TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/27 2004/01/0179

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2007
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §15 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des T A in I, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. November 2003, Zl. Ia-17.917/36-2003, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Februar 2002 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 15 Abs. 1 lit. a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer - ein am 20. April 1968 in Tigray (Axum) geborener äthiopischer Staatsangehöriger - sei am 30. September 1991 "illegal" (gemeint: unter Umgehung der Grenzkontrolle) nach Österreich eingereist; er lebe seither in Österreich. Auf Grund dieser Einreise, einer ihm fehlenden Aufenthaltsberechtigung und mangels Vorhandenseins ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes sei über ihn von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf mit Bescheid vom 30. September 1991 ein bis 30. September 1996 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden; dieses sei rechtskräftig geworden. In der Folge sei es nicht zur Abschiebung gekommen, weil der Beschwerdeführer (nach im Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Februar 2002 getroffenen Feststellungen) am 3. Oktober 1991 einen Asylantrag gestellt habe; auf Grund dieses Antrages sei ihm "gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt" worden. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Steiermark vom 27. Februar 1992 abgewiesen worden; die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994 abgewiesen worden. Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. August 1994 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Den genannten Berufungsbescheid habe der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. November 1994 aufgehoben. Dem Beschwerdeführer sei dann die Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zunächst bis 18. August 1995 und dann bis 28. März 1997 verlängert worden. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Februar 1997 sei der Asylantrag neuerlich abgewiesen worden. Die Aufenthaltsberechtigungskarte des Beschwerdeführers sei dann am 28. März 1997 eingezogen worden. Mit Bescheid vom 21. März 1997 habe die Bundespolizeidirektion Innsbruck über den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 2 sowie Abs. 2 Z 7 Fremdengesetz (FrG) ein bis 21. März 2002 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt; dieser Bescheid sei letztlich am 7. April 1997 in Rechtskraft erwachsen. Begründet sei dieses Aufenthaltsverbot damit, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist sei, sich in Österreich unrechtmäßig aufhalte und (im Hinblick auf seine Unterstützung aus Sozialhilfemittel) keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes habe nachweisen können.

Gegen den Berufungsbescheid vom 4. Februar 1997 (mit dem der Asylantrag abgewiesen wurde) habe der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben; dieser habe der Beschwerde mit Beschluss vom 6. Oktober 1997 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Am 18. November 1997 habe der Beschwerdeführer wieder eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis 28. Februar 1998 erhalten; diese sei zunächst bis 19. Februar 2001 verlängert und am 6. September 2001 unbefristet erteilt worden. Dann habe der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 28. Februar 2002 (als Berufungsbehörde) den Asylantrag neuerlich abgewiesen. Dagegen habe der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben; dieser habe der Beschwerde mit Beschluss vom 20. August 2002 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. Jänner 2003 (Zl. 2002/01/0375) die Behandlung dieser Beschwerde gemäß § 33a VwGG abgelehnt. Der Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (vom 28. Februar 2002) sei mit 13. März 2002 in Rechtskraft erwachsen; der Asylantrag sei damit endgültig abgewiesen worden; auf Grund dieser Entscheidung verfüge der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung mehr.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, es seien beide Aufenthaltsverbote in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund des zuerkannten Aufenthaltstitels nach dem AsylG sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer (im Rahmen einer Beschäftigungsbewilligung) mit kurzen Unterbrechungen ab Juli 1988 gearbeitet habe und derart seinen Lebensunterhalt habe bestreiten können. Das Aufenthaltsverbot sei aber auch wegen der "illegalen" Einreise und auch wegen der fehlenden Aufenthaltsberechtigung verhängt worden. Asylwerbern, die unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist seien, komme eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (nach dem AsylG) erst zu, wenn sie von der Behörde zuerkannt werde. Wie aus dem "AIS Speicherauszug vom 3.1.2003" zu ersehen sei, sei die Bescheinigung über die (dem Beschwerdeführer) zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung am 28. März 1997 eingezogen worden. Im Hinblick auf den fehlenden Aufenthaltstitel sei das Aufenthaltsverbot zu Recht verhängt worden. Da dem Beschwerdeführer (im Zusammenhang mit seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) erst beginnend mit 18. November 1997 wieder eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden sei, habe er von 28. Februar 1997 bis 18. November 1997 über keinen Aufenthaltstitel verfügt. Nach Ablehnung der Behandlung seiner Beschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 2003 fehle dem Beschwerdeführer, und zwar "auch heute noch", ein Aufenthaltstitel. Der Berufungsbescheid vom 28. Februar 2002 über die endgültige Abweisung des Asylantrages sei (am 13. März 2002) rechtskräftig geworden. Der Beschwerdeführer halte sich ohne gültige Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf; er sei unter Umgehung der fremdenpolizeilichen Bestimmungen eingereist. Die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes würden weiter wirken und sich auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft auswirken. Die Wohnsitzfrist sei mit Erlassung des Aufenthaltsverbotes unterbrochen; diese Unterbrechung habe frühestens mit Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung am 18. November 1997, wenn nicht überhaupt erst mit 21. März 2002 geendet. Auf Grund dieser Unterbrechung erfülle der Beschwerdeführer derzeit die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG nicht, weil er einen ununterbrochenen Wohnsitz in der Dauer von nur "knapp sechs Jahren oder weniger vorweisen kann". Da ihm (endgültig) kein Asyl gewährt worden sei, erfülle er auch die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 und Abs. 5 Z 4 StbG nicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat.

Nach § 15 Abs. 1 lit. a leg. cit. wird der Lauf der Wohnsitzfristen nach § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, § 11a Z 4 lit. a § 12 Z 1 und 2 sowie § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen.

Eine Unterbrechung des Fristenlaufes gemäß Abs. 1 lit. a ist zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nicht zu beachten, wenn das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargelegt hat, bedeutet dies, dass die vor dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes im Bundesgebiet verbrachten Zeiten unberücksichtigt zu bleiben haben, und dass die Wohnsitzfrist erst mit dem Wegfall des gegen den Verleihungswerber verhängten Aufenthaltsverbotes neu zu laufen beginnen konnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Mai 1998, Zl. 96/01/0767, und vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0193).

Die Beschwerde macht gegen die von der belangten Behörde angenommene Unterbrechung der Wohnsitzfrist geltend, die Rechtsgrundlage für das (mit Bescheid vom 21. März 1997) verhängte Aufenthaltsverbot sei "nicht nur ex nunc, sondern sogar ex tunc weggefallen", weil dem Beschwerdeführer dadurch, dass seiner Beschwerde (vom Verwaltungsgerichtshof) aufschiebende Wirkung (zu Zl. AW 97/01/0711) zuerkannt worden sei, wieder die Rechtstellung eines Asylwerbers zugekommen sei. Diese "Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde" habe zur Folge, dass auch im "Zeitraum nach dem Entzug der Aufenthaltsberechtigungskarte bis zur positiven Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kein unrechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vorgelegen ist". Die zehnjährige Wohnsitzfrist sei daher bereits im Herbst 2001 erreicht gewesen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

§ 15 Abs. 1 lit. a StbG meint ein nach den fremdenpolizeilichen Vorschriften verhängtes rechtskräftiges Aufenthaltsverbot. Es kommt nicht darauf an, dass das Aufenthaltsverbot vollstreckt und der Fremde abgeschoben wurde. Selbst wenn der Vollzug aufgeschoben wurde und der Fremde sich weiterhin im Bundesgebiet (faktisch) aufhält, tritt die Unterbrechung der Wohnsitzfrist ein.

Über den Beschwerdeführer wurde (zuletzt) im Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 21. März 1997 rechtskräftig seit 7. April 1997 ein Aufenthaltsverbot bis 21. März 2002 verhängt. Alle in Österreich zugebrachten Zeiten vor und während dieses Zeitraumes haben daher für die Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Wohnsitzfristen außer Betracht zu bleiben. Daran vermag auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines (letztlich unberechtigten) Asylantrages über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht verfügte und deshalb der Vollzug des Aufenthaltsverbotes aufgeschoben wurde, nichts zu ändern, wurde dadurch das Aufenthaltsverbot doch weder aufgehoben noch außer Kraft gesetzt. Der Beschwerdeführer erfüllte im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung (28. November 2003) daher nicht einmal eine Wohnsitzfrist von sechs Jahren im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 1 StbG.

Das Aufenthaltsverbot wurde (unter anderem) wegen des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und auch wegen seiner Einreise in das Bundesgebiet unter Umgehung der Grenzkontrolle verhängt. Diese Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes haben sich weder als unbegründet erwiesen noch sind sie in der Folge weggefallen.

Der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage auch keinen Aufenthaltstitel erlangt. Auf welcher sachverhaltsmäßigen Grundlage die belangte Behörde einen "derzeitigen Aufenthaltstitel" des Beschwerdeführers - so die Beschwerde - hätte feststellen können, bzw. welchen Aufenthaltstitel der Beschwerdeführer "derzeit" besitzt, vermag die Beschwerde nicht darzustellen.

Die Auswirkungen der (rechtswidrigen) Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet sind nicht beseitigt worden, befindet dieser sich doch seither ununterbrochen im Bundesgebiet; er hat das Bundesgebiet nicht etwa freiwillig verlassen, um danach unter Einhaltung der fremdenpolizeilichen Vorschriften in Österreich einzureisen. Im Beschwerdefall kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Einreise des Beschwerdeführers und sein nicht rechtmäßiger Aufenthalt sich nicht mehr (negativ) auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft auswirken würden, hätte der Beschwerdeführer doch ohne diese Einreise und ohne seinen nicht rechtmäßigen Aufenthalt sein Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft jedenfalls nicht stellen können. Es trifft daher - entgegen den Beschwerdevorbringen - auch nicht zu, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation die Unterbrechung der Wohnsitzfrist "auf Grund des langen Zeitraums" im Sinne des § 15 Abs. 2 StbG nicht zu berücksichtigen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des von der belangten Behörde gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004010179.X00

Im RIS seit

06.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten