TE OGH 2002/2/12 4Ob32/02p

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Veröffentlicht am 12.02.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Jörg S*****, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Zöchbauer Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 500.000 S), infolge außerordentlicher Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. November 2001, GZ 2 R 59/01p-19, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision des Beklagten wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision des Beklagten wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspreche, wonach auch bei einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Fortkommens das Interesse des Betroffenen und das Informationsinteresse gegeneinander abzuwägen seien. Das Berufungsgericht habe eine Interessenabwägung abgelehnt und den vom Beklagten gerügten Verfahrensmangel verneint. Der Beklagte habe gerügt, dass die für die Interessenabwägung notwendigen Sachverhaltselemente nicht festgestellt worden seien. Bereits in der Klagebeantwortung habe sich der Beklagte auf seine Berichtspflicht berufen.

Richtig ist, dass der Beklagte in der Klagebeantwortung vorgebracht hat, zur umfassenden Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen verpflichtet zu sein. Nicht dargetan hat er aber, warum die bedingte Haftentlassung eines nach dem Verbotsgesetz zu einer mehrjährigen Haftstrafe Verurteilten eine wichtige Frage in diesem Sinn sein soll. Wie das Berufungsgericht zu Recht hervorhebt, hat der Beklagte nämlich keineswegs über die nunmehr behaupteten Umstände der bedingten Entlassung berichtet, sondern sich darauf beschränkt, die bedingte Haftentlassung des Klägers in einem Bericht über die bedingte Haftentlassung Gottfried K*****s zu erwähnen; diesen Hinweis hat er durch einen Ausschnitt aus dem Bericht über den Strafprozess des Klägers illustriert. Damit wurde das gegen den Kläger geführte Strafverfahren wieder in Erinnerung gerufen, ohne dass ein Informationsinteresse an einem Bericht über die Jahre zurückliegende Verurteilung zu erkennen wäre. Einer weiteren Auseinandersetzung mit der vom Beklagten vermissten Interessenabwägung bedarf es daher nicht.

Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht der Beklagte geltend, dass keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob die Meinungsäußerungsfreiheit dem Identitätsschutz vorgeht, wenn ein anonymisierter Bericht keinen Informationswert hat. Diese Frage wäre nur dann erheblich, wenn ein anonymisierter Bericht im vorliegenden Fall keinen Informationswert hätte. Das trifft jedoch nicht zu. Dem Bericht über die bedingte Haftentlassung des Klägers konnte - wenn überhaupt - ein Informationswert nur zukommen, weil ein 1995 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu einer mehrjährigen Haftstrafe Verurteilter 1999 bedingt aus der Strafhaft entlassen wurde. Der - vom Beklagten behauptete - Informationswert des von ihm gesendeten Berichts über die bedingte Haftentlassung des Klägers beruht daher - anders als etwa bei einem Ladendiebstahl eines Prominenten - nicht darauf, dass es sich dabei um den Kläger handelt. Als erhebliche Rechtsfrage macht der Beklagte schließlich noch geltend, dass keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob sich der in seinem Persönlichkeitsrecht berührte Straftäter eine Beeinträchtigung seines wirtschaftlichen Fortkommens in einer nicht ins Gewicht fallenden Art und Weise gefallen lassen müsse. Auch diese Frage ist für die Entscheidung unerheblich, weil weder feststeht noch offenkundig ist, dass die wirtschaftlichen Interessen des Klägers nur in einer nicht ins Gewicht fallenden Weise berührt wären. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, könnten die vom Beklagten in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen (4 Ob 224/00w = MR 2000, 373 - Schüssels Dornenkrone; 4 Ob 127/01g = MR 2001, 304 [Walter, Swoboda]; 4 Ob 194/01k) dem vorliegenden Fall nicht gleichgehalten werden. In den den genannten Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen konnten durch den Eingriff in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte nur wirtschaftliche Interessen des Urhebers berührt sein; im vorliegenden Fall hingegen liegt ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte vor, der von vornherein nicht nur wirtschaftliche Interessen berührt.

Anmerkung

E64779 4Ob32.02p

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00032.02P.0212.000

Dokumentnummer

JJT_20020212_OGH0002_0040OB00032_02P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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