Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes Zahrl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues, 8010 Graz, Lessingstraße 20, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kriegsgefangenenentschädigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. August 2001, GZ 7 Rs 167/01k-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Juni 2001, GZ 32 Cgs 196/01i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof den Antrag,Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Artikel 89, Absatz 2, B-VG (Artikel 140, Absatz eins, B-VG) beim Verfassungsgerichtshof den Antrag,
im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, Art 70 (Bundesgesetz, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird [Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz]), in § 1 Z 1 die nachstehende Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben:im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl römisch eins 2000/142, Artikel 70, (Bundesgesetz, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird [Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz]), in Paragraph eins, Ziffer eins, die nachstehende Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben:
"mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens)".
Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß Paragraph 62, Absatz 3, VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung:
Der am 19. 2. 1926 geborene Kläger, der österreichischer Staatsbürger ist und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Österreich hat, befand sich vom 9. 5. 1945 bis 12. 2. 1946 in englischer Kriegsgefangenschaft.
Mit Bescheid vom 27. 4. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 16. 1. 2001 auf Gewährung der Kriegsgefangenenentschädigung mit der Begründung ab, der Kläger habe sich in englischer Kriegsgefangenschaft und nicht in der Gefangenschaft eines mittelost- oder osteuropäischen Staates befunden, weshalb er nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz keinen Anspruch auf Leistung habe.
Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene, auf die Gewährung der beantragten Leistung gerichtete Klagebegehren unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken unter Hinweis darauf, dass es dem Gesetzgeber freistehen müsse, bei Festlegung von Rechtsfolgen zwischen Fallgruppen zu differenzieren, wenn sich im Tatsächlichen ein Anlass für die Differenzierung biete, wenn also der Anlass der Differenzierung der Realität entspreche. Das Defizit zumindest an rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeiten über die Kriegsgefangenenbehandlung durch die in § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz taxativ aufgezählten Staaten sei für sich allein ein Faktum, das historisch zutreffe. Der in der Regierungsvorlage (311 BlgNR XXI. GP, 240) angeführte Umstand, dass diejenigen Personen, die in die Kriegsgefangenschaft osteuropäischer Staaten geraten seien, körperlichen und seelischen Qualen weit über das normale Maß hinaus ausgesetzt gewesen seien, biete genügend Grund dafür, die Gefangenen in westlicher Kriegsgefangenschaft nicht zu bedenken.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken unter Hinweis darauf, dass es dem Gesetzgeber freistehen müsse, bei Festlegung von Rechtsfolgen zwischen Fallgruppen zu differenzieren, wenn sich im Tatsächlichen ein Anlass für die Differenzierung biete, wenn also der Anlass der Differenzierung der Realität entspreche. Das Defizit zumindest an rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeiten über die Kriegsgefangenenbehandlung durch die in Paragraph eins, Ziffer eins, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz taxativ aufgezählten Staaten sei für sich allein ein Faktum, das historisch zutreffe. Der in der Regierungsvorlage (311 BlgNR römisch XXI. GP, 240) angeführte Umstand, dass diejenigen Personen, die in die Kriegsgefangenschaft osteuropäischer Staaten geraten seien, körperlichen und seelischen Qualen weit über das normale Maß hinaus ausgesetzt gewesen seien, biete genügend Grund dafür, die Gefangenen in westlicher Kriegsgefangenschaft nicht zu bedenken.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. In der Revision macht der Kläger geltend, die die unsachliche Differenzierung rechtfertigenden Annahmen des Berufungsgerichtes entbehrten jeglicher Realität.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat dazu erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass das Oberlandesgericht Innsbruck am 25. 9. 2001 zu 25 Rs 82/01x und 25 Rs 93/01i bereits Anträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt hat, die im Spruch genannte Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Gesetzesprüfungsverfahren sind beim Verfassungsgerichtshof zu den Geschäftszahlen G 308/01 und G 312/01 anhängig.
Auch der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, dass Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, BGBl I 2000/142, Art 70, bestehen, und zwar im Hinblick auf den in Art 7 Abs 1 B-VG, Art 2 StGG verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatz. Der Oberste Gerichtshof hat daher in den Verfahren 10 ObS 378/01p, 10 ObS 400/01y und 10 ObS 427/01v bereits entsprechende Gesetzesprüfungsanträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt und diese wie folgt begründet:Auch der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, dass Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Paragraph eins, Ziffer eins, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, BGBl römisch eins 2000/142, Artikel 70,, bestehen, und zwar im Hinblick auf den in Artikel 7, Absatz eins, B-VG, Artikel 2, StGG verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatz. Der Oberste Gerichtshof hat daher in den Verfahren 10 ObS 378/01p, 10 ObS 400/01y und 10 ObS 427/01v bereits entsprechende Gesetzesprüfungsanträge an den Verfassungsgerichtshof gestellt und diese wie folgt begründet:
In § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz wird der anspruchsberechtigte Personenkreis folgendermaßen definiert:In Paragraph eins, Ziffer eins, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz wird der anspruchsberechtigte Personenkreis folgendermaßen definiert:
"Österreichische Staatsbürger, die
1. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens) gerieten, oder
Anmerkung
E64620 10ObS396.01kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00396.01K.0129.000Dokumentnummer
JJT_20020129_OGH0002_010OBS00396_01K0000_000