Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des JB in F, vertreten durch CB, diese vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 8. September 2003, Zl. A3-300/6-2003, betreffend Berechtigung zum Aufsteigen in die 2. Klasse der öffentlichen Hauptschule, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Für den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bezirksschulrates Vöcklabruck vom 23. Dezember 1998 der sonderpädagogische Förderbedarf für die Unterrichtsgegenstände Deutsch und Mathematik festgestellt. Mit Bescheid des Bezirksschulrates Vöcklabruck vom 2. Jänner 2003 wurde dieser sonderpädagogische Förderbedarf weiterhin festgestellt und über die Gegenstände Deutsch und Mathematik hinaus auch auf die Gegenstände Englisch, Geographie/Wirtschaftskunde und Biologie/Umweltkunde erweitert. In diesen Unterrichtsgegenständen wurde der Beschwerdeführer daher nach dem Lehrplan der allgemeinen Sonderschule unterrichtet.
Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2002/2003 die
1. Klasse der Hauptschule F. Mit Schreiben der Klassenkonferenz der 1 A-Klasse dieser Hauptschule vom 23. Juni 2003 wurde der Mutter des Beschwerdeführers die Entscheidung der Klassenkonferenz mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 SchUG zum Aufsteigen in die 2. Klasse nicht berechtigt sei. In dieser Mitteilung wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in den Pflichtgegenständen Deutsch und Mathematik die Note "Nicht genügend" erhalten und somit die Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe.
Dagegen wurde fristgerecht am 26. Juni 2003 Berufung eingebracht.
Mit Schreiben des Bezirksschulrates Vöcklabruck vom 2. Juli 2003 wurde das Verfahren gemäß § 71 Abs. 4 SchUG unterbrochen und eine kommissionelle Prüfung des Beschwerdeführers in den Gegenständen Deutsch und Mathematik angeordnet.
Mit Schreiben der Mutter des Beschwerdeführers vom 4. Juli 2003 an den Bezirksschulrat Vöcklabruck wurde die Unzulässigkeit einer kommissionellen Prüfung mit der Begründung geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer die Pflichtgegenstände Mathematik und Deutsch positiv bewältigt habe und dies durch seine Unterrichtshefte dokumentiert sei. Weiters teilte die Mutter des Beschwerdeführers dem Bezirksschulrat mit, dass sie bzw. ihr Sohn auf Grund unaufschiebbarer Verpflichtungen den so kurzfristig anberaumten Termin zur kommissionellen Prüfung am 7. Juli 2003 nicht wahrnehmen könne. Der Beschwerdeführer trat zu den kommissionellen Prüfungen am 7. Juli 2003 nicht an.
Mit Bescheid des Bezirksschulrates Vöcklabruck vom 8. Juli 2003 wurde die Berufung gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz der 1 A-Klasse vom 23. Juni 2003 abgewiesen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Aufsteigen in die
2. Klasse nicht berechtigt sei.
Gegen diesen Bescheid wurde ebenfalls Berufung erhoben und darin u.a. ausgeführt, dass das Vorgehen im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer ein "Integrationskind mit ASO-Lehrplan" sei, rechtswidrig sei. Es wurde neuerlich ausgeführt, dass die Schulleistungen des Beschwerdeführers in den gegenständlichen Pflichtgegenständen nachweislich positiv gewesen und die negativen Beurteilungen daher unberechtigt und unrichtig seien. Unter Punkt 3. der abschließenden Anträge wurde der Antrag gestellt, dem Wunsch der Eltern zu entsprechen "und das Kind in die nächste Schulstufe aufsteigen zu lassen, da es als Integrationskind mit ASO-Lehrplan diesen Lehrplan nicht bewältigen muss".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 25 Abs. 1 sowie § 71 Abs. 4 und 6 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 idgF, ab.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Sachverhalts und des Verwaltungsgeschehens aus, die Schulbehörde habe gemäß § 71 Abs. 4 SchUG, insoweit sich die Berufung auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit "Nicht genügend" stütze, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, dass eine auf "Nicht genügend" lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichten, sei das Verfahren zu unterbrechen und der Beschwerdeführer zu einer kommissionellen Prüfung zuzulassen. Da der Beschwerdeführer nicht zur kommissionellen Prüfung angetreten sei, sei er damit seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren nicht nachgekommen und habe somit bewirkt, dass eine allfällige Änderung der Jahresbeurteilung nicht stattfinde und diese mit "Nicht genügend" zu verbleiben habe. Die Berufung sei somit abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 25 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 78/2001, lautete auszugsweise:
"Aufsteigen
§ 25. (1) Ein Schüler ist zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note 'Nicht genügend' enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note 'Nicht genügend' enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit 'Befriedigend' beurteilt wurde.
(2) Ein Schüler ist ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note 'Nicht genügend' enthält, aber
a) ...
...
(5a) Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen sind berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen, wenn dies für den Schüler insgesamt eine bessere Entwicklungsmöglichkeit bietet; hierüber hat die Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 zu entscheiden."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe schon auf Grund des Umstandes, dass er nicht zur kommissionellen Prüfung angetreten sei und daher eine allfällige Änderung der Jahresbeurteilung nicht stattfinde und die Beurteilungen somit auf "Nicht genügend" lauteten, nicht berechtigt sei.
Eine Auseinandersetzung mit der Ausnahmeregelung für Schüler mit sonderpädagogischen Bedarf in § 25 Abs. 5a SchUG enthält der angefochtene Bescheid nicht.
§ 25 Abs. 5a SchUG wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 514/1993 für Schüler an Volksschulen in das Schulunterrichtsgesetz eingefügt und mit der Novelle BGBl. Nr. 767/1996 in seinem Anwendungsbereich auf die allgemeinen Schulen erweitert. Den Materialien zu seiner Fassung durch BGBl. Nr. 514/1993 (RV 1046 BlgNR, XVIII. GP, 5) ist zu entnehmen, dass die damals schon bestehende Möglichkeit für die Schüler an Allgemeinen Sonderschulen "im Sinne der dafür maßgeblichen Zielsetzungen" auch den Kindern mit sonderpädagogischem Bedarf, die eine Volksschule besuchen, eingeräumt werden solle.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird jedoch nur die Frage behandelt, weshalb die negativen Beurteilungen in den Fächern Deutsch und Mathematik aufrecht zu erhalten waren.
Gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z 8 EGVG ist auf das behördliche Verfahren der Landes- und der Bezirksschulbehörden das AVG (und das VStG) anzuwenden.
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Gemäß § 67 AVG gilt der dritte Teil des AVG auch für die Bescheide der Berufungsbehörde, doch ist der Spruch auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird.
Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren darauf berufen, dass er ungeachtet einer negativen Beurteilung in Pflichtgegenständen zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei. Im angefochtenen Bescheid wird auf die Frage, ob der Beschwerdeführer allenfalls nach § 25 Abs. 5a SchUG - der unter den dort normierten Voraussetzungen das Aufsteigen auch im Falle der Benotung mehrerer Pflichtgegenstände mit "Nicht genügend" ermöglicht - zum Aufsteigen berechtigt war bzw. weshalb dies nicht der Fall war, in keiner Weise eingegangen.
Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem Verfahrensmangel, der im Beschwerdefall auch wesentlich ist, da die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. Februar 2007
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2003100262.X00Im RIS seit
27.03.2007