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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des K G in W, geboren 1981, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. August 2006, Zl. 303.106-C1/E1-III/67/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger des nunmehrigen Serbien aus dem Kosovo, reiste am 5. November 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte am 6. November 2005 einen Asylantrag.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 21. Juni 2006 diesen Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Provinz Kosovo (Serbien) gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Provinz Kosovo (Serbien) aus.
Zur Beweiswürdigung führte das Bundesasylamt in seiner Entscheidung (u.a.) aus, das hinsichtlich seiner Bedrohung (durch Dritte) erstattete Vorbringen sei - im Rahmen einer "Gesamtschau" -
vor allem deshalb nicht plausibel nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer eine gefälschte Entlassungsbestätigung über einen angeblichen Aufenthalt im Rayonskrankenhaus Peje vorgelegt habe. Für die Behörde stehe auf Grund der durch einen Verbindungsbeamten (der jugoslawischen Botschaft - Außenstelle Pristina) durchgeführten Erhebungen fest, dass der Beschwerdeführer durch eine gerichtlich strafbare Handlung - nämlich die Vorlage einer "Totalfälschung" - versucht habe, die Behörde zu einer positiven Entscheidung (über den Asylantrag) "zu verleiten", zumal er seine Fluchtgründe mit dieser Entlassungsbestätigung habe beweisen bzw. sein Vorbringen damit habe bekräftigen wollen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er beantragte (u.a.) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und machte in seinem Rechtsmittel zur erstinstanzlichen Beweiswürdigung geltend, die von der Behörde angestellten Nachforschungen über seinen Krankenhausaufenthalt (in Peje) seien unvollständig geblieben; aus diesen Erhebungen habe die Behörde "falsche Schlüsse gezogen". In dem zutreffend erhobenen Umstand, dass bei Verletzungen, wie er sie erlitten habe, unverzüglich die Polizei verständigt würde, liege der Grund, "warum die mich behandelten Ärzte nie zugeben würden, dass sie mich verarztet haben". Sein Vater habe nicht gewollt, dass die Polizei verständigt werde; er (der Vater) habe die Täter nicht durch eine Anzeige verärgern, sondern "die Sache in der Stille beenden" wollen. Daher habe sein Vater 1.000,-- EUR an die Ärzte bezahlt, damit diese ihn (den Beschwerdeführer) behandeln würden ohne eine Anzeige zu erstatten. Damit sei aber zu erklären, warum die Ärzte - die sonst ihren Arbeitsplatz verlören -
seine Behandlung nicht zugeben würden und sein Aufenthalt im Krankenhaus nicht dokumentiert sei. Die seinem Vater nachher übergebene Bestätigung werde logischerweise auch bestritten; diese Bestätigung, die als Fälschung abgetan worden sei, sei jedoch nicht gefälscht. Da seine Existenzgrundlage (im Kosovo) gesichert gewesen sei, sei er (der Beschwerdeführer) nicht aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen. Weil seine Niere bei der Verwundung mit dem Messer verletzt worden sei, müsse er regelmäßig zum Arzt gehen und es müsse der Zustand seiner rechten Niere kontrolliert werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde (ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung) die Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG ab, stellte gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Provinz Kosovo (Serbien) zulässig sei und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Provinz Kosovo (Serbien) aus.
Begründend hielt die belangte Behörde fest, dem Beschwerdeführer sei die Glaubhaftmachung der Gründe für seine behauptete Bedrohung nicht gelungen, wobei diesbezüglich auf die schlüssige Beweiswürdigung des Bundesasylamtes verwiesen werde. Das Bundesasylamt habe ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt (insbesondere seien vier niederschriftliche Einvernahmen mit dem Beschwerdeführer sowie Ermittlungen in seinem Heimatland zu dem von ihm vorgelegten Beweismittel durchgeführt worden), die Ergebnisse dieses Verfahrens, die Erwägungen der Beweiswürdigung und die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich in der Bescheidbegründung zusammengefasst; diesen Ausführungen - mit Ausnahme des ersten Absatzes auf der Seite 35 des erstinstanzlichen Bescheides (Anmerkung: demnach seien die Angaben des Beschwerdeführers über seine nachträgliche telefonische Bedrohung widersprüchlich) - schließe sich die belangte Behörde vollinhaltlich an und erhebe sie (und auch die Länderfeststellungen) zum Inhalt ihres Bescheides. Nach detaillierten Erwägungen zur Schlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung führte die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen aus, dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers sei aus den vom Bundesasylamt dargelegten Gründen die Glaubwürdigkeit zu versagen; der Beschwerdeführer habe nicht plausibel erklären können, warum sein Vater verhindern habe wollen, dass die Polizei von dem Vorfall Kenntnis erlange. Die Behauptung über die notwendigen ärztlichen Kontrollen seiner Niere erhebe der Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung; diese Behauptung sei auch nicht durch einen entsprechenden ärztlichen Befund belegt. Da die medizinische Grundversorgung im Kosovo als gesichert anzusehen sei, bestehe für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, in seiner Heimat adäquate ärztliche Betreuung zu erhalten; im Übrigen werde dazu auf die (im Bescheid näher dargestellte) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verwiesen. Das Berufungsvorbringen bringe somit "keine Ergänzung" und könne "mangels eines neuen und konkreten Vorbringens" keine Gefährdung im Sinne der §§ 7 oder 8 AsylG darlegen.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat sich der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes angeschlossen, die diesbezüglich im erstinstanzlichen Bescheid dargelegten Ausführungen (mit einer im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Ausnahme) zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben und sich im Einzelnen damit auseinandergesetzt, warum die erstinstanzlichen Erwägungen zur Beweiswürdigung als schlüssig anzusehen seien.
In der Berufung wurden jedoch neue, bisher nicht dargestellte Gründe dargelegt, um das (im Rahmen der "Gesamtschau" von der Behörde erster Instanz in den Vordergrund gestellte und demnach) entscheidende Bedenken des Bundesasylamtes, der Beschwerdeführer habe eine gefälschte Entlassungsbestätigung vorgelegt, bzw. er habe damit versucht, die Behörde durch eine strafbare Handlung (nämlich die Vorlage einer "Totalfälschung") zu einer positiven Entscheidung über seinen Asylantrag zu "verleiten", auszuräumen. Obwohl die belangte Behörde davon ausging, das Berufungsvorbringen bringe "insgesamt keine Ergänzung", sah sie sich insoweit zu einer ergänzenden Beweiswürdigung veranlasst, als sie diesem Berufungsvorbringen unter Verweis auf die Erwägungen der erstinstanzlichen Beweiswürdigung pauschal die Glaubwürdigkeit versagte, bzw. dem Vorbringen über die Nierenkontrollen entgegenhielt, diese Behauptung sei "erstmals geltendgemacht" bzw. nicht ausreichend durch ärztliche Befunde belegt worden. Auf das Berufungsvorbringen zur Ausstellung bzw. Echtheit der vorgelegten Entlassungsbestätigung ging die belangte Behörde damit nicht konkret ein.
Dem Berufungsvorbringen ist aber auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den (oben dargestellten) entscheidenden Vorwurf gegen die mangelnde Glaubwürdigkeit seines Gesamtvorbringens mit einer Ergänzung der Beweisgrundlage ausräumen möchte; er beantragte daher insbesondere auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die belangte Behörde hätte sich daher nicht auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern sie hätte den Beschwerdeführer zu den neu vorgebrachten Gesichtspunkten vernehmen müssen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0389, und vom 27. Jänner 2000, Zl. 98/20/0472).
Eine ergänzende Beweiswürdigung bzw. Neubewertung des Vorbringens des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der in der Berufung gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung vorgebrachten Überlegungen hätte von der belangten Behörde gleichfalls nicht ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vorgenommen werden dürfen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2005/01/0106, und vom 9. Mai 2006, Zl. 2006/01/0096, und die jeweils darin angegebene Judikatur).
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz (Schriftsatzaufwand) beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. Februar 2007
Schlagworte
ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006010619.X00Im RIS seit
27.03.2007