TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/22 2004/11/0004

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Veröffentlicht am 22.02.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in D, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 4. Dezember 2003, Zl. 3-79-107/03/E7, betreffend Aufforderung, sich bei einem Amtsarzt untersuchen zu lassen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 11. März 2003 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides zum Zwecke der Überprüfung, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch gegeben seien, beim Amtsarzt untersuchen zu lassen. In der Begründung verwies die Erstbehörde darauf, dass der Beschwerdeführer über eine längere Zeit hindurch verbotene Suchtmittel konsumiert habe.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den Erstbescheid mit der Maßgabe, dass die Untersuchung innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen habe.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Niederschrift des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 10. Dezember 2002. Dort habe der Beschwerdeführer angegeben, im Jahr 2000 fünf bis zehn Ecstasy-Tabletten und 5 bis 10 g Speed konsumiert zu haben. Im Zeitraum 2001 bis Mai 2002 habe er 7 g Kokain und von Mitte 2000 bis Mitte des Jahres 2002 habe er 30 g Marihuana konsumiert. Zuletzt habe er am 13. November 2002 einen Marihuana-Joint geraucht. Der versuchte Ankauf von 10 g Kokain im November 2002 sei mangels Einigung über den Preis nicht zustande gekommen. Ausgehend von diesen Angaben ergebe sich, dass der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von mehreren Jahren Drogen konsumiert habe. Was dabei das Suchtmittel Marihuana betreffe, so bilde der bloß sporadische Konsum noch keine Veranlassung für die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung. Hingegen sei der Konsum der genannten anderen Drogen schwerwiegender und könne, wenn er über ein Probierverhalten hinausgehe, Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen hervorrufen. Dies treffe insbesondere auf den genannten Konsum von 7 g Kokain zu. Dass es sich dabei nicht um ein reines Probierverhalten gehandelt habe, zeige der Umstand, dass der Beschwerdeführer Ende des Jahres 2002 neuerlich versucht habe, sich Kokain zu verschaffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer vor mehr als eineinhalb Jahren geringe Mengen von Kokain, Speed und Ecstasy-Tabletten konsumiert habe, reiche für begründete Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG nicht aus.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

..."

Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur die Auffassung, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG seien begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei gehe es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssten aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/11/0191, mwN).

Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, Zl. 2005/11/0191, auf seine Rechtsprechung hingewiesen, wonach ein Aufforderungsbescheid nur dann zulässig sei, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen.

Daher ist entscheidend, dass die belangte Behörde in ihren Sachverhaltsfeststellungen von den Angaben des Beschwerdeführers, er habe Kokain zuletzt im Mai 2002 und Marihuana zuletzt im November 2002 konsumiert, ausgegangen ist. Insbesondere hat die belangte Behörde nicht angenommen, dass der Beschwerdeführer den Suchtgiftkonsum im Jahr 2003 fortgesetzt hätte.

Die belangte Behörde hat somit die Auffassung vertreten, sie könne den Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG auf ein Konsumverhalten des Beschwerdeführers stützen, das (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Dezember 2003) bereits ein Jahr davor geendet hatte. Diese Auffassung steht mit der zitierten Judikatur nicht im Einklang.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 22. Februar 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004110004.X00

Im RIS seit

04.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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