TE OGH 2002/1/28 2Ob310/01d

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Veröffentlicht am 28.01.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Christoph S*****, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, ***** wegen EURO 33.945,93 sA und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 26. September 2001, GZ 1 R 99/01m-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Wels vom 6. März 2001, GZ 4 Cg 142/00z-33, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Teilzwischenurteil

1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EURO 33.945,93 samt 4 % Zinsen seit 21. März 2000 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 13. 5. 1984 geborene Kläger wurde am 22. 11. 1999 im Bereich des Bahnhofes T***** von einem einfahrenden Zug schwer verletzt.

Er begehrt die Zahlung von S 467.106,15 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus dem Bahnunfall vom 22. 11. 1999 in T*****.

Er brachte dazu vor, er habe am 22. 11. 1999 mit dem Eilzug Nr 1746 von T***** nach Salzburg fahren wollen; durch den Erwerb einer Fahrkarte sei er mit der beklagten Partei in Vertragsbeziehung getreten. Zu diesem Zeitpunkt seien am Bahnhof T***** umfangreiche Umbauarbeiten durchgeführt worden; es sei weder eine Bezeichnung der Bahnsteige noch eine solche der Gleise vorhanden gewesen. Als der Fahrdienstleiter das Eintreffen des Zuges nach Salzburg auf dem Bahnsteig 4 angekündigt habe, sei er vor dem Bahnhofsgelände mit Blick in Richtung Gleisanlage gestanden, wobei vier Bahnsteige zu erkennen gewesen seien. Aufgrund der Durchsage sei er der Ansicht gewesen, dass der Zug über den vierten von ihm aus sichtbaren Bahnsteig zu besteigen sei, weshalb er sich in Richtung des vierten und sohin letzten Bahnsteiges begeben habe. Als er den von ihm aus gesehen dritten Bahnsteig überqueren habe wollen, sei er von dem mit erhöhter Geschwindigkeit herannahenden Eilzug erfasst und schwer verletzt worden. Der Lokführer des Eilzuges habe es unterlassen, ein Warnzeichen abzugeben. Durch die mangelnde Bahnsteigskennzeichnung habe sich die Ankündigung des einfahrenden Eilzuges auf Bahnsteig 4 als irreführend und missverständlich erwiesen. Die beklagte Partei treffe das Alleinverschulden am Unfall.

Die beklagte Partei wendete ein, dem Kläger sei insofern ein Fehler unterlaufen, als er vergessen habe, jenen Bahnsteig mitzuzählen, auf dem er sich selbst befunden habe. Dieser Bahnsteig sei nämlich der Bahnsteig 1 gewesen, weshalb der vierte, vom Kläger sichtbare Bahnsteig, der Bahnsteig 5 gewesen sei. Zudem hätte der Kläger den Unfall verhindern können, wenn er nach links und rechts in die Gleise eingesehen hätte, weil er dann den auf Bahnsteig 4 einfahrenden Zug bemerkt hätte. Für den Lokführer habe keine Möglichkeit bestanden, den Zug noch rechtzeitig abzubremsen, weil der Kläger unmittelbar vor dem Triebfahrzeug auf das Gleis getreten sei. Die Einfahrt des Zuges sei rechtzeitig und vorschriftsmäßig, insbesondere nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, erfolgt. Den Kläger treffe das Alleinverschulden, während der Unfall für die beklagte Partei ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG darstelle.Die beklagte Partei wendete ein, dem Kläger sei insofern ein Fehler unterlaufen, als er vergessen habe, jenen Bahnsteig mitzuzählen, auf dem er sich selbst befunden habe. Dieser Bahnsteig sei nämlich der Bahnsteig 1 gewesen, weshalb der vierte, vom Kläger sichtbare Bahnsteig, der Bahnsteig 5 gewesen sei. Zudem hätte der Kläger den Unfall verhindern können, wenn er nach links und rechts in die Gleise eingesehen hätte, weil er dann den auf Bahnsteig 4 einfahrenden Zug bemerkt hätte. Für den Lokführer habe keine Möglichkeit bestanden, den Zug noch rechtzeitig abzubremsen, weil der Kläger unmittelbar vor dem Triebfahrzeug auf das Gleis getreten sei. Die Einfahrt des Zuges sei rechtzeitig und vorschriftsmäßig, insbesondere nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, erfolgt. Den Kläger treffe das Alleinverschulden, während der Unfall für die beklagte Partei ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Paragraph 9, EKHG darstelle.

Das Erstgericht erkannte mit Teilzwischenurteil das Zahlungsbegehren dem Grunde nach mit 3/4 als zu Recht und mit 1/4 als nicht zu Recht bestehend.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Zum Unfallszeitpunkt befand sich der Bahnhof T***** im Umbau. Vom Bahnhofsgebäude ausgehend befindet sich in Richtung Norden vor diesem der Bahnsteig 1. Daran schließen sich das Nebengleis 5, der Zwischenbahnsteig 2, das Gleis 3, der Zwischenbahnsteig 3, das Gleis 1, der Zwischenbahnsteig 4, das Gleis 2, der Zwischenbahnsteig 5 und schließlich das Gleis 4. Der Kläger wartete im Bereich des Bahnsteigs 1 auf den Eilzug, dessen Einfahrt durch den Fahrdienstleiter auf Bahnsteig 4 ausgerufen wurde. Er begab sich sodann von seinem Standort zu den Gleisübergängen, wobei er in normalem Schritttempo die Gleise 5, 3 und 1 bzw die Bahnsteige 2, 3 und 4 überquerte. Er war der einzige Fahrgast, der in den auf Gleis 2 einfahrenden Eilzug zusteigen wollte. Obwohl sich der einfahrende Eilzug bereits dem zum Bahnsteig 5 führenden Gleisübergang genähert hatte, setzte der Kläger seinen Weg über das Gleis fort und wurde am Gleisübergang vom Triebfahrzeug niedergestoßen. Der Triebfahrzeugführer hatte zuvor den Zug bereits zum planmäßigen Anhalten im Bahnsteigbereich abgebremst und sah aus seiner Position rechts im Führerstand der Lokomotive auch den Kläger aus Richtung Bahnsteig 1 über die Gleise in Richtung zum Bahnsteig 4 gehen. Der Kläger blickte beim Überschreiten der Gleise nur geradeaus und wandte den Kopf nie dem aus Osten einfahrenden Eilzug zu; der Zug war für ihn optisch erkennbar und auch hörbar. Beim Überschreiten des Gleises 1 und beim Betreten des Bahnsteiges 4 trat er in den toten Sichtwinkel des Lokführers. Ein erst zu dieser Zeit abgegebenes Signal des Lokführers wäre zu spät gekommen.

Vor Beginn der Umbauarbeiten im Bahnhofsbereich waren an den Gleisübergängen die Bahnsteige durch Aufmalen von Ziffern auf dem Asphaltbelag gekennzeichnet. Zum Unfallszeitpunkt bestand diese Bezeichnung mit der Nummer 1 nur auf dem Perron des Bahnhofsgebäudes, sie war wegen der Schneelage allerdings nicht sichtbar. Auf den übrigen Bahnsteigen waren keine Bezeichnungen angebracht. Die üblicherweise an schienenfrei zugänglichen breiten Inselbahnsteigen vorhandenen Bezeichnungen mit Tafelschildern (weiße Ziffern auf blauem Grund, weiß eingerandet), sind am Bahnhof T***** wegen des geringen Abstandes zwischen den Gleisen nicht möglich. In diesen Fällen kann die Bahnsteignummerierung nur links oder rechts der Gleisübergänge auch zwischen diesen aufgemalt, allenfalls durch blau-weiße Schilder oben am Fahrleitungskettenwerk des betreffenden Gleises ergänzt werden. Die Bahnsteigziffern hätten am Bahnhof T***** auf die breiten Bahnsteigformsteine der Bahnsteige 3 und 4 gemalt werden können, welche zum Unfallszeitpunkt auch weitgehend schneefrei waren. Der Kläger hätte beim Überschreiten des Bahnsteiges 3 die Möglichkeit gehabt, den Unfall zu verhindern, wenn diese Bezeichnung dort angebracht gewesen wäre, weil für sie für ihn auch sichtbar gewesen wäre. Er ging von der irrigen Annahme aus, der angesagte Bahnsteig 4 sei der Bahnsteig 5, weil er den Perron vor dem Bahnhofsgebäude nicht als Bahnsteig mitzählte. Der Triebfahrzeugführer überschritt die vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit nicht, er hat die Betriebsbremsung so rechtzeitig eingeleitet, dass der Zug bahnsteiggerecht zum Stillstand gekommen wäre.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Schaden sei im Verhältnis von 3 : 1 zu Gunsten des Klägers zu teilen. Die beklagte Partei habe den Irrtum des Klägers in Bezug auf den Einfahrtsbereich des Eilzuges auf Bahnsteig 4 zu vertreten, weil eine mögliche und notwendige Bezeichnung der Zwischenbahnsteige gefehlt habe. Zudem wäre die rechtzeitige Abgabe eines Achtungssignals durch den Lokführer angebracht gewesen, weil dieser nicht von einem normalen und unauffälligen Überschreiten der Gleise durch den Kläger ausgehen habe können, weil jener ohne Zuwendung eines Blickes in Richtung des Eilzugs mit gesenktem Blick die Gleise überquert habe, was der Lokführer gesehen habe. Das Verhalten des Klägers sei unachtsam gewesen, weil er die beim Überschreiten der Gleise notwendige besondere Aufmerksamkeit nicht eingehalten habe. Dabei hätte er erkennen können, dass der Eilzug auf Bahnsteig 4 einfahre und eine Kollision verhindern können.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es aussprach, das Klagebegehren bestehe dem Grunde nach mit 1/3 zu Recht und mit 2/3 nicht zu Recht; es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, dass es sich bei der Signalvorschrift V2, nach der das Signal des Triebwagenführers dazu diene, die Aufmerksamkeit von Personen zu erregen oder Personen zu warnen, um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB handle. Die Auslegung des Beförderungsvertrages in Zusammenschau mit dieser Signalvorschrift ergebe eine Warnpflicht für den Lokführer jedenfalls dann, wenn eine Gefahr für den Fahrgast bestehe. Da dem Lokführer bekannt sein hätte müssen, dass er den Kläger nach Eintritt in den toten Winkel nicht mehr beobachten könne, wäre er in Anbetracht des Verhaltens des Klägers (Geradeausgehen ohne Blickkontakt) verhalten gewesen, bereits vor dessen Eintritt in den toten Sichtwinkel ein Warnzeichen abzugeben. In der Nichtabgabe eines Warnsignales sei ein Verschulden des Lokomotivführers zu erblicken, das der beklagten Partei zuzurechnen sei.Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, dass es sich bei der Signalvorschrift V2, nach der das Signal des Triebwagenführers dazu diene, die Aufmerksamkeit von Personen zu erregen oder Personen zu warnen, um ein Schutzgesetz im Sinne des Paragraph 1311, ABGB handle. Die Auslegung des Beförderungsvertrages in Zusammenschau mit dieser Signalvorschrift ergebe eine Warnpflicht für den Lokführer jedenfalls dann, wenn eine Gefahr für den Fahrgast bestehe. Da dem Lokführer bekannt sein hätte müssen, dass er den Kläger nach Eintritt in den toten Winkel nicht mehr beobachten könne, wäre er in Anbetracht des Verhaltens des Klägers (Geradeausgehen ohne Blickkontakt) verhalten gewesen, bereits vor dessen Eintritt in den toten Sichtwinkel ein Warnzeichen abzugeben. In der Nichtabgabe eines Warnsignales sei ein Verschulden des Lokomotivführers zu erblicken, das der beklagten Partei zuzurechnen sei.

Unter einem anderen Gesichtspunkt sei hingegen das Unterlassen der Bahnsteigbezeichnungen durch die beklagte Partei zu sehen. Bei ergänzender Vertragsauslegung sei hier nicht davon auszugehen, dass es sich bei den entsprechenden Kennzeichnungsvorschriften laut den Zusatzbestimmungen zur Signal- und Betriebsvorschrift um eine Schutznorm zugunsten der Fahrgäste handle. Diese Vorschrift sei im konkreten Fall als bloße Ausgestaltungsvorschrift zu sehen. Durch bloßes Mitzählen der überschrittenen Gleise bzw Bahnsteige durch den Fahrgast könne am Bahnhof T***** eindeutig die jeweilige Bahnsteignummer ermittelt werden. Da in diesem Fall keine entsprechende Schutznorm vorliege und durch die Nichtbezeichnung der Bahnsteige auch keine nebenvertragliche Schutzpflicht verletzt worden sei, sei die unterlassene Bahnsteigbezeichnung der beklagten Partei nicht als Verschulden zuzurechnen. Selbst wenn man hier aber von einer Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht ausginge, wiege in diesem Zusammenhang das Verhalten des Klägers so viel schwerer, dass ein allfälliges Verschulden der beklagten Partei zu vernachlässigen wäre.

Wohl aber treffe hier die beklagte Partei eine Haftung nach dem EKHG. Auch Mängel in den Anlagen (hier: Bezeichnung der Bahnsteige) seien vom EKHG umfasst. Es sei daher zu fragen, ob der beklagten Partei der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen sei. Dies sei nicht der Fall, weil die erforderliche Kennzeichnung der Bahnsteige keine unzumutbare Anforderungen an die beklagte Partei stelle, zumal eine einfach durchzuführende Kennzeichnungsmöglichkeit tatsächlich bestanden habe. Ein besonders umsichtiger Eisenbahnunternehmer hätte die Vorschriften zur Bezeichnung der Bahnsteige eingehalten und daher Bahnsteigbezeichnungen auf den Bahnsteigkantenformsteinen angebracht.Wohl aber treffe hier die beklagte Partei eine Haftung nach dem EKHG. Auch Mängel in den Anlagen (hier: Bezeichnung der Bahnsteige) seien vom EKHG umfasst. Es sei daher zu fragen, ob der beklagten Partei der Entlastungsbeweis nach Paragraph 9, Absatz 2, EKHG gelungen sei. Dies sei nicht der Fall, weil die erforderliche Kennzeichnung der Bahnsteige keine unzumutbare Anforderungen an die beklagte Partei stelle, zumal eine einfach durchzuführende Kennzeichnungsmöglichkeit tatsächlich bestanden habe. Ein besonders umsichtiger Eisenbahnunternehmer hätte die Vorschriften zur Bezeichnung der Bahnsteige eingehalten und daher Bahnsteigbezeichnungen auf den Bahnsteigkantenformsteinen angebracht.

Allerdings sei das Mitverschulden des Klägers als gravierend zu bezeichnen, weil er beim Überschreiten der Gleise keinen Blick in Richtung des herannahenden Eilzuges gerichtet und zudem die Bahnsteige bzw Gleise nicht mitgezählt habe, obwohl dies durchaus möglich gewesen wäre. Davon ausgehend trete das Fehlverhalten auf Seite der beklagten Partei doch etwas in den Hintergrund. Auch wenn sich die beklagte Partei das Unterbleiben des Warnsignales als Verschulden zurechnen lassen müsse, sei dies keinesfalls so schwerwiegend wie jenes auf Seiten des Klägers. Dazu komme noch die die beklagte Partei treffende Gefährdungshaftung, welche aber nicht als sehr schwerwiegend anzusehen sei. Insgesamt erscheine daher eine Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers angemessen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass ausgesprochen werde, dass das Klagebegehren dem Grunde nach mit 3/4 zu Recht und mit 1/4 nicht zu Recht bestehe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil es zur Frage des Schutzzweckes der Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gibt, sie ist zum Teil auch berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die beklagte Partei treffe die Verpflichtung, die Anlagen, insbesondere auch die Bahnsteige, so zu kennzeichnen, dass Missverständnisse und Verwechslungen ausgeschlossen seien. Die sich aus dem Beförderungsvertrag ergebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten habe die beklagte Partei verletzt. Den ihr gemäß § 1298 ABGB obliegenden Beweis, dass sie kein Verschulden treffe, habe sie nicht erbracht. Beim § 5 der Zusatzbestimmungen zur Signal- und Betriebsvorschrift, wonach bei Bahnsteigen jede Bahnsteigkante gesondert zu bezeichnen sei, handle es sich um eine Schutznorm, deren Zweck darin bestehe, Gefährdungen von Fahrgästen durch ein-, aus- und durchfahrende Züge hintanzuhalten. Ganz besonders müsse dies auf Bahnhöfen gelten, auf denen es erforderlich sei, eine oder mehrere Gleisanlagen zum Erreichen eines Bahnsteiges zu überschreiten. Es sei nicht richtig, dass der Kläger durch bloßes Zählen der Bahnsteige den Unfall vermeiden hätte können, weil dies voraussetze, dass er den Vorplatz vor dem Bahnhofsgebäude als Bahnsteig erkennen hätte müssen, was aber nicht der Fall sei. Die Unterlassung der Bahnsteigkennzeichnung sei der beklagten Partei als Verschulden anzulasten. Demgegenüber sei das Verschulden des Klägers geringer zu bewerten. Der Kläger sei minderjährig, er sei nicht ortskundig, zum Unfallszeitpunkt habe Dunkelheit und leichter Schneefall geherrscht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheine die vom Erstgericht getroffene Verschuldensteilung der Sach- und Rechtslage entsprechend.Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die beklagte Partei treffe die Verpflichtung, die Anlagen, insbesondere auch die Bahnsteige, so zu kennzeichnen, dass Missverständnisse und Verwechslungen ausgeschlossen seien. Die sich aus dem Beförderungsvertrag ergebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten habe die beklagte Partei verletzt. Den ihr gemäß Paragraph 1298, ABGB obliegenden Beweis, dass sie kein Verschulden treffe, habe sie nicht erbracht. Beim Paragraph 5, der Zusatzbestimmungen zur Signal- und Betriebsvorschrift, wonach bei Bahnsteigen jede Bahnsteigkante gesondert zu bezeichnen sei, handle es sich um eine Schutznorm, deren Zweck darin bestehe, Gefährdungen von Fahrgästen durch ein-, aus- und durchfahrende Züge hintanzuhalten. Ganz besonders müsse dies auf Bahnhöfen gelten, auf denen es erforderlich sei, eine oder mehrere Gleisanlagen zum Erreichen eines Bahnsteiges zu überschreiten. Es sei nicht richtig, dass der Kläger durch bloßes Zählen der Bahnsteige den Unfall vermeiden hätte können, weil dies voraussetze, dass er den Vorplatz vor dem Bahnhofsgebäude als Bahnsteig erkennen hätte müssen, was aber nicht der Fall sei. Die Unterlassung der Bahnsteigkennzeichnung sei der beklagten Partei als Verschulden anzulasten. Demgegenüber sei das Verschulden des Klägers geringer zu bewerten. Der Kläger sei minderjährig, er sei nicht ortskundig, zum Unfallszeitpunkt habe Dunkelheit und leichter Schneefall geherrscht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheine die vom Erstgericht getroffene Verschuldensteilung der Sach- und Rechtslage entsprechend.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 1 Abs 3 der Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift (ZSB) der ÖBB darf Reisenden gegenüber nur die Bahnsteigbezeichnung verwendet werden; die Angabe von Gleisbezeichnungen ist nicht zulässig. Gemäß § 5 Abs 1 dieser Bestimmungen ist bei Bahnsteigen jede Bahnsteigkante gesondert zu bezeichnen. Durchgehende Bahnsteige sind vom Aufnahmsgebäude mit Nr 1 beginnend fortzulaufend zu nummerieren (Abs 3). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB; darunter ist nämlich nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt, zu verstehen (ZVR 1969/330; RIS-Justiz RS0027415). Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht handelt es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine bloße Ausgestaltungsvorschrift für Bahnhöfe. Zutreffend verweist vielmehr der Kläger in diesem Zusammenhang auf § 1 Abs 3 der zitierten Norm, wonach Reisenden gegenüber nur die Bahnsteigbezeichnung verwendet werden darf. Die Bestimmung des § 5 Abs 3 der Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift der ÖBB dient daher dazu, um in Verbindung mit den Lautsprecheranlagen den Reisenden in einer eindeutig definitierten Weise das Aufsuchen des richtigen Bahnsteiges zu ermöglichen. Sie dient aber nicht nur dazu, den Reisenden die Orientierung zu ermöglichen, sondern (jedenfalls dann wenn keine Unterführungen bestehen) auch dem Schutz der Reisenden vor herannahenden Zügen. Daraus folgt, dass der Kläger vom Schutzbereich der zitierten Norm erfasst ist.Gemäß Paragraph eins, Absatz 3, der Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift (ZSB) der ÖBB darf Reisenden gegenüber nur die Bahnsteigbezeichnung verwendet werden; die Angabe von Gleisbezeichnungen ist nicht zulässig. Gemäß Paragraph 5, Absatz eins, dieser Bestimmungen ist bei Bahnsteigen jede Bahnsteigkante gesondert zu bezeichnen. Durchgehende Bahnsteige sind vom Aufnahmsgebäude mit Nr 1 beginnend fortzulaufend zu nummerieren (Absatz 3,). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des Paragraph 1311, ABGB; darunter ist nämlich nicht nur ein Gesetz im formellen Sinn, sondern jede Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt, zu verstehen (ZVR 1969/330; RIS-Justiz RS0027415). Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht handelt es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine bloße Ausgestaltungsvorschrift für Bahnhöfe. Zutreffend verweist vielmehr der Kläger in diesem Zusammenhang auf Paragraph eins, Absatz 3, der zitierten Norm, wonach Reisenden gegenüber nur die Bahnsteigbezeichnung verwendet werden darf. Die Bestimmung des Paragraph 5, Absatz 3, der Zusatzbestimmungen zur Signal- und zur Betriebsvorschrift der ÖBB dient daher dazu, um in Verbindung mit den Lautsprecheranlagen den Reisenden in einer eindeutig definitierten Weise das Aufsuchen des richtigen Bahnsteiges zu ermöglichen. Sie dient aber nicht nur dazu, den Reisenden die Orientierung zu ermöglichen, sondern (jedenfalls dann wenn keine Unterführungen bestehen) auch dem Schutz der Reisenden vor herannahenden Zügen. Daraus folgt, dass der Kläger vom Schutzbereich der zitierten Norm erfasst ist.

Der beklagten Partei ist daher nicht nur anzulasten, dass der Lokomotivführer nicht rechtzeitig ein Warnsignal abgab, sondern auch, dass die Bahnsteige nicht entsprechend der zitierten Norm gekennzeichnet waren. Dass sich der Unfall mit den gleichen Folgen auch ereignet hätte, wenn die beklagte Partei ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachgekommen wäre, wurde nicht festgestellt.

Dies hat zur Folge, dass das Verschulden der Streitteile neu zu gewichten ist. Nach Ansicht des erkennenden Senates hat dies im Verhältnis 1 : 1 zu erfolgen, weil auch den Kläger eine erhebliche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten ist, weil er ohne zu Schauen die Gleise überschritt, was immer mit einer gewissen Gefahr verbunden ist. Diese Gefahr musste auch dem zum Zeitpunkt des Unfalls 15 1/2 jährigen Kläger offenkundig sein.

Es war daher der Revision des Klägers teilweise stattzugeben und entgegen der Ansicht der Vorinstanzen eine Teilung im Verhältnis 1 : 1 aufzusprechen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E64581

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00310.01D.0128.000

Im RIS seit

27.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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