Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Winfried Kmenta und Prof. Dr. Elmar Peterlunger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ljubinka M*****, vertreten durch Dr. Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses (Streitwert EUR 78.097,13) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 2001, GZ 8 Ra 137/01b-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. Februar 2001, GZ 30 Cga 141/00z-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.868,11 (darin EUR 311,35 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gem § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gem Paragraph 510, Absatz 3, ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:
Das Vorbringen in der Revision, der von der Klägerin der Patientin überbrachte Tee und der “Aloe-Vera” - Extrakt seien konzessions- und bewilligungspflichtige Arzneimittel, die Klägerin habe “durch das Abliefern und das Inkasso jedenfalls eine Verwaltungsübertretung begangen”, ist im Verfahren erster Instanz nicht erstattet worden und daher unbeachtlich (§ 482 ZPO). Abgesehen davon wäre es damit und mit dem weiteren Vorbringen über eine mögliche Gefährdung der Patienten wohl unvereinbar, dass das sichergestellte Präparat nach Prüfung durch den Abteilungsvorstand wieder an die Patientin ausgefolgt wurde (S 10 des Ersturteils).Das Vorbringen in der Revision, der von der Klägerin der Patientin überbrachte Tee und der “Aloe-Vera” - Extrakt seien konzessions- und bewilligungspflichtige Arzneimittel, die Klägerin habe “durch das Abliefern und das Inkasso jedenfalls eine Verwaltungsübertretung begangen”, ist im Verfahren erster Instanz nicht erstattet worden und daher unbeachtlich (Paragraph 482, ZPO). Abgesehen davon wäre es damit und mit dem weiteren Vorbringen über eine mögliche Gefährdung der Patienten wohl unvereinbar, dass das sichergestellte Präparat nach Prüfung durch den Abteilungsvorstand wieder an die Patientin ausgefolgt wurde (S 10 des Ersturteils).
Gemäß § 45 Abs 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (VBO 1995) kann das Dienstverhältnis von der Gemeinde durch Entlassung aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt gemäß § 45 Abs 2 Z 2 VBO 1995 insbesondere dann vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens der Gemeinde unwürdig erscheinen lässt. Wie sich aus den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Erstgerichts ergibt, hat die Klägerin die von ihr überbrachten Essenzen weder aktiv angeboten, noch für sie Werbung gemacht. Die Klägerin hatte kein persönliches wirtschaftliches Interesse an dem nur in einem Fall unter ihrer Beteiligung durchgeführten Verkauf der Mittel und wurde dabei nur aus Gefälligkeit als Botin tätig. Die Klägerin eröffnete nach den Feststellungen auch nicht etwa einem Außenstehenden die Möglichkeit zu kommerzieller Tätigkeit, sondern war der Verkäufer der Mittel selbst Patient der onkologischen Abteilung des Spitals, der einer Mitpatientin von der Besserung seines Zustandes durch Konsum eines bestimmten Tees berichtete. Beide Vorinstanzen gingen grundsätzlich davon aus, dass eine Pflichtwidrigkeit der Klägerin vorliege, war doch nach den Feststellungen dem Reinigungspersonal - zu dem die Klägerin gehörte - der Kontakt zu Patienten untersagt. Bedenkt man jedoch, dass sich derartige Kontakte praktisch nicht vermeiden ließen (S 11 des Ersturteils) und dass es üblich ist, dass “Wundermittel” von den todkranken Menschen in derartigen Stationen genommen werden (S 12 des Ersturteils), hätte es eines - weder behaupteten noch festgestellten - Verstoßes gegen konkrete Weisungen bedurft, um der einmaligen ohne Eigennutz begangenen Pflichtwidrigkeit der Klägerin das vom Gesetz geforderte Gewicht zu geben. Der Mangel an klaren Anweisungen fällt regelmäßig dem Arbeitgeber zur Last (8 ObA 283/01b mwH), weshalb die - wenngleich in der rechtlichen Beurteilung enthaltene (S 17 des Ersturteils) - weitere Feststellung, die Klägerin sei sich der Problematik ihrer Vorgangsweise (gemeint: aus medizinischer Sicht) nicht bewusst gewesen, auch bei der erforderlichen Anwendung eines objektiven Maßstabs (RIS-Justiz RS0029733) gegen das Vorliegen einer besonders schweren Pflichtverletzung spricht. Aus eben diesen Gründen ist auch der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht gegeben, zumal die anstandslose Dienstleistung der Klägerin bei der Beklagten seit dem Jahre 1973 in Anbetracht der dargestellten Beschaffenheit der Pflichtwidrigkeit die Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar erscheinen lässt.Gemäß Paragraph 45, Absatz eins, des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (VBO 1995) kann das Dienstverhältnis von der Gemeinde durch Entlassung aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt gemäß Paragraph 45, Absatz 2, Ziffer 2, VBO 1995 insbesondere dann vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens der Gemeinde unwürdig erscheinen lässt. Wie sich aus den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Erstgerichts ergibt, hat die Klägerin die von ihr überbrachten Essenzen weder aktiv angeboten, noch für sie Werbung gemacht. Die Klägerin hatte kein persönliches wirtschaftliches Interesse an dem nur in einem Fall unter ihrer Beteiligung durchgeführten Verkauf der Mittel und wurde dabei nur aus Gefälligkeit als Botin tätig. Die Klägerin eröffnete nach den Feststellungen auch nicht etwa einem Außenstehenden die Möglichkeit zu kommerzieller Tätigkeit, sondern war der Verkäufer der Mittel selbst Patient der onkologischen Abteilung des Spitals, der einer Mitpatientin von der Besserung seines Zustandes durch Konsum eines bestimmten Tees berichtete. Beide Vorinstanzen gingen grundsätzlich davon aus, dass eine Pflichtwidrigkeit der Klägerin vorliege, war doch nach den Feststellungen dem Reinigungspersonal - zu dem die Klägerin gehörte - der Kontakt zu Patienten untersagt. Bedenkt man jedoch, dass sich derartige Kontakte praktisch nicht vermeiden ließen (S 11 des Ersturteils) und dass es üblich ist, dass “Wundermittel” von den todkranken Menschen in derartigen Stationen genommen werden (S 12 des Ersturteils), hätte es eines - weder behaupteten noch festgestellten - Verstoßes gegen konkrete Weisungen bedurft, um der einmaligen ohne Eigennutz begangenen Pflichtwidrigkeit der Klägerin das vom Gesetz geforderte Gewicht zu geben. Der Mangel an klaren Anweisungen fällt regelmäßig dem Arbeitgeber zur Last (8 ObA 283/01b mwH), weshalb die - wenngleich in der rechtlichen Beurteilung enthaltene (S 17 des Ersturteils) - weitere Feststellung, die Klägerin sei sich der Problematik ihrer Vorgangsweise (gemeint: aus medizinischer Sicht) nicht bewusst gewesen, auch bei der erforderlichen Anwendung eines objektiven Maßstabs (RIS-Justiz RS0029733) gegen das Vorliegen einer besonders schweren Pflichtverletzung spricht. Aus eben diesen Gründen ist auch der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht gegeben, zumal die anstandslose Dienstleistung der Klägerin bei der Beklagten seit dem Jahre 1973 in Anbetracht der dargestellten Beschaffenheit der Pflichtwidrigkeit die Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar erscheinen lässt.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 50,, 41 ZPO.
Anmerkung
E65001 8ObA209.01wEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBA00209.01W.0221.000Dokumentnummer
JJT_20020221_OGH0002_008OBA00209_01W0000_000