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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des F S in S, geboren 1963, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Dezember 2004, Zl. 230.084/0-VIII/22/02, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Spruchpunkt I. wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der Roma-Volksgruppe zugehöriger Staatsangehöriger von Mazedonien, reiste am 7. September 2001 mit seiner Ehegattin und den drei Söhnen in das Bundesgebiet ein und beantragte am 12. September 2001 Asyl.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 5. Juli 2002 den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG für zulässig. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde verhandelte über die Berufung am 4. August 2004 unter Beiziehung (auch) eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Länderkunde (über die Situation der Roma-Volksgruppe).
Mit Spruchpunkt I. des am 13. Dezember 2004 ausgefertigten Berufungsbescheides wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG ab. Mit Spruchpunkt II. gab sie der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid statt und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien nicht zulässig sei. Mit Spruchpunkt III. erteilte sie dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Gegen Spruchpunkt I. (des genannten Berufungsbescheides) richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde stellte "zur Person des Berufungswerbers" folgendes fest:
"Der am 21.05.1963 in Tetovo, Mazedonien, geborene Berufungswerber gehört der Roma-Minderheit an, ist muslimischen Glaubens und bekennender Aschkali sowie mazedonischer Staatsbürger. Er besitzt acht Jahre Grundschulausbildung und hat dann nach seiner Militärszeit bis kurz vor seiner Ausreise als Heizer in einer Textilfirma in seiner Heimatstadt gearbeitet. Der Berufungswerber ist verheiratet und Vater von drei Söhnen. Im Zuge der Kriegshandlungen wurde das Haus des Berufungswerbers nach einem Panzerbeschuss zerstört, welches er zwischenzeitlich an einen Albaner verkauft hat. In ein Dilemma kam er, da sowohl die Albaner als auch die Mazedonier ihn jeweils bei den Kämpfen auf ihrer Seite haben wollten. Der Berufungswerber entfernte sich sowohl vom Dienst der mazedonischen Armee als auch von jenem der UCK. Nachdem eines seiner Kinder von albanischen Mitschülern geschlagen wurde und der Berufungswerber dies regeln wollte, wurde er von einigen Vätern krankenhausreif geschlagen. Er ist zu Kriegsbeginn in den Kosovo und anschließend zu seiner in Skopje wohnhaften Schwester geflohen. Dann war der Berufungswerber noch bei Familienangehörigen und seinen Schwiegereltern aufhältig. Anfang September 2001 gelangte er mit seiner Frau und seinen Kindern nach Österreich."
Danach traf die belangte Behörde nähere Feststellungen "Zu Mazedonien" und "Zur Situation der Roma-Volksgruppe in Mazedonien".
Bei der Begründung der Abweisung der Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages (Spruchpunkt I.) stützte die belangte Behörde sich auf das Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen, "wonach eine besondere Gefährdung der Sicherheit des Berufungswerbers auf Grund seines individuellen Vorbringens nicht gesehen werden kann". Diese (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angestellte) Erwägung ist aber insoweit verfehlt, als dieser länderkundliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 4. August 2004 (vgl. Seite 10 der Verhandlungsschrift) über Befragen nach "sonstigen Gründen für eine aktuelle Verfolgungsgefahr" des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Mazedonien solche und damit eine Verfolgungsgefahr in Tetovo nicht ausschließen konnte. Mit einer Gefährdung des Beschwerdeführers in seiner Herkunftgemeinde Tetovo hat die belangte Behörde sich aber nicht auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang hat sie es auch unterlassen, die vom Sachverständigen erstatteten Ausführungen über die "Situation der Roma in Tetovo" (vgl. Seite 8 f der Verhandlungsschrift) in ihre Feststellungen und ihre rechtliche Beurteilung einzubeziehen.
Das Ergebnis des bekämpften Spruchpunktes (I.) wurde von der belangten Behörde auch nicht damit begründet, dass dem Beschwerdeführer der Verbleib außerhalb seiner Herkunftsgemeinde Tetovo in einem andern Landesteil von Mazedonien möglich gewesen wäre, weil sich die belangte Behörde - nach der Bescheidbegründung - mit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht auseinander setzte.
Der angefochtene Spruchpunkt I. war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. Februar 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010011.X00Im RIS seit
05.04.2007