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L50003 Pflichtschule allgemeinbildend Niederösterreich;Norm
B-VG Art151 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Gemeinde St. Peter am Hart, vertreten durch Dr. Manfred Lirk und DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in 5280 Braunau, Stadtplatz 50/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Jänner 2005, Zl. K4-A-315/158, betreffend Schulumlage (mitbeteiligte Partei: Sonderschulgemeinde Haag, vertreten durch Dr. Johannes Riedl, Dr. Gerold Ludwig und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in 3350 Haag, Höllriglstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Sonderschulgemeinde Haag vom 22. Oktober 2003 wurde für das Haushaltsjahr 2004 der beschwerdeführenden Gemeinde eine Schulumlage in Höhe von EUR 2,651,-- vorgeschrieben.
Die beschwerdeführende Gemeinde erhob Berufung und brachte vor, der Schüler P. sei am 2. Februar 2003 den (in St. Peter am Hart wohnenden) Pflegeeltern von der Jugendwohlfahrt abgenommen und in ein Heim in der Nähe von Haag gebracht worden. Seit diesem Zeitpunkt habe P. zu St. Peter am Hart keinen Bezugspunkt mehr; eine Rückkehr zu den Pflegeeltern sei nicht möglich. Seit 20. Oktober 2003 sei P. laut Melderegister in Braunau am Inn gemeldet. Warum die Abmeldung des P. in St. Peter am Hart von der Jugendwohlfahrt unterlassen worden sei, sei nicht bekannt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 16. März 2004 wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, P. sei laut Auskunft des Zentralen Melderegisters bis 19. Oktober 2003 in St. Peter am Hart gemeldet gewesen und seit 20. Oktober 2003 "mit ordentlichem Wohnsitz" in Braunau am Inn. Zum Schulbeginn am 1. September 2003 sei St. Peter am Hart der Hauptwohnsitz des P. gewesen, sodass die beschwerdeführende Gemeinde gemäß § 53 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz einen Schulerhaltungsbeitrag zu leisten habe.
Die beschwerdeführende Partei erhob neuerlich Berufung und brachte vor, P. sei den Pflegeeltern in St. Peter am Hart "weggenommen" worden; das Kind dürfe den Wohnsitz der Pflegeeltern nicht mehr aufsuchen. Ungeachtet der unterbliebenen Abmeldung sei die beschwerdeführende Gemeinde vom Februar 2003 bis 20. Oktober 2003 kein Aufenthaltsort des P. gewesen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Jänner 2005 wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, es sei unbestritten, dass P. am 2. Februar 2003 von der Jugendwohlfahrtsbehörde in ein Heim in der Nähe von Haag eingewiesen worden sei. P. wohne daher auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel der Sonderschule Haag. Sein Hauptwohnsitz sei mit Schulbeginn des Schuljahres 2003/2004 in St. Peter am Hart gewesen. Zur Behauptung der beschwerdeführenden Partei, die Abmeldung in St. Peter am Hart sei unrichtigerweise unterblieben, sei zu bemerken, dass § 53 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz gerade den vorliegenden Fall regle. Es solle nicht die Gemeinde, in der sich zufällig ein Heim der Jugendwohlfahrt befinde, die gesamte Last der Schulerhaltung auch für jene Schüler übernehmen müssen, die aus anderen Gemeinden kämen und unter Umständen auch nur für einige Zeit in der Einrichtung der Jugendwohlfahrt wohnten. Der Fall, dass die Gemeinde des Hauptwohnsitzes des Schülers nicht festgestellt werden könne, liege nicht vor, weil die Gemeinde des Hauptwohnsitzes mit St. Peter am Hart eindeutig feststehe. Dass die Abmeldung des P. nur irrtümlich unterlassen worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Sehe man die Bestimmungen des NÖ Pflichtschulgesetzes in ihrem Zusammenhang, so sei vielmehr davon auszugehen, dass die Meldung in St. Peter am Hart zu Recht weiter bestehen geblieben sei. Maßnahmen der Jugendwohlfahrt seien nämlich "naturgemäß regelmäßig vorübergehend".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattet ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 48 Abs. 1 NÖ Pflichtschulgesetz, LGBl. 5000-16, hat der Bürgermeister der Schulsitzgemeinde - der Obmann der Schulgemeinde jedoch nach Anhörung des Schulausschusses - bis 20. Oktober den Vorschlag über den Schulaufwand des kommenden Kalenderjahres zu erstellen, die auf die beteiligten Gemeinden entfallenden Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen zu ermitteln und bis 1. November den beteiligten Gemeinden mit Bescheid den Voranschlag bekannt zu geben sowie die Schulerhaltungsbeiträge und Schulumlagen vorzuschreiben.
Gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der in den ordentlichen Voranschlag aufgenommene Schulaufwand, sofern ein Übereinkommen nicht angestrebt wird oder nicht zu Stande kommt, für das jeweils folgende Kalenderjahr im Verhältnis der Anzahl der zum Schulbeginn eingeschriebenen Schüler zur Anzahl der aus der beteiligten Gemeinde stammenden Schüler vorläufig aufzuteilen. Anlässlich der Erstellung des Rechnungsabschlusses (§ 48 Abs. 3) ist er endgültig nach dem Verhältnis der zum 1. Jänner eingeschriebenen Schüler aufzuteilen.
Gemäß § 53 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung des Art. 151 Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde des Hauptwohnsitzes für Schüler, die nur zum Zweck des Schulbesuches oder auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt im Schulsprengel wohnen und deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, den Schulerhaltungsbeitrag zu leisten.
Ist eine nach Abs. 1 verpflichtete Gemeinde nicht festzustellen, so kann gemäß § 53 Abs. 2 leg. cit. das Land den Schulerhaltungsbeitrag leisten.
Die beschwerdeführende Partei wendet gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme, P. habe zu Beginn des Schuljahres 2003/2004 seinen Hauptwohnsitz in St. Peter am Hart gehabt, im Wesentlichen ein, die Meldung nach dem Meldegesetz 1991 sei für die Annahme eines Hauptwohnsitzes kein entscheidender Gesichtspunkt. Entscheidend sei vielmehr, dass P. bereits am 2. Februar 2003 den Pflegeeltern in St. Peter am Hart abgenommen worden sei. Anlässlich seiner Einweisung in ein Heim sei von der Jugendwohlfahrtsbehörde ausdrücklich verfügt worden, dass er nicht mehr zu den Pflegeeltern zurückkehren dürfe. Da somit keine Rückkehrmöglichkeit bestanden habe, könne ungeachtet der bis 19. Oktober 2003 unterbliebenen Abmeldung nicht davon ausgegangen werden, dass P. hier seinen Hauptwohnsitz gehabt habe.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2004, Zl. 2001/10/0209 und die dort zitierte Vorjudikatur), ist die Meldung nach dem Meldegesetz 1991 in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung. Es kann daher die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz alleine gegründet, noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort widerlegt werden. Maßgebend ist vielmehr der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person.
Im Falle der Aufnahme eines Jugendlichen in eine nach Jugendwohlfahrtsvorschriften errichtete Einrichtung hängt es, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis unter Hinweis auf Vorjudikatur weiter ausgeführt hat, von Ausmaß und Intensität der sozialen Beziehungen des Jugendlichen zum "Herkunftsort" (z.B. Aufenthalt bzw. Wohnsitz des bzw. der Erziehungsberechtigten, aufrechtes Bestehen der Erziehungsberechtigung, Ausmaß der Kontakte zwischen dem Jugendlichen und dem (den) Erziehungsberechtigten) ab, ob der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Jugendlichen an diesem Ort verbleibt.
Demgegenüber ist die belangte Behörde der Auffassung, es könne die Annahme, P. habe zu Beginn des Schuljahres 2003/2004 ungeachtet der am 2. Februar 2003 erfolgten Heimeinweisung seinen Hauptwohnsitz bei den früheren Pflegeeltern in St. Peter am Hart gehabt, alleine auf den Umstand gestützt werden, dass P. hier (mit Hauptwohnsitz) gemeldet war. Sie hat daher die nach den obigen Darlegungen erforderlichen Feststellungen für eine Heranziehung der beschwerdeführenden Partei als Gemeinde des Hauptwohnsitzes des P. in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Von der Verpflichtung zur Vornahme entsprechender Feststellungen war die belangte Behörde auch durch den Hinweis auf die (nur) vorübergehende Dauer von Jugendwohlfahrtsmaßnahmen nicht befreit.
Der aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Das die Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die beschwerdeführende Partei als Gebietskörperschaft gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 VwGG von der Entrichtung dieser Gebühr befreit ist; sie hat diese Gebühr auch nicht
entrichtet. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 26. Februar 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005100051.X00Im RIS seit
04.04.2007