Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Richard P*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ***** M***** GmbH wider die beklagte Partei Dr. Michael N*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wegen EUR 18.168,21 samt Nebengebühren (Revisionsinteresse EUR 17.259,80) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Juli 2001, GZ 1 R 92/01s-23, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Februar 2001, GZ 14 Cg 138/00i-18, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als das Klagebegehren abgewiesen wurde. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Gesellschafter der nunmehrigen Gemeinschuldnerin waren bei ihrer Gründung der Beklagte (zu 5 %) und Peter M***** (zu 95 %), der auch zum Geschäftsführer bestellt wurde. Die Stammeinlage war von den beiden Gesellschaftern ursprünglich je zur Hälfte eingezahlt worden. Am 15. 10. 1992 leistete Peter M***** eine Bareinzahlung in Höhe von S 650.000 auf ein bei der Raiffeisenkasse Bad Fischau/Brunn geführtes Bankkonto der nunmehrigen Gemeinschuldnerin. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt erwarb der Beklagte auch die Geschäftsanteile von Peter M*****. Am 22. 9. 1999 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Der Kläger begehrte - abgesehen von einem bereits rechtskräftig zuerkannten Betrag von S 12.500 - vom Beklagten die Zahlung von S 237.500 samt Zinsen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass sein Rechtsvorgänger Peter M***** den zweiten Teil seiner übernommenen Stammeinlage bisher nicht gezahlt habe. Nach dem für 1992 erstellten Jahresabschluss der Gesellschaft sei die ausstehende Einlage am 31. 12. 1991 mit Forderungen des Gesellschafters verrechnet worden. Eine solche Verrechnung sei jedoch nicht zulässig gewesen, weil die Gemeinschuldnerin schon damals überschuldet gewesen sei. Die Zahlung von S 650.000 sei auch nicht für das Stammkapital gewidmet worden; sie sei auch zur Gänze auf dem Gesellschafterverrechnungskonto verbucht worden. Peter M***** habe mit seiner Zahlung eine Schuld bei der Raiffeisenkasse Bad Fischau teilweise abgetragen, für die er selbst persönlich gehaftet habe. Das Geld sei außerdem nie in die freie Verfügung der Geschäftsführer gelangt.
Der Beklagte wendete dagegen ein, Peter M***** habe seine offene Stammeinlage nicht durch Aufrechnung, sondern durch Bareinzahlung geleistet. Der Geldbetrag habe sich zur freien Verfügung des Geschäftsführers befunden, zumal eine Rahmenvereinbarung mit der Raiffeisenkasse Bad Fischau getroffen worden sei, wonach der formal vorgesehene Rahmen von S 800.000 um S 2 Mio überzogen werden könne. Die Gesellschaft sei im Jahr 1992 auch weder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen. Vor der Einzahlung hätten sich die beiden Gesellschafter darauf geeinigt, dass die aus dem Privatvermögen von Peter M***** zu leistende Zahlung vorab mit der offenen Stammeinlage zu verrechnen sei; der Restbetrag habe auf seinem Gesellschafterkonto gutgeschrieben werden sollen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, im Laufe des Jahres 1992 sei zwischen dem Beklagten und Peter M***** vereinbart worden, dass von dessen Seite zusätzliches Kapital komme, sodass die Stammeinlage zur Gänze eingezahlt sei. Um der Gesellschaft zusätzliche Mittel und zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, habe Peter M***** aus seinem Privatvermögen einen Oldtimer verkauft und den Verkaufserlös von S 650.000 auf das erwähnte Bankkonto der Gesellschaft zur Einzahlung gebracht; ein Verwendungszweck sei auf dem Einzahlungsbeleg nicht vermerkt worden. Der Betrag von S 650.000 sei auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto des Peter M***** erfasst und in der Folge im Ausmaß von S 237.500 auf die ausstehende Einlage umgebucht worden. Im Jahresabschluss 1992 sei unter anderem festgehalten, dass die zum 31. 12. 1991 ausstehenden Einlagen mit Forderungen der Gesellschafter verrechnet worden seien. Im Firmenbuch sei die vollständige Einzahlung des Stammkapitals niemals eingetragen worden.
Rechtlich meinte das Erstgericht, die schuldbefreiende Wirkung von Einzahlungen auf das Stammkapital trete ohne Rücksicht auf die Anmeldung zum Firmenbuch ein. Jener Teil der Einzahlung des Gesellschafters Peter M***** (S 237.500), der als Stammeinlage aus dem Privatvermögen geleistet und auch gebucht worden sei, sei daher als schuldbefreiend geleistete Stammeinlagenzahlung anzusehen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach herrschender Judikatur könne eine Stammeinlagenzahlung nicht nur bar, sondern auch unbar durch Überweisung auf ein Bankkonto der Gesellschaft erfolgen. Die Gesellschaft könne auch gegen unbedenkliche, fällige und vollwertige Forderungen des Gesellschafters mit ihrer Forderung auf Einlagenzahlung einseitig aufrechnen, einen Aufrechnungsvertrag mit dem Gesellschafter schließen oder dem Einlagenschuldner die Anweisung auf Zahlung an einen dritten Gesellschaftsgläubiger erteilen. In diesen Fällen werde aber die Verbindlichkeit auf Einzahlung der (weiteren) Stammeinlage nur insoweit getilgt, als das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zu diesem Zeitpunkt ausreiche, die Gesellschaft also nicht überschuldet oder zahlungsunfähig sei. Hier stelle sich die "Verrechnungsproblematik" aber gar nicht, weil ein die Stammeinlagenschuld übersteigender Betrag vom Mehrheitsgesellschafter und alleinigen Geschäftsführer bar eingezahlt worden sei, sodass auch die Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens zur Frage der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht erforderlich gewesen sei. Auch durch eine ungewidmete, die einzige bestehende Schuld betragsmäßig übersteigende, Zahlung werde grundsätzlich die offene Schuld getilgt, weil eine Zahlung im Zweifel als Tilgung der einzigen bestehenden Schuld und nicht als Schenkung oder Begründung einer neuen Darlehensforderung gewertet werden könne. Es sei daher auch unerheblich, ob eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den beiden Gesellschaftern bestanden habe, dass ein Teilbetrag von S 237.500 auf die noch aushaftende Stammeinlage anzurechnen sei (die diesbezügliche Feststellung hatte der Kläger in seiner Berufung bekämpft). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung könne auch die Einzahlung aushaftender Stammeinlagen auf ein überschuldetes Bankkonto der Gesellschaft schuldbefreiend wirken. Maßgeblich sei, ob der überwiesene Betrag der Gesellschaft zur freien Verfügung gestanden sei. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn die Gesellschaft - etwa wegen Rückführung des bisher eingeräumten Kreditrahmens auf den neuen Saldo - keine Möglichkeit habe, über die überwiesenen Mittel zu verfügen. Wäre daher der Einzahler nur Gesellschafter gewesen, dann wäre sehr wohl zu prüfen, ob die Gesellschaft wegen eines bereits überzogenen Kreditrahmens keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, über die einbezahlten Mittel zu verfügen. Diese ergänzenden Sachverhaltsermittlungen seien aber entbehrlich, weil der einzahlende Gesellschafter gleichzeitig allein vertretungsbefugter Geschäftsführer war und ihm in dieser Eigenschaft die Barmittel zur freien Verfügung gestanden seien. Es sei ihm als Geschäftsführer unbenommen geblieben, mit diesem Bargeldbetrag entweder den überzogenen, möglicherweise fälligen Debetsaldo am Geschäftskonto teilweise abzudecken oder eine andere Gesellschaftsschuld zu tilgen.
Die Revision ist zulässig; sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
In der Sache vertritt das Berufungsgericht die Rechtsansicht, dass die Einzahlung auf das (erheblich im Debet befindliche) Bankkonto der Gesellschaft - zumindest auch - als Zahlung des Geschäftsführers für die GmbH angesehen werden könne, weil der zahlungspflichtige Gesellschafter zugleich Geschäftsführer war. Bereits davor müsse somit eine Leistung des Gesellschafters an den (für die GmbH agierenden) Geschäftsführer stattgefunden haben, mit dem der Bargeldbetrag in die Verfügungsmacht des Geschäftsführers gelangt sei, der dann frei habe disponieren können, für welche Gesellschaftszwecke er ihn einsetzt.
Dieser Ansicht kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Im vorliegenden Fall hat Peter M***** eine Bareinzahlung auf das unter der Bezeichnung "***** M***** GesmbH" geführte Bankkonto vorgenommen, wobei in den Einzahlungsbeleg - wenn auch nicht in der für die Bezeichnung des Einzahlers vorgesehenen Rubrik - die Angabe "M*****P" aufgenommen wurde. Ein Hinweis, Peter M***** habe bei der Einzahlung offengelegt, dass er diese namens der Gesellschaft bzw als deren Geschäftsführer vornehme, fehlt; Derartiges wird auch vom Beklagten gar nicht behauptet. In seiner Revisionsbeantwortung führt er vielmehr aus, der Geschäftsführer Peter M*****, der auch Gesellschafter war, habe seine eigene Stammeinlagenschuld getilgt und hierbei eine Zahlung auf ein (negatives) Darlehenskonto der Gesellschaft getätigt. Entgegen seiner Rechtsansicht ist damit die Offenlegung eines Handelns im Namen der GmbH nicht verbunden; schon in bloßen Zweifelsfällen ist von Handeln in eigenem Namen auszugehen (s dazu neu Koziol/Welser11 I, 177 f).
Gerade bei der Erfüllung einer reinen Gesellschafterpflicht - wie der Verpflichtung zur Zahlung der offenen Stammeinlage - kann auch nicht argumentiert werden, der Geschäftsverkehr müsse sich darauf verlassen können, dass ein Geschäftsführer "natürlich immer im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit" für die Gesellschaft handle. Hätte Peter M***** die Überweisung auf das Bankkonto der Gesellschaft von einem Privatkonto veranlasst, wäre ganz evident, dass die Zahlung eine Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft bedeuten soll. Gleiches muss aber für die hier gewählte Form der Zahlung gelten, die ohne Hinweis darauf erfolgt ist, dass Peter M***** dabei "als Geschäftsführer" und damit für die Gesellschaft auftreten wolle. Gerade wenn - entsprechend den Prozessbehauptungen des Beklagten - schon vor der Zahlung zwischen den beiden Gesellschaftern Einigkeit darüber geherrscht hat, dass Peter M***** aus seinem Privatvermögen eine Einzahlung leisten werde, die auf die offene Stammeinlage zu verrechnen sei, besteht kein Anlass, den festgestellten Zahlungsvorgang - gleichsam als Insichgeschäft - dahin zu interpretieren, dass der Gesellschafter Barzahlung an sich als Vertreter der Gesellschaft geleistet und diese in der Folge den Geldbetrag zur teilweisen Abdeckung ihrer Bankverbindlichkeiten verwendet habe. Vielmehr liegt darin eine unmittelbare Zahlung des Gesellschafters auf das Bankkonto der Gesellschaft. Anders liegt der vom Berufungsgericht als vergleichbar angesehene, zu 4 Ob 555/89 (= WBl 1989, 340) entschiedene Fall. Dort bestand keine Identität zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer, dem ein Scheck übergeben worden war, über dessen Erlös er tatsächlich frei verfügen konnte.
Ganz zutreffend hat das Berufungsgericht die Rechtslage für den Fall einer Zahlung der noch offenen Stammeinlage auf ein Bankkonto der Gesellschaft, das sich zum Zahlungszeitpunkt mit einem die eingezahlte Summe ganz erheblich übersteigenden Betrag im Debet befindet, dargelegt. Es genügt daher, auf die Darstellung der aktuellen Judikatur in der Berufungsentscheidung zu verweisen, die etwa auch von Koppensteiner (GmbH-Gesetz, Rz 19 ff zu § 63) wiedergegeben wird (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ob der zur Tilgung der Stammeinlage eingezahlte Betrag von S 237.500 der Gesellschaft zur freien Verfügung stand, hängt vor allem davon ab, ob die teilweise Tilgung der Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft die Möglichkeit verschaffte, den Kredit (neuerlich) in entsprechender Höhe auszunutzen (idS auch 6 Ob 61/98h).
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren im Rahmen der dazu erstatteten Prozessbehauptungen Feststellungen zu treffen haben. Sollte sich daraus ergeben, dass die Zahlung auf das Bankkonto der Gesellschaft im Ausmaß der offenen Stammeinlage lediglich der Tilgung von Kreditverbindlichkeiten diente, ohne der Gesellschaft (zugleich) eine Verfügung darüber zu ermöglichen, wird im Sinne der Anträge des Klägers die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt zu ermitteln sein. Sollte sich ergeben, dass die Gesellschaft danach nicht in der Lage war, alle Gläubiger zu befriedigen, läge keine vollwertige Leistung des Gesellschafters vor (SZ 40/168; Koppensteiner, aaO Rz 19 f).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E64476European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00258.01Z.0129.000Im RIS seit
28.02.2002Zuletzt aktualisiert am
24.02.2011