TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/27 2005/01/0255

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Index

25/02 Strafvollzug;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

SPG 1991 §65 Abs1;
SPG 1991 §65 Abs4;
SPG 1991 §67 Abs1;
SPG 1991 §77 Abs2;
SPG 1991 §77 Abs4;
SPG 1991 §78;
SPG 1991 §96 Abs3;
StVG §132 Abs4 idF 1999/I/146;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des O R in G, vertreten durch Dr. Volker Mogel, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 2. Mai 2005, Zl. II-224/2005, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und DNA-Untersuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die "nach § 65 Abs. 1 u. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) in Verbindung mit § 96 Abs. 3 SPG bestehende Verpflichtung" zur erkennungsdienstlichen Behandlung "gemäß § 77 Abs. 2 SPG auferlegt." Diese umfasse - so die belangte Behörde im Spruch des Bescheides weiter - "gem. § 67 Abs. 1 SPG in Verbindung m. § 96 Abs. 3 SPG auch die Abnahme eines Mundhöhlenabstriches oder die Durchführung anderer geeigneter Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischer Information." Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers könne gemäß § 77 Abs. 4 SPG die Vorführung erfolgen und gemäß § 78 SPG unmittelbare Zwangsgewalt angewandt werden.

Begründend führte die belangte Behörde dazu - abgesehen von allgemeinen Rechtsausführungen zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Mai 1987 wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer Delikte (Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB) zu einer 18 jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er bereits drei Vorstrafen wegen Gewaltverbrechen (Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwere Körperverletzung, schwere Nötigung) sowie wegen Eigentumsdelikten (schwerer Diebstahl, Einbruchsdiebstahl, usw.) aufgewiesen. Trotz dieser Verurteilungen sei er auch danach "laufend straffällig" geworden, "was weitere fünf rechtskräftige Verurteilungen, wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten zur Folge" gehabt habe. Im Einzelnen führte die belangte Behörde dazu wörtlich aus:

"Sie (gemeint: der Beschwerdeführer( haben konkret am 14.05.1986, zwischen 08.00-10.00 Uhr, ihre Unterkunftsgeberin, Isolde Kober, nach einem verbalen Streit erwürgt. Sie haben nach der Tathandlung versucht alle Spuren ihres Verbrechens zu verwischen. Zu diesem Zweck haben sie die Blutspuren auf dem Bodendie durch Blutungen von Kober aus den Gesichtsöffnungen entstanden sind - mit Wasser und Wischfetzen aufgewischt. Auch betreffend die Tathandlungen haben sie vorerst widersprüchliche Angaben gemacht und erst aufgrund des Spurenbildes eine zweite Tötungshandlung zugegeben. Sie haben Isolde Kober nach einem verbalen Streit bei der Eingangstüre zu ihrer Wohnung mit einem Würgegriff erwürgt. Danach haben Sie die vermeintlich tote Frau vom Parterre in den 1. Stock geschleift und dort bei der Eingangstüre zu ihrer Wohnung abgelegt. Nachdem die Genannte dort einen 'tiefen Schnaufer' gemacht habe, haben sie sich zu ihrer niedergekniet und sie durch Druck auf den Hals - mit ihrem gesamten Körpergewicht, zu Tode gebracht. Diese zweite Tötungshandlung haben sie erst zugegeben, als sie auf Grund des festgestellten Spurenbildes - weggewischte Blutspuren - mit diesen Tatsachen konfrontiert worden waren. Es zeigt sich daher eindeutig in ihrer Persönlichkeit, dass sie nur zugeben, was ihnen auf Grund eindeutiger Spuren zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Weiters erwähnenswert ist ihre geringe Hemmschwelle in Bezug auf den angeführten Mord. Sie haben Isolde Kober nach einem verbalen Streit erwürgt. Als Grund haben sie die lapidare Feststellung gebraucht 'ich wollte einfach nur, dass sie still ist'. Auf Grund dieser geringen Hemmschwelle ist ihre Neigung zu Gewaltdelikten zweifelsfrei und eindeutig abzuleiten und soll die ... DNA-Untersuchung sie von derartigen Überreaktionen abhalten.

Betreffend ihre Persönlichkeitsprognose kann daher geschlossen werden, dass sie nach ihrer Entlassung (gemeint: aus der Haft( weitere gefährliche Angriffe begehen werden. Ihre Persönlichkeit lässt sich aus dem oben angeführten konkreten Fall als auch aus dem Strafregister mit den rechtskräftigen Verurteilungen ableiten.

Konkret scheinen nach ihrer Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1986, folgende rechtskräftige Verurteilungen auf:

Aus dem Jahre 1991 eine Sachbeschädigung nach § 125 StGB, im Zuge eines Ausbruchsversuches, aus dem Jahre 1993 eine Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, aus dem Jahre 1999 eine Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB, aus dem Jahre 2001 eine gefährliche Drohung nach § 107 Abs. 1 u. 2 StGB und aus dem Jahre 2003 eine Nötigung nach §§ 15 i.V. 105 Abs. 1 StGB auf.

Der letzte Punkt betrifft die Eignung zur Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Informationen. Ein Großteil der Deliktsarten, welche von ihnen bisher verwirklicht wurden, sind für eine Wiedererkennung durch DNA-Analyse bestens geeignet. Wie die Erfahrungswerte aus der DNA-Datenbank des Bundesministeriums für Inneres deutlich zeigt, ist es für den Täter nach schweren Gewaltdelikten oder auch nach schweren Eigentumsdelikten wie Einbruchsdiebstählen aber konkret auch Sachbeschädigungen, schriftlichen Verleumdungen oder schriftlichen gefährlichen Drohungen (durch Untersuchung von Speichel beim Verkleben eines Kuverts oder einer aufgeklebten Briefmarke) faktisch unmöglich, keine biologischen Tatortspuren zu hinterlassen. Mit dem Wissen um die Möglichkeit einer späteren Ausforschung bei neuerlicher Straffälligkeit sollten sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Delikte abgehalten werden. Die Speicherung des DNA-Profils in der DNA-Datenbank ist dafür bestens geeignet.

Zur Verhältnismäßigkeit wird angeführt, dass durch die BPD-Graz als erkennende Behörde, alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und der geringste mögliche Eingriff veranlasst wurde. Der Umfang der erkennungsdienstlichen Maßnahme ist zweifelsfrei geeignet und auch notwendig, um sie vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten - im übrigen nicht nur zur Überführung strafbarer Handlungen, sondern auch zum Zweck, dass sie als Täter fallweise ausgeschlossen werden können."

Über die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hatte den Beschwerdeführer bereits mit Bescheid vom 20. März 2002 zur erkennungsdienstlichen Behandlung (einschließlich der Abnahme eines Mundhöhlenabstriches oder anderer geeigneter Maßnahmen zum Zwecke des Ermittlung von genetischer Information) verpflichtet. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0389, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Nach Darstellung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur hatte der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung wörtlich Folgendes ausgeführt:

"Aus dieser Rechtsprechung ist hervorzuheben, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG, die sich gegenüber der in § 65 Abs. 1 SPG geregelten als lex specialis erweist, an zwei Voraussetzungen anknüpft: Einerseits muss der Betroffene im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, andererseits muss im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden können, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung nur auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung reicht für die Beurteilung, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, die von der belangten Behörde getroffene Feststellung über die Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahre 1987 nicht aus. ... Trotz der Schwere der Tat kann insbesondere im Hinblick auf den seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraum ohne Kenntnisse über die näheren Umstände dieser Tat und über die Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht gesagt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit er in Hinkunft gefährliche Angriffe begehen werde (§ 65 Abs. 1 SPG) bzw. fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die nach § 67 Abs. 1 SPG abzugebende Prognose ...

Indem die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 65 Abs. 1 und 67 Abs. 1 SPG allein auf Grund der Feststellung der Verurteilung des Beschwerdeführers (gemeint: das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Mai 1987( bejahte, hat sie die Rechtslage verkannt. ..."

Vorliegend ist der Ersatzbescheid der belangten Behörde, mit der sie die vom Verwaltungsgerichtshof im obigen Erkenntnis geforderten Erwägungen nachgeholt hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerde lässt sich dem Bescheid nunmehr nachvollziehbar entnehmen, aus welchen (in der Art und den Umständen der begangenen Delikte sowie der Person des Beschwerdeführers gelegenen) Gründen die angeordneten Maßnahmen in den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 65 Abs. 1 und 67 Abs. 1 SPG Deckung finden. Auch sind keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen aufgetaucht, die eine vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragte "Abtretung an den VfGH" - gemeint wohl eine Antragstellung nach Art 140 Abs. 1 B-VG durch den Verwaltungsgerichtshof - notwendig gemacht hätten.

Wenn die Beschwerde schließlich meint, die Anwendbarkeit des SPG wäre im gegenständlichen Fall auf Grund der Strafhaft des Beschwerdeführers durch die Bestimmungen des StVG verdrängt worden, übersieht sie, dass § 132 Abs. 4 StVG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 146/1999) ausdrücklich anordnet, den Sicherheitsbehörden sei die erkennungsdienstliche Behandlung eines Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen des SPG zu ermöglichen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005010255.X00

Im RIS seit

28.03.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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