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41/01 Sicherheitsrecht;Norm
SPG 1991 §65 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des R B in T, vertreten durch Großmann und Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH., 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 6/1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 3. August 2005, Zl. KL17-ALL-179/1-2005, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Ladung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde "gem. § 65 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 SPG und § 19 AVG 1991, i.d.g.F., aufgefordert, sich zur erkennungsdienstlichen Behandlung innerhalb von einer Woche nach Zustellung dieses Bescheides bei der Polizeiinspektion Pörtschach am WS. einzufinden." Für den Fall, dass der Beschwerdeführer dieser "Aufforderung" nicht nachkomme, wurde ihm gleichzeitig die Vorführung angedroht.
Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde - abgesehen von einigen allgemeinen Rechtsausführungen - nur mit folgendem Wortlaut:
"In der Strafregisterauskunft scheinen gegen Sie folgende Verurteilungen auf:
§§ 15 (Strafbarkeit des Versuches einer strafbaren Handlung), 146 (Betrug), 147/3 (schwerer Betrug), 125 (Sachbeschädigung).
Im Kriminalpolizeilichen Aktenindex scheint folgende Eintragung auf:
§ 107 StGB (Gefährliche Drohung)
Des weiteren wurden Sie wegen Verleumdung (§297 StGB) bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt angezeigt.
Die Behörde erachtet es auf Grund der angeführten Tatbestände in ihrer fallbezogenen Gefahrenprognose als wahrscheinlich, dass der im Spruch Genannte weitere 'gefährliche Angriffe' begehen werde und erkennt das abzuleitende Erfordernis einer 'Vorbeugung' durch eine erkennungsdienstliche Behandlung ...
Die Behörde verfügte die erkennungsdienstliche Behandlung somit deshalb, um der Begehung 'gefährlicher Angriffe' durch Ihr Wissen um die Möglichkeit Ihrer Wiedererkennung entgegenzuwirken ...
Die verfügende Behörde erkennt im Verhalten des Betroffenen i. S. der Tatbestände konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr oder der Gefahr der Begehung anderer 'gefährlicher' Angriffe.
...
Auf die Einwendungen des Betroffenen gegen die erkennungsdienstliche Behandlung, vom 06.02.2005, vermag die Behörde infolge Fehlens konkreter Entgegnungen nicht näher einzugehen."
In der angesprochenen Stellungnahme vom 6. Februar 2005 hatte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - ausgeführt, er sei im Jahr 1998 vom Landesgericht Klagenfurt "wegen § 143/3" zu einer Geld- und einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Alle anderen Vorwürfe gegen ihn hätten sich als haltlos erwiesen und seien diesbezügliche Verfahren eingestellt worden. Er beabsichtigte auch eine Wiederaufnahme des seinerzeitigen Strafverfahrens zu erwirken. Auf Grund seiner Erfahrungen mit den Behörden habe er massive Bedenken gegen die erkennungsdienstliche Behandlung und bitte darum, "von einer Behandlung" Abstand zu nehmen. Er habe ein minderjähriges Kind als Alleinerzieher zu versorgen und ersuche, "von übertriebenen Maßnahmen" abzusehen.
Einer aktenkundigen Strafregisterauskunft vom 19. Jänner 2005 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. April 1998, AZ 17e Vr 726/97, Hv 20/97, wegen §§ 15, 146, 147 Abs. 3 und 125 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen und einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteit wurde. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren zunächst bedingt und nach Ablauf der Probezeit schließlich endgültig nachgesehen. Zu den weiteren strafrechtlichen Vorwürfen gegen den Beschwerdeführer findet sich in den Verwaltungsakten lediglich ein Auszug aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex, wonach der Beschwerdeführer am 15. November 1999 - unter nicht näher erkennbaren Tatumständen - das Vergehen der gefährlichen Drohung begangen haben soll. Überdies sei er - so ein Vermerk des Gendarmeriepostens Pörtschach am Wörthersee vom 19. Jänner 2005 - am 5. Juni 2004 bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt "wegen Verleumdung (§ 297 StGB) angezeigt" worden; die Staatsanwaltschaft habe die Anzeige aber am 15. Juni 2004 zurückgelegt.
Über die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 65 Abs. 1 SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.
Zu diesem Zweck hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen hat (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0592, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; weiters aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2005/01/0581, und vom 20. September 2006, Zl. 2006/01/0243, sowie vom heutigen Tag, Zl. 2006/01/0147).
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde - ohne die Tatumstände näher zu überprüfen - lediglich die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung mehr als sieben Jahre zurückliegende Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der obgenannten Delikte sowie die - ebenfalls nicht weiter hinterfragten - Anzeigen wegen gefährlicher Drohung und Verleumdung (letztere im Wissen darum, dass die Staatsanwaltschaft Klagenfurt sie nicht weiter verfolgt hat, und in Kenntnis der Einwände des Beschwerdeführers, sämtliche Vorwürfe hätten sich als "haltlos" erwiesen) zum Anlass genommen, den Beschwerdeführer zur erkennungsdienstlichen Behandlung zu verpflichten, ohne auch nur ansatzweise zu erläutern, aus welchen Gründen sie davon ausging, dass diese Maßnahme unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers notwendig erscheint, um gefährlichen Angriffen durch ihn in Zukunft vorzubeugen. Eine nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche konkrete fallbezogene Prognose kann darin nicht erblickt werden.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. Februar 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010803.X00Im RIS seit
28.03.2007