TE OGH 2002/2/21 8ObS208/01y

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Veröffentlicht am 21.02.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Winfried Kmenta und Prof. Dr. Elmar Peterlunger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gordana D*****, vertreten durch Mag. Robert Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5 - 9 (nunmehr: Geschäftsstelle Wien der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds-Service GmbH), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 30.006,10 sA an Insolvenzausfallgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2001, GZ 10 Rs 170/01w-15, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das IESG soll die Arbeitnehmer gegen das Risiko des gänzlichen oder

teilweisen Verlustes iher Entgeltansprüche, auf deren regelmäßige

Befriedigung sie typischerweise zur Bestreitung ihres und ihrer

Angehörigen Lebensunterhaltes angewiesen sind, bei Insolvenz des

Arbeitgebers absichern (vgl OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl

2001/91 = ZIK 2001/117 mwN = RIS-Justiz RS0076384 = SZ 61/254, SZ

65/15, SZ 67/14 uva). Die Überwälzung des Finanzierungsrisikos für

die Arbeitslöhne auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, wenn dem

Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er die Gegenleistung für seine

Arbeit nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds

bekommen könnte und er deshalb weiter arbeitet, wurde als unzulässig

und sittenwidrig angesehen (vgl etwa OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462

= wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN DRdA 1999/51, 375, WBl 1995, 75; ZIK

1996, 172). Ausreichend dafür ist schon der bedingte Vorsatz, also

dass dem Handelnden die Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den

Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bewusst ist und er sich mit dem verpönten

Erfolg zumindest abfindet (OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl

2001/91 = ZIK 2001/117 mwN). Dann, wen ein Arbeitnehmer trotz

längerer Nichtzahlung des Lohnes im Unternehmen tätig bleibt und nicht versucht, sein Entgelt ernstlich einbringlich zu machen, indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigt - oder zumindest in Kauf nimmt - in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen (vgl OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN RIS-Justiz RS00112127; DRdA 1999/51, 375 [Geist] ebenso 8 ObS 183/98i, 8 ObS 295/98, ähnlich 8 ObS 306/98b = DRdA 1999/94 = RdW 2000/82, 8 ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x uva). Ob durch das lange Stehenlassen der Entgelte der zumindest bedingte Vorsatz der Verlagerung des Finanzierungsrisikos indiziert ist, ist im Rahmen des “Fremdvergleiches” zu beurteilen, ob also auch ein “unbeteiligter” Arbeitnehmer trotz Vorenthalten des Entgelts im Unternehmenlängerer Nichtzahlung des Lohnes im Unternehmen tätig bleibt und nicht versucht, sein Entgelt ernstlich einbringlich zu machen, indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigt - oder zumindest in Kauf nimmt - in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen vergleiche OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN RIS-Justiz RS00112127; DRdA 1999/51, 375 [Geist] ebenso 8 ObS 183/98i, 8 ObS 295/98, ähnlich 8 ObS 306/98b = DRdA 1999/94 = RdW 2000/82, 8 ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x uva). Ob durch das lange Stehenlassen der Entgelte der zumindest bedingte Vorsatz der Verlagerung des Finanzierungsrisikos indiziert ist, ist im Rahmen des “Fremdvergleiches” zu beurteilen, ob also auch ein “unbeteiligter” Arbeitnehmer trotz Vorenthalten des Entgelts im Unternehmen

verblieben wäre (vgl OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 0 wbl 2001/91 =verblieben wäre vergleiche OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 0 wbl 2001/91 =

ZIK 2001/117 mwN = DRdA 1999/51, 375, 8 ObS 56/00v = WBl 2001/216; 8

ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x; 8 ObS 5/00v; 8 ObS 58/00p mwN ua WBl 1999, 174). Ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls der Schluss, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, so kann dieser nicht durch einen Beweis über die konkreten Absichten des Arbeitnehmers widerlegt werden (OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117).

Diese Rechtsprechung liegt der Entscheidung der zweiten Instanz zugrunde. Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall - hier die Durchführung des Fremdvergleiches im Fall der Klägerin - ist eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (vgl 8 ObS 127/01m). Eine krasse Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann hier aber keinesfalls gesehen werden: Nach den Feststellungen “verschwand” der Dienstgeber der Klägerin, bie welchem sie seit Oktober 1997 arbeitete, Ende November 1997. Das Schloss zum Geschäftseingang wurde ausgewechselt, die Klägerin hatte keinen Zugang zu ihrem Arbeitsplatz mehr. Die Klägerin konnte ihre Arbeit nicht mehr verrichten und erhielt keinen Lohn mehr. Dennoch trat sie nicht aus und klagte die ausstehenden Entgelte nicht ein, sondern begehrt nun das Gehalt für 25 Monate von der Beklagten.Diese Rechtsprechung liegt der Entscheidung der zweiten Instanz zugrunde. Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall - hier die Durchführung des Fremdvergleiches im Fall der Klägerin - ist eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann vergleiche 8 ObS 127/01m). Eine krasse Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann hier aber keinesfalls gesehen werden: Nach den Feststellungen “verschwand” der Dienstgeber der Klägerin, bie welchem sie seit Oktober 1997 arbeitete, Ende November 1997. Das Schloss zum Geschäftseingang wurde ausgewechselt, die Klägerin hatte keinen Zugang zu ihrem Arbeitsplatz mehr. Die Klägerin konnte ihre Arbeit nicht mehr verrichten und erhielt keinen Lohn mehr. Dennoch trat sie nicht aus und klagte die ausstehenden Entgelte nicht ein, sondern begehrt nun das Gehalt für 25 Monate von der Beklagten.

Dass ein derartiges Verhalten einem “Fremdvergleich” im oben dargestellten Sinn nicht standzuhalten vermag, bedarf keiner weiteren Erörterung, ist doch auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer, der auf den Arbeitslohn existentiell angewiesen ist, diesen mehr als zwei Jahre entbehren könnte. Auf das Vorbringen in der Revision, dem Arbeitnehmer müsse ein Zuwarten durch rund zehn Monate zugebilligt werden, ist nicht weiter einzugehen, weil nach § 3 a Abs 1 IESG in der - hier auf Grund des Stichtags 24. 9. 1999 anzuwendenden Fassung BGBl I 1999/73 (§ 17a Abs 16 IESG) - auch in diesem Fall die mehr als sechs Monate vor dem Stichtag fällig gewordenen Ansprüche bis zum Stichtag mit Klage geltend zu machen gewesen wären. Abgesehen davon kann vom aufrechten Fortbestand des Dienstverhältnisses wohl nicht ausgegangen werden: Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Vorschrift des § 863 ABGB auch für den Bereich des Arbeitsrechts (Arb 7744; SZ 53/101; 9 ObA 270/91i). Auch die Lösung eines Dienstverhältnisses kann stillschweigend erfolgen (DRdA 1986, 420; WBl 1990, 180; 8 ObA 16/99g). Entscheidend ist für die Maßgeblichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung ist das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger nach den konkreten Umständen gewinnen durfte (SZ 66/48; SZ 68/105; 8 ObA 16/99g). Wo sich Ansprüche auf fortdauernde Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, muss nach allgemeiner Lebenserfahrung der Umstand, dass der eine Teil dauernd weder eine Leistung erbringt, noch sie anbietet, noch auch die ihm gebührende Gegenleistung in Anspruch nimmt, als stillschweigende Erklärung im Sinne einer Beendigung des gegenseitigen Rechtsverhältnisses gedeutet werden (Arb 5754; 8 ObA 16/99g). Dass die Klägerin selbst von der Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist, weshalb ihr Begehren ungeachtet obiger Erwägungen jedenfalls als grob missbräuchlich,wenn nicht sogar als strafrechtlich relevant anzusehen ist, ergibt sich schon daraus, dass sie nach den Feststellungen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen hat und im Jänner 1998 einer Arbeit in einem anderen Unternehmen nachgegangen ist. Ob der Klägerin beendigungsabhängige Ansprüche zugestanden wären, ist nicht zu prüfen, wel sie sich darauf nicht berufen hat.Dass ein derartiges Verhalten einem “Fremdvergleich” im oben dargestellten Sinn nicht standzuhalten vermag, bedarf keiner weiteren Erörterung, ist doch auszuschließen, dass ein Arbeitnehmer, der auf den Arbeitslohn existentiell angewiesen ist, diesen mehr als zwei Jahre entbehren könnte. Auf das Vorbringen in der Revision, dem Arbeitnehmer müsse ein Zuwarten durch rund zehn Monate zugebilligt werden, ist nicht weiter einzugehen, weil nach Paragraph 3, a Absatz eins, IESG in der - hier auf Grund des Stichtags 24. 9. 1999 anzuwendenden Fassung BGBl römisch eins 1999/73 (Paragraph 17 a, Absatz 16, IESG) - auch in diesem Fall die mehr als sechs Monate vor dem Stichtag fällig gewordenen Ansprüche bis zum Stichtag mit Klage geltend zu machen gewesen wären. Abgesehen davon kann vom aufrechten Fortbestand des Dienstverhältnisses wohl nicht ausgegangen werden: Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Vorschrift des Paragraph 863, ABGB auch für den Bereich des Arbeitsrechts (Arb 7744; SZ 53/101; 9 ObA 270/91i). Auch die Lösung eines Dienstverhältnisses kann stillschweigend erfolgen (DRdA 1986, 420; WBl 1990, 180; 8 ObA 16/99g). Entscheidend ist für die Maßgeblichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung ist das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger nach den konkreten Umständen gewinnen durfte (SZ 66/48; SZ 68/105; 8 ObA 16/99g). Wo sich Ansprüche auf fortdauernde Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, muss nach allgemeiner Lebenserfahrung der Umstand, dass der eine Teil dauernd weder eine Leistung erbringt, noch sie anbietet, noch auch die ihm gebührende Gegenleistung in Anspruch nimmt, als stillschweigende Erklärung im Sinne einer Beendigung des gegenseitigen Rechtsverhältnisses gedeutet werden (Arb 5754; 8 ObA 16/99g). Dass die Klägerin selbst von der Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist, weshalb ihr Begehren ungeachtet obiger Erwägungen jedenfalls als grob missbräuchlich,wenn nicht sogar als strafrechtlich relevant anzusehen ist, ergibt sich schon daraus, dass sie nach den Feststellungen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen hat und im Jänner 1998 einer Arbeit in einem anderen Unternehmen nachgegangen ist. Ob der Klägerin beendigungsabhängige Ansprüche zugestanden wären, ist nicht zu prüfen, wel sie sich darauf nicht berufen hat.

Insgesamt macht die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG geltend.Insgesamt macht die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 46, Absatz eins, ASGG geltend.

Anmerkung

E65009 8ObS208.01y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBS00208.01Y.0221.000

Dokumentnummer

JJT_20020221_OGH0002_008OBS00208_01Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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