Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2002 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Salih K***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 10 U 184/00s des Bezirksgerichtes Bludenz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss vom 9. November 2000 (ON 10) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 9. November 2000, GZ 10 U 184/00s-10, womit der Antrag des Beschuldigten auf Gewährung der Verfahrenshilfe als verspätet zurückgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs 5 StPO.
Dieser Beschluss und das nach Duchführung der Berufungsverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers ergangene Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 21. Feber 2001, AZ Bl 197/00, werden aufgehoben, und es wird dem Bezirksgericht Bludenz aufgetragen, neuerlich über den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu entscheiden und den Akt sodann zur Durchführung des Berufungsverfahrens dem Landesgericht Feldkirch vorzulegen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 7. September 2000, GZ 10 U 184/00s-6, wurde Salih K***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Gleichzeitig erfolgte gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der bedingten Nachsicht von Sanktionen aus zwei Vorverurteilungen.Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 7. September 2000, GZ 10 U 184/00s-6, wurde Salih K***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Gleichzeitig erfolgte gemäß § 494a Absatz eins &, #, 160 ;, Z, &, #, 160 ;, 4 &, #, 160 ;, S, t, P, O, der Widerruf der bedingten Nachsicht von Sanktionen aus zwei Vorverurteilungen.
Unmittelbar nach Urteilsverkündung meldete Salih K***** "volle Berufung" an (S 41). Nach Zustellung der Urteilsausfertigung am 6. Oktober 2000 (RS bei S 54) langte am 7. November 2000 ein mit 6. November 2000 datierter, offensichtlich persönlich überreichter Antrag des Beschuldigten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein (ON 9), in dem er ersuchte, ihm "in der Rechtssache K***** Salih wegen § 83 StGB, Berufung" die Verfahrenshilfe im vollen Umfang zu bewilligen. Diesen Antrag wies das Bezirksgericht Bludenz mit Beschluss vom 9. November 2000, GZ 10 U 184/00s-10, unter Hinweis auf die am 6. November 2000 abgelaufene Frist zur schriftlichen Ausführung des angemeldeten Rechtsmittels als verspätet zurück. Der Beschluss wurde Salih K***** am 30. November 2000 zugestellt (RS bei S 66) und von ihm nicht bekämpft.
Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung in Abwesenheit des anwaltlich nicht vertretenen Angeklagten vor dem Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht (ON 12) wurde mit Urteil vom 21. Feber 2001, AZ Bl 197/00 (ON 13), auf dessen Berufung wegen Nichtigkeit keine Rücksicht genommen, die Berufung wegen Schuld als unbegründet zurückgewiesen und der Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe sowie der gemäß § 498 Abs 3 StPO implizierten Beschwerde jeweils teilweise Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 9. November 2000, GZ 10 U 184/00s-10, steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Salih K***** begehrte die bis zur rechtskräftigen Verfahrensbeendigung ohne Bindung an Fristen mögliche Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht alleine für die schriftliche Berufungsausführung, sondern "im vollen Umfang", also uneingeschränkt für das weitere, damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren. Der in seinem Antrag enthaltene Hinweis auf die "Berufung" ist nicht als Einschränkung der beantragten Verteidigerbeigebung auf bestimmte Prozesshandlungen zu sehen.
§ 41 Abs 2 StPO normiert, dass die Beigebung eines Verteidigers über Antrag für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über ein Rechtsmittel (Z 5) jedenfalls erforderlich und ein Verfahrenshilfeverteidiger - dessen Bestellung für das gesamte weitere Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss gilt (§ 41 Abs 5 StPO) - für den Fall beizugeben ist, dass der Beschuldigte (Angeklagte, Betroffene) außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen. Die Zurückweisung des Antrages auf Gewährung von Verfahrenshilfe als allein wegen Ablaufes der Frist zur schriftlichen Berufungsausführung verspätet verstößt - weil das Verfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war - zum Nachteil des Salih K***** gegen § 41 Abs 5 StPO.
Diese Gesetzesverletzung war festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO waren der Zurückweisungsbeschluss und das nach - wenngleich auf Grund rechtskräftigen Beschlusses erfolgter, somit nicht gesetzeswidriger - Durchführung der Berufungsverhandlung ohne Beiziehung eines Verteidigers ergangene Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben.
Textnummer
E64755European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0140OS00173.01.0129.000Im RIS seit
28.02.2002Zuletzt aktualisiert am
07.10.2010