die über das normale Maß hinaus als ausgezeichnet zu qualifizieren sei, und andererseits gleichzeitig an Personen mit einer solchen eine entsprechende Nachfrage im Inland bestehen. Nach den "evidenten Arbeitsmarktdaten" liege keine spezielle Nachfrage an Arbeitskräften vor, welche über das nötige Anforderungsprofil verfügten. Außer der Bekanntgabe des Bedarfes der beschwerdeführenden Partei an einem Bäcker für türkische Süßspeisen sei im Bundesland Wien derzeit keine einzige adäquate Arbeitskräftebedarfsmeldung evident. Auch verfüge der türkische Staatsangehörige nach den "evidenten Daten" über keine hoch qualifizierte Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG. Für das Vorhandensein spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung müsse die Qualifikation des Ausländers auf besonderen Fähigkeiten oder Talenten beruhen, welche für die geplante Beschäftigung ein unbedingtes Erfordernis darstellten. Aus der Beschäftigung des Ausländers als Hersteller von Süßwaren und Müsebbekci in der Türkei durch eine Zeit von 11. Juli 2001 bis 24. August 2005 lasse sich weder die Aneignung von beruflichen Erfahrungswerten, die über das übliche Maß hinausgingen, noch das Erlangen von spezifisch hochwertigem Können ableiten, weshalb keine außerordentliche Qualifizierung vorliege. Zudem bedürfe es für die Herstellung türkischer Süßspeisen keiner maßgeblichen beruflichen Befähigung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, gelten Ausländer als Schlüsselkräfte, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 v.H. der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
1. die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder
2. die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei oder
3. der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder
4. die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder
5. der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführende Partei geltend, von der belangten Behörde seien keine erkennbaren Erhebungen darüber angestellt worden, ob eine am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Tätigkeit vorliege oder der Dienstnehmer über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung verfüge. Darüber hinaus sei der beschwerdeführenden Partei auch nicht die Möglichkeit zur Nachreichung entsprechender Nachweise gegeben worden. Es sei ihr lediglich bekannt gegeben worden, dass außer der Bekanntgabe des eigenen Bedarfes an einem Bäcker für türkische Süßspeisen keine einzige adäquate Arbeitskräftebedarfsmeldung evident sei, aus welcher Mitteilung sich aber ein entsprechender Bedarf gerade ergeben hätte. Über die Frage der Schaffung weiterer Arbeitsplätze sei überhaupt nicht abgesprochen worden. Die Annahme der belangten Behörde, der türkische Staatsangehörige verfüge über kein das übliche Maß überschreitendes spezifisches Können, sei mangelhaft begründet bzw. ohne jegliche Beweisergebnisse getroffen worden. Die belangte Behörde habe auch ihre Anleitungs- und Aufklärungspflicht verletzt, ebenso wie das Recht der beschwerdeführenden Partei auf rechtliches Gehör.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer ferner geltend, im Falle des Dienstantrittes des Ausländers hätten zumindest zwei, voraussichtlich sogar drei bis fünf zusätzliche Dienstnehmer eingestellt werden können. Schon deswegen diene die Beschäftigung des Ausländers auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Der in § 2 Abs. 5 AuslBG geforderten Mindestentlohnung sei entsprochen worden. Die belangte Behörde habe auch unberücksichtigt gelassen, dass die beschwerdeführende Partei zur Dartuung der besonderen Qualifikation des Ausländers dessen Maturazeugnis sowie ein Zeugnis seiner bisherigen Dienststelle beigebracht habe, aus dem nicht nur die tatsächliche Arbeitsdauer, sondern auch eine Bestätigung seiner Fähigkeit zur Fertigung der nachgefragten Süßspeisen hervorgehe, was einem "Meisterbrief" gleichkomme. Aus dem Umstand, dass nur die gegenständliche Nachfrage bestehe, könne nicht geschlossen werden, dass eine entsprechende Nachfrage am inländischen Arbeitsmarkt nicht bestehe. Richtig sei, dass in Wien derzeit 87 Bäcker für freie Dienststellen vorgemerkt seien, denen zwei offene Stellen gegenüberstünden, von denen eine das Unternehmen der beschwerdeführenden Partei betreffe. Im Zuge der Bewerbung dafür seien insgesamt 30 Arbeitssuchende zugewiesen worden, denen jedoch die speziell erforderliche, nachgefragte Qualifikation gefehlt habe. Ein Vermittlungsauftrag sei nach wie vor anhängig. Im Übrigen sei unbegründet geblieben, worauf die belangte Behörde die Feststellung gegründet habe, es bedürfe für die Herstellung türkischer Süßspeisen keiner maßgeblichen beruflichen Befähigung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2006, Zl. 2005/09/0043) muss neben einem der in den Z. 1 bis 5 des zweiten Satzes des § 2 Abs. 5 AuslBG genannten - besonderen - Kriterien zumindest eine der im Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG alternativ genannten Voraussetzungen einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" oder "spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" vorliegen, um die Zulassung als Schlüsselkraft im Sinne dieser Gesetzesbestimmung erwirken zu können (die weitere für die Anerkennung als Schlüsselkraft erforderliche gesetzliche Voraussetzung der Höhe der monatlichen Bruttoentlohnung hatte die belangte Behörde implizite ohnedies als gegeben angesehen). Das Vorliegen weder der einen noch der anderen dieser im Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG alternativ genannten Tatbestandsvoraussetzungen wurde von der belangten Behörde im Beschwerdefall aber in der gebotenen Weise geprüft. Das Bestehen einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" des Ausländers hat die belangte Behörde mit untauglichen Mitteln verneint und das Vorhandensein "spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" hat die belangte Behörde dem Ausländer ohne ausreichende Auseinandersetzung mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Sachvorbringen abgesprochen:
Insoweit sich die Feststellung der belangten Behörde, eine entsprechende Nachfrage bestehe auf dem inländischen Arbeitsmarkt nicht, auf "evidente Arbeitsmarktdaten" stützt, ging sie - wie schon in gleichgelagerten Fällen - erkennbar nur von den beim Arbeitsmarktservice als offen gemeldeten Stellen ("evidenten Arbeitsmarktdaten") mit den jeweils angebotenen Qualifikationen aus. Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0129, dargelegt hat, ist die Auslegung der belangten Behörde, wonach eine "besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung" im Sinne des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 5 AuslBG lediglich an Hand der in der Statistik als offen aufscheinenden Stellen für Arbeitsuchende mit den jeweils in Rede stehenden Qualifikationen im jeweiligen Bundesland zu prüfen sei, rechtswidrig, weil es nicht darauf ankommt, ob auch bei anderen Arbeitgebern eine unbefriedigte Nachfrage derselben Art festgestellt werden kann, sondern vielmehr davon auszugehen ist, dass die besondere Ausbildung des potenziellen Arbeitnehmers für die angebotene Tätigkeit eine sein muss, die am inländischen, das heißt bundesweiten Arbeitsmarkt an sich nachgefragt ist und zwar unabhängig davon, ob diese Nachfrage bereits ohne Einschaltung des Arbeitsmarktservice befriedigt worden ist oder nicht. Wesentlich ist lediglich, dass die "besondere Ausbildung" am inländischen Arbeitsmarkt an sich nachgefragt wird, die Nachfrage des antragstellenden Unternehmens jedoch nicht durch eine inländische Arbeitskraft abgedeckt werden kann; entscheidend ist daher die tatsächliche (befriedigte oder unbefriedigte) Nachfrage nach der angebotenen Qualifikation am inländischen Arbeitsmarkt schlechthin und das Fehlen verfügbarer inländischer Arbeitskräfte. Dies hat die belangte Behörde auch im vorliegenden Fall verkannt. Die Behörde hat daher auch in diesem Fall die allgemeine Voraussetzung einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" - wie oben dargelegt ohne ausreichende Tatsachengrundlage - verneint.
Das Vorliegen "spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" hat die belangte Behörde jedoch im Beschwerdefall verneint, ohne diese Einschätzung näher zu begründen. Zu Recht weist daher die beschwerdeführende Partei darauf hin, dass für die Feststellung, es bedürfe zur Herstellung türkischer Süßspeisen keiner maßgeblichen beruflichen Befähigung, jede für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbare Begründung fehlt. Die belangte Behörde hätte diese Frage vielmehr anhand der vorgelegten Bestätigung, aus der immerhin eine etwa vierjährige Tätigkeit "als Meister" in dem genannten Spezialgebiet hervorgeht - allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen - prüfen und das Ergebnis ihrer Überlegungen auch für Dritte nachvollziehbar darlegen müssen. Dies hat sie jedoch unterlassen, wodurch sich der angefochtene Bescheid als mangelhaft begründet und damit rechtswidrig erweist, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b. und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. Februar 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090180.X00Im RIS seit
06.04.2007Zuletzt aktualisiert am
08.07.2010