TE OGH 2001/12/17 1Ob297/01k

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Veröffentlicht am 17.12.2001
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Jennifer S*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, dieser vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter C*****, wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft und Unterhalts (Gesamtstreitwert 61.950 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Juli 2001, GZ 45 R 369/01z-64, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde am 10. Dezember 1993 während aufrechter - indes 1994 für nichtig erklärter - Ehe ihrer Mutter geboren. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Mai 1995 wurde festgestellt, dass die Klägerin kein eheliches Kind des Ehegatten ihrer Mutter ist. Bereits in diesem Verfahren gab die Mutter an, "natürlicher Vater" der Klägerin sei ein näher genannter "Robert". Aus den Feststellungen dieses Urteils geht hervor, dass die Mutter im empfängniskritischen Zeitraum sowohl mit "Robert" als auch mit einem anderen Mann namens "Peter" (Vorname des Beklagten) geschlechtlich verkehrt habe. Das Klagebegehren auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft von "Robert" zur Klägerin wurde - obwohl die Mutter behauptet hatte, nur mit diesem innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist geschlechtlich verkehrt zu haben - rechtskräftig abgewiesen weil bei ihm ein Ausschluss vorlag.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Feststellung der unehelichen Vaterschaft des Beklagten und auf Zahlung von Unterhalt ab. Nach den von der zweiten Instanz gebilligten Feststellungen kann nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Beklagte mit der Mutter der Klägerin innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist geschlechtlich verkehrt habe. Auch sei die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin auf Grund des serologischen Sachverständigen-Gutachtens höchst unwahrscheinlich bzw eine Aussage über die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin aufgrund dieses Gutachtens unmöglich. Diese sei daher nicht festzustellen gewesen.

Die außerordentliche Revision der Klägerin bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung.

Rechtliche Beurteilung

Hat ein Mann der Mutter eines unehelichen Kindes innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Entbindung beigewohnt, so wird vermutet, dass er das Kind gezeugt hat (§ 163 Abs 1 erster Satz ABGB). Die Beweislast für die fristgemäße Beiwohnung trifft das klagende Kind (9 Ob 316/99g = EvBl 2000/138 ua; Schwimann in Schwimann2, § 163 ABGB Rz 1). Bei Misslingen dieses Beweises (sei es wegen Fehlens der Beiwohnung oder wegen "Fristverletzung") - wie hier, wo auch nach Überprüfung der entsprechenden Beweisrüge durch die zweite Instanz nicht festgestellt werden konnte, dass der Beklagte mit der Mutter der Klägerin in der kritischen Zeit geschlechtlich verkehrt habe - muss die tatsächliche Zeugung durch den in Betracht kommenden Mann mit den üblichen naturwissenschaftlichen Beweismitteln (serologische Untersuchung, anthropologisch-erbbiologische Untersuchung und Tragzeitgutachten) bewiesen werden (9 Ob 316/99g mwN ua; Schwimann in Schwimann2, § 163 ABGB Rz 1).

Für Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind ordnet ArtV Z 5 UeKindG an, dass das Gericht von Amts wegen für die Aufklärung aller für die Entscheidung wichtigen Tatumstände zu sorgen hat. Das Gericht hat alle Beweise aufzunehmen, von denen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden kann, und zwar selbst dann, wenn sie von keiner Partei beantragt wurden oder wenn sich die Parteien dagegen ausgesprochen haben. Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung ist es nämlich, die größtmögliche Übereinstimmung mit den wahren Abstammungsverhältnissen zu erreichen, dann muss ein Maximum und Optimum an richterlicher Ermittlungstätigkeit gefordert werden. Solange die durch die Wissenschaft gebotenen Möglichkeiten der Aufklärung der Abstammung nicht genützt sind, hat das Gericht die Verpflichtung, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände aufzuklären, regelmäßig nicht erfüllt. Die Gerichte sind aber durch den Untersuchungsgrundsatz weder in ihrer freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet, unnötige Beweise aufzunehmen (1 Ob 2114/96, 4 Ob 19/99v, 9 Ob 316/99g, je mwN uva). Ob konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die die Einholung eines (weiteren) serologischen Gutachtens erforderlich machen, obliegt der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung durch das Gericht (vgl 8 Ob 614/91).Für Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind ordnet ArtV Z 5 UeKindG an, dass das Gericht von Amts wegen für die Aufklärung aller für die Entscheidung wichtigen Tatumstände zu sorgen hat. Das Gericht hat alle Beweise aufzunehmen, von denen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden kann, und zwar selbst dann, wenn sie von keiner Partei beantragt wurden oder wenn sich die Parteien dagegen ausgesprochen haben. Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung ist es nämlich, die größtmögliche Übereinstimmung mit den wahren Abstammungsverhältnissen zu erreichen, dann muss ein Maximum und Optimum an richterlicher Ermittlungstätigkeit gefordert werden. Solange die durch die Wissenschaft gebotenen Möglichkeiten der Aufklärung der Abstammung nicht genützt sind, hat das Gericht die Verpflichtung, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände aufzuklären, regelmäßig nicht erfüllt. Die Gerichte sind aber durch den Untersuchungsgrundsatz weder in ihrer freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet, unnötige Beweise aufzunehmen (1 Ob 2114/96, 4 Ob 19/99v, 9 Ob 316/99g, je mwN uva). Ob konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die die Einholung eines (weiteren) serologischen Gutachtens erforderlich machen, obliegt der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung durch das Gericht vergleiche 8 Ob 614/91).

Die Klägerin behauptet das Vorliegen eines Verfahrensmangels, weil das serologische Gutachten nicht durch Einbeziehung der drei Schwestern des Beklagten ergänzt worden sei. Ein solcher Verfahrensmangel kann an sich in dem vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrschten Vaterschaftsverfahren auch noch in dritter Instanz wahrgenommen werden (1 Ob 2114/96, 4 Ob 19/99v, 9 Ob 316/99g, je mwN uva). Demnach ist zu prüfen, ob die Vorinstanzen das ihnen aufgetragene pflichtgemäße Ermessen im Zuge der Beweisaufnahme voll ausgeschöpft und alle Beweise aufgenommen haben, von welchen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden konnte. Billigt das Berufungsgericht die Abweisung eines Beweisantrags, kann demnach ein Mangel des Berufungsverfahrens nur in einer groben Verletzung des richterlichen Ermessens liegen (5 Ob 60/00k). Ein solcher Fehler ist im vorliegenden Fall aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

Nachdem sich der zum gerichtlichen Sachverständigen vorgeführte Beklagte diesem gegenüber geweigert hatte, sich Blut abnehmen zu lassen, verfügte die Erstrichterin die Vorführung des Beklagten und die zwangsweise Abnahme von Blut an ihm. Beim Vollzug am 3. August 1999 und 21. September 1999 war der Beklagte nicht in seiner Wohnung anwesend. Nach dem Akteninhalt wohnt der Beklagte seit 3. September 1998 bei seiner Schwester, ist aber derzeit "untergetaucht", beteiligt sich nicht mehr am weiteren Verfahren und steht daher für Untersuchungen - im Besonderen auch für eine anthropologisch-erbbiologische - nicht zur Verfügung. Das Erstgericht verfügte zuerst die Einbeziehung der drei Schwestern des Beklagten in die serologische Untersuchung. Der Sachverständige teilte daraufhin mit, eine Abklärung des Erbbilds des vakanten Beklagten durch die Blutuntersuchung an seinen Schwestern sei nicht sehr wahrscheinlich, weil die Eltern des Beklagten bereits verstorben seien. Das darauf vom Sachverständigen - über seine Anregung - erstattete serologische Gutachten unter Einbeziehung der Klägerin und ihrer Mutter sowie der ehelichen Tochter des Beklagten und deren Mutter ergab bei der biostatischen Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten auf Grund aller untersuchten Erbmerkmale einen Wahrscheinlichkeitswert vom 0,690244392. Bei der großen Anzahl der untersuchten Erbsysteme spreche dieser Wert eher gegen eine Vaterschaft des Beklagten; allerdings könne dieses Ergebnis nicht als Beweis für eine fehlende Vaterschaft des Beklagten gelten.

Soweit die Vorinstanzen bei dieser Sachlage die Ergänzung des serologischen Gutachtens durch Einbeziehung der drei Schwestern - als bloße Seitenverwandten - des Beklagten ablehnten, kann darin keine Überschreitung des von den Vorinstanzen wahrzunehmenden Ermessens bei der Beweisaufnahme erblickt werden. Anders als in dem zu 9 Ob 316/99g zu beurteilenden Fall begnügte sich das Erstgericht keineswegs mit Beweisen durch Vernehmung von Personen, sondern holte ohnedies auf der Basis der zur Verfügung stehenden Beweismittel ein serologisches Gutachten ein.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E64285

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00297.01K.1217.000

Im RIS seit

17.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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