Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litbLeitsatz
Zulässigkeit des - auf Grund der Anzeige eines positiven Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und einem Oberlandesgericht iSd Art138 Abs1 litb B-VG - von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des §43 VfGG zur Gänze; keine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten bei verfassungskonformer Interpretation; keine übermäßige oder unsachliche Einschränkung der Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung von positiven Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten durch das Erfordernis der Anzeige noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung auf Grund der Verpflichtung der Gerichte zur Anzeige und des subsidiären Anzeigerechts der ParteienSpruch
§43 VfGG wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Beschluss vom 22. Mai 2001 zeigte das Oberlandesgericht Innsbruck dem Verfassungsgerichtshof einen Kompetenzkonflikt zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Landesgericht/Oberlandesgericht Innsbruck gemäß Art138 Abs1 litb B-VG iVm §43 Abs1 VfGG "zum Zwecke der allfälligen Einleitung des Verfahrens gemäß §43 Abs3 VfGG an" und legte die Bezug habenden Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vor.
2. Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt:
a) Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. März 1999, ZVa 999-11.568/15-1999, wurde E. Ö. aufgrund seines Antrages vom 12. Oktober 1998 gemäß §§2, 3, 4 und 6 Tiroler PflegegeldG, LGBl. 8/1997 (im Folgenden: TPGG) ab 1. November 1998 Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt; über seinen Antrag vom 28. Jänner 1999 auf Erhöhung des Pflegegeldes sollte gesondert entschieden werden.
E. Ö. verstarb noch vor Anweisung des fälligen Betrages und vor Entscheidung über den zuletzt genannten Antrag.
Nach Einantwortung seines Nachlasses an die Intestaterbin stellte diese am 17. Februar 2000 an die Tiroler Landesregierung (verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) den Antrag "auf Fortsetzung des Verfahrens beim Amt der Tiroler Landesregierung zur Zahl Va 999-11.568/15-1999 und bescheidmäßiger Erledigung des Antrages vom 28.1.1999 sowie Auszahlung der bis zum Tod des Pflegebefohlenen angewachsenen Pflegegelder".
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 2000 wurde mit Spruchpunkt 1 dem Wiedereinsetzungsantrag der Erbin stattgegeben und mit Spruchpunkt 2 der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens auf Gewährung bzw. Erhöhung des Pflegegeldes mit der Begründung abgewiesen, dass die in den §§12 und 23 TPGG normierten Voraussetzungen hiefür nicht erfüllt seien. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt hinsichtlich des Spruchpunktes 1 den Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts und hinsichtlich des Spruchpunktes 2 den Hinweis auf die Klagsmöglichkeit vor dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht.
b) Gegen diesen Bescheid erhob die Erbin zum einen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, zum anderen brachte sie beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht Klage ein.
aa) Vor dem Verwaltungsgerichtshof machte sie geltend, dass sie zu Unrecht als nicht zur Fortsetzung des Verfahrens "auf Gewährung bzw. Erhöhung" des Pflegegeldes iSd §§12 iVm 23 TPGG berechtigt qualifiziert worden sei; auch im Hinblick auf ihre Rechtsstellung als Alleinerbin bestehe der von ihr begehrte Anspruch im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge des §531 ABGB. Bei rechtsrichtiger Entscheidung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass die Beschwerdeführerin als Partei zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt sei "und ihr auch die Geldleistungen bis zum Tod des [E. Ö.] ... zustehen und aus[zu]zahlen" seien.
Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit (den Parteien des dg. Verfahrens am 23. März 2001 zugestellten) Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Z2000/11/0277, ab. Er begründete seine Zuständigkeit mit der Feststellung, dass mit dem angefochtenen Bescheid darüber entschieden worden sei, ob die Erbin zur Fortsetzung des von E. Ö. eingeleiteten Verfahrens berechtigt sei. Dies sei eine verfahrensrechtliche Frage, deren Lösung nicht im Wege der sukzessiven Zuständigkeit mit Klage vor das Arbeits- und Sozialgericht gebracht werden könne.
bb) In ihrer Klage beantragte die Erbin, die beklagte Partei (das Land Tirol) schuldig zu erkennen, ab dem Tag der Antragstellung bis einschließlich des Todestages des E. Ö. Pflegegeld zu bezahlen. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie gemäß §§12 und 23 TPGG als zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigte Partei anzusehen sei; sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, seien sämtliche Ansprüche des E. Ö. nach dem TPGG auf sie als Alleinerbin im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge des §531 ABGB übergegangen.
Das Landesgericht Innsbruck erkannte als Arbeits- und Sozialgericht mit (den Parteien des dg. Verfahrens am 6. März 2001 zugestellten) Urteil vom 8. Februar 2001 das beklagte Land Tirol dem Grunde nach schuldig, Pflegegeld (ab Antragstellung bis zum Todestag des E. Ö.) an die klagende Erbin zu bezahlen; begründend führte es insbesondere aus, dass die Klägerin als Erbin zur Fortsetzung des Verfahrens und damit auch zur Klage gegen den die Fortsetzungsberechtigung verneinenden Bescheid berechtigt sei.
Dieses Urteil wurde vom beklagten Land Tirol mit Berufung bekämpft; dieses Berufungsverfahren behängt nunmehr beim Oberlandesgericht Innsbruck, welches die eingangs erwähnte Anzeige beim Verfassungsgerichtshof erstattet hat.
II. Bei Behandlung dieser Anzeige sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §43 VfGG entstanden; er hat daher mit Beschluss vom 11. Oktober 2001 ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet:
1. Die in Prüfung genommene Gesetzesbestimmung, die noch in der Fassung der Wiederverlautbarung BGBl. 85/1953 in Geltung steht und - wie im Hinblick auf eine Bemerkung in der Äußerung der Bundesregierung festgehalten werden soll - durch das 1. BRBG, BGBl. I 191/1999, keine Änderung erfahren hat, hat folgenden Wortlaut:
"(1) Ist ein Kompetenzkonflikt dadurch entstanden, daß der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht oder der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof selbst oder endlich ein ordentliches und ein anderes Gericht (Art138 Abs1 litb des Bundes-Verfassungsgesetzes) die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen haben (bejahender Kompetenzkonflikt), so hat der Verfassungsgerichtshof nur dann ein Erkenntnis zu fällen, wenn von dem Gericht oder von einem der genannten Gerichtshöfe ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht gefällt ist.
(2) Hat ein Gericht bereits einen rechtskräftigen Spruch in der Hauptsache gefällt, so bleibt die alleinige Zuständigkeit dieses Gerichtes aufrecht.
(3) Lag ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht vor, so ist das Verfahren zur Entscheidung des Kompetenzkonfliktes einzuleiten, sobald der Verfassungsgerichtshof von dem Entstehen des Konfliktes, sei es durch Anzeige eines im Abs1 bezeichneten Gerichtes oder der an der Sache beteiligten Behörden oder Parteien, sei es durch den Inhalt seiner eigenen Akten, Kenntnis erlangt.
(4) Die im Abs3 genannten Behörden sind zu dieser Anzeige verpflichtet.
(5) Die Einleitung des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof unterbricht das bei dem betreffenden Gericht anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des Kompetenzkonfliktes."
Die damit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen der §§44, 45 und 48 VfGG lauten wie folgt:
"§44. Während der Unterbrechung kann die Aufschiebung einer bewilligten Exekution, die Exekution zur Sicherstellung, eine einstweilige Verfügung oder deren Aufschiebung von dem zuständigen Gerichte nach Maßgabe der Bestimmungen der Exekutionsordnung bewilligt werden.
§45. Zur Verhandlung sind die beteiligten Parteien zu laden. Den beteiligten Behörden, einschließlich der Gerichte, ist das Erscheinen freizustellen."
"48. Die am Verfahren beteiligten Personen sind berechtigt, im Fall eines Kompetenzkonfliktes gemäß den §§42, 43 und 47 an die zur Antragstellung berufene Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde das Begehren zu richten, den Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes im Sinne des Gesetzes zu stellen. Wird diesem Antrag binnen einer Frist von vier Wochen nicht entsprochen, so ist die Partei selbst berechtigt, den Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes binnen weiteren vier Wochen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen."
2. Vorläufig davon ausgehend, dass zumindest insoweit ein positiver Kompetenzkonflikt bestehen dürfte, über den der Verfassungsgerichtshof gemäß Art138 Abs1 litb B-VG zu entscheiden berufen sei, als es in beiden Verfahren u.a. um die für die Zuerkennung des erhöhten Pflegegeldes an die klagende bzw. beschwerdeführende Person entscheidende Frage gehen dürfte, ob sie berechtigt ist, das von E. Ö. seinerzeit eingeleitete Verfahren fortzusetzen, heißt es in der Begründung des Prüfungsbeschlusses u.a. wörtlich:
"Nach Art138 Abs1 litb B-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof unter anderem 'über Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten'. Nun scheint §43 VerfGG 1953 diese Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes insofern einzuschränken, als durch diese Bestimmung die Zuständigkeit zur Entscheidung von bejahenden Kompetenzkonflikten auf den Fall beschränkt ist, daß weder vom Gericht noch vom Verwaltungsgerichtshof ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache gefällt ist (Abs1), und in Abs2 bestimmt ist, daß ein rechtskräftiger Spruch eines Gerichts in der Hauptsache dazu führt, daß die alleinige Zuständigkeit dieses Gerichts aufrecht bleibt.
...
Es scheint, daß der Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Einleitung eines Verfahrens über einen bejahenden Kompetenzkonflikt im vorliegenden Falle diese Bestimmung anzuwenden hätte, da in der Sache eine rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die nach §43 VerfGG 1953 die Fällung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ausschlösse. Der Verfassungsgerichtshof dürfte daher die in Prüfung genommene Bestimmung im anhängigen Verfahren anzuwenden haben; da er vorläufig davon ausgeht, daß die einzelnen Absätze des §43 VerfGG 1953 miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, hat er beschlossen, die Bestimmung insgesamt in Prüfung zu nehmen.
3. Seine Bedenken legte der Verfassungsgerichtshof wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, daß die in Prüfung genommene Bestimmung in Widerspruch zu Art138 Abs1 litb B-VG steht, der den Verfassungsgerichtshof ohne weitere Einschränkung zur Entscheidung über bejahende Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und anderen Gerichten beruft und anscheinend vor dem Hintergrund des auch die Bestimmung des Art83 Abs2 B-VG prägenden Gedankens zu verstehen ist, zu gewährleisten, daß in Konflikten über die Zuständigkeitswahrnehmung durch verschiedene Staatsorgane jeweils das gesetzlich zuständige Organ entscheidet. Auch dürfte die Regelung in Widerspruch zu den Anforderungen des dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebots stehen:
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß es der Sinn der Gewährleistung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist, die Einhaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung zu sichern; diesem Ziel dürfte auch Art138 Abs1 B-VG dienen, der den Verfassungsgerichtshof dazu beruft, Zuständigkeitsstreitigkeiten bestimmter Art zu entscheiden und damit zu bewirken, daß Rechtsstreitigkeiten von den vom Gesetz dazu berufenen Staatsorganen entschieden werden.
Der in Prüfung genommene §43 VerfGG 1953 scheint dies für den Fall des Bestehens eines bejahenden Zuständigkeitsstreits zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und anderen Gerichten bei gleichzeitig anhängigen Verfahren insofern einzuschränken, als er bestimmt, daß die erste getroffene rechtskräftige Entscheidung eines jener Staatsorgane, die die Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen, endgültig Bestand haben soll.
Eine Ermächtigung zu einer solchen Einschränkung kann der Verfassungsgerichtshof in Art138 Abs1 B-VG nicht erkennen: Der Gerichtshof geht dabei davon aus, daß ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen zwei Gerichtsbehörden voraussetzt, daß beide Gerichtsbehörden die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen haben, was offenbar nicht schon dann anzunehmen ist, wenn sie angerufen werden, sondern wohl - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - ein Einlassen in die Sache verlangt. Zwar sind nun die beteiligten Gerichte gemäß §43 Abs4 VerfGG 1953 verpflichtet, dem Verfassungsgerichtshof Anzeige zu erstatten, sobald sie in Kenntnis des Bestehens eines bejahenden Kompetenzkonfliktes sind, und §48 leg.cit. normiert eine subsidiäre Antragslegitimation der Parteien; ... [es folgt die wörtliche Wiedergabe dieser Bestimmung].
Der den Abs1 abschließende Halbsatz, Abs2 und der Einleitungssatz des Abs3 des §43 VerfGG 1953 dürften aber in einem nicht erklärbaren und auch sachlich nicht rechtfertigbaren Widerspruch zu dieser Regelungskonzeption stehen und damit die dem Verfassungsgerichtshof durch Art138 Abs1 litb B-VG eingeräumte Kompetenz unzulässig einschränken. Denn diese Bestimmung dürfte die Anordnung enthalten, daß solche bejahenden Kompetenzkonflikte zumindest dann, wenn sie offenbar werden, vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden können, dem dann die Aufgabe übertragen ist, zu entscheiden, welches der die Kompetenz in Anspruch nehmenden Staatsorgane zur Entscheidung zuständig ist. Es dürfte verfassungswidrig und insbesondere auch nicht von der Ermächtigung des Art148 B-VG gedeckt sein, daß der einfache Gesetzgeber diese von der Verfassung dem Verfassungsgerichtshof übertragene Kompetenz für bestimmte Konstellationen einschränkt:
Der Verfassungsgerichtshof hätte kein Bedenken, wäre bloß normiert, daß der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Lösung eines bejahenden Kompetenzkonflikts dann nicht (mehr) einleiten darf, wenn ein Verfahren bei einem Gericht eingeleitet wird, nachdem schon ein anderes rechtskräftig entschieden hat. Möglicherweise ließe sich die Unzulässigkeit der Behandlung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes auch in solchen Fällen rechtfertigen, in denen eine der beteiligten Gerichtsbehörden allein deshalb bereits zu einer rechtskräftigen Entscheidung gekommen ist, weil sie vom Bestehen eines bejahenden Kompetenzkonflikts keine Kenntnis erhalten hat. Die inkriminierten Bestimmungen scheinen zumindest ihrem Wortlaut nach in ihrem Anwendungsbereich aber nicht auf derartige Fälle beschränkbar zu sein, und auch eine systematische Interpretation, die den Zusammenhang mit §48 VerfGG 1953 beachtet, spricht gegen eine solche - möglicherweise verfassungskonforme - Deutung: Während nämlich nach §48 VerfGG 1953 den Parteien eine subsidiäre Antragslegitimation für den Fall eingeräumt ist, daß die Gerichtsbehörde eine entsprechende Anzeige nicht erstattet, sind die Gerichtsbehörden andererseits nicht gehalten, in ihren Verfahren innezuhalten, wenn ein Begehren im Sinne des §48 VerfGG 1953 an sie gestellt wird. Gelangt eine von ihnen aber während der in §48 leg. cit. den Parteien eröffneten insgesamt achtwöchigen Frist zu einer rechtskräftigen Entscheidung, so dürfte das bewirken, daß die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Lösung des Kompetenzkonflikts wegfällt. Damit scheint aber die durch Art138 Abs1 litb B-VG begründete Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Lösung positiver Kompetenzkonflikte in unsachlicher Weise für bestimmte Fälle ausgeschlossen zu sein. Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß weder das Ziel, rechtskräftigen Entscheidungen im Interesse der Rechtssicherheit weitgehende Bestandskraft zu sichern, noch ein sonstiger Umstand eine so weit gehende Beschränkung seiner verfassungsrechtlich vorgesehenen Kompetenz zu rechtfertigen vermag."
III. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie (zumindest) die (teilweise) Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens, in eventu den Ausspruch begehrt, dass §43 VfGG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
1. Die für die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens erforderliche Präjudizialität des in Prüfung stehenden §43 VfGG wird von der Bundesregierung primär mit dem Argument bestritten, dass die vorläufige Annahme des Einleitungsbeschlusses, es liege ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht und dem Verwaltungsgerichtshof vor, unzutreffend sei:
a) Abgesehen davon, dass ein bejahender Kompetenzkonflikt im Sinne des Art138 Abs1 B-VG (§43 VfGG) zwischen dem Landesgericht Innsbruck und dem Verwaltungsgerichtshof schon deswegen nicht vorliegen könne, weil der Verwaltungsgerichtshof - vom Fall der Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B-VG abgesehen - nie über den von der Partei geltend gemachten Anspruch, also in der (Verwaltungs-)Sache selbst zu entscheiden habe und dies von der Beschwerdeführerin auch nicht begehrt wurde, liege (auch) kein Bescheid vor, aufgrund dessen gemäß §20 TPGG Klage hätte erhoben werden können.
An das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 2000, Z99/11/0176, wonach
"[d]ie Versagung der Fortsetzung des Verfahrens nach §23 TPGG ... - abgesehen von Fällen, in denen die in dieser Gesetzesstelle genannte Frist nicht eingehalten wurde - nur darauf gegründet werden [kann], dass die die Fortsetzung beantragende Person nicht zu dem im §12 Abs1 leg. cit. genannten Personenkreis gehört. Die Frage, ob der Verstorbene, der den Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld gestellt hatte, die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat, ist nicht Gegenstand des Bescheides, mit dem über die Fortsetzungsberechtigung abgesprochen wird. Die Antragsberechtigung kann nicht mit der Begründung verneint werden, die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch seien nicht erfüllt, dieser stehe dem Antragsteller daher nicht zu. Vertritt die Behörde die Auffassung, dass der Verstorbene die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung von Pflegegeld nicht erfüllt hat, hat sie demnach im Falle der rechtzeitigen Stellung eines Fortsetzungsantrages durch einen dazu im Grunde des §23 iVm §12 Abs1 TPGG Berechtigten nicht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens sondern den Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld abzuweisen. Aufgrund eines solchen Bescheides kann dann Klage gemäß §20 TPGG erhoben werden",
anknüpfend vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass zwischen zwei Fragen ("Sachen" iSd §8 AVG) zu unterscheiden sei: der Frage nämlich, ob die die Fortsetzung beantragende Person zu dem in §23 iVm §12 Abs1 TPGG genannten Personenkreis gehöre, und der Frage, ob der Verstorbene die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung von Pflegegeld nach dem TPGG erfüllt habe.
Gegenstand des vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Landesgericht bekämpften Bescheides sei nur die erstgenannte - verfahrensrechtliche - Frage gewesen; nur diese habe den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens gebildet; über die zweite - materiellrechtliche - Frage wurde indes mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid nicht entschieden und sie war demgemäß auch nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens, woraus folge, dass das Landesgericht Innsbruck nicht "in derselben Sache" entschieden habe wie der Verwaltungsgerichtshof.
Was nach Auffassung der Bundesregierung allenfalls vorliegen könnte, wäre ein - nach Art138 Abs1 B-VG nicht lösbarer (VfSlg. 1341/1930) - Bindungskonflikt zwischen der Tiroler Landesregierung und dem Landesgericht Innsbruck. Das Landesgericht Innsbruck habe nämlich in seinem Urteil vom 8. Februar 2001 die Frage, ob die Klägerin zu dem im §12 Abs1 TPGG genannten Personenkreis gehöre, als Vorfrage selbständig beurteilt, obwohl diese Frage bereits von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 14. September 2000 als Hauptfrage entschieden worden sei.
b) Weiters tritt die Bundesregierung der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass die einzelnen Absätze des §43 VfGG miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, entgegen:
"§43 VerfGG 1953 enthält eine Regelung für bejahende Kompetenzkonflikte zwischen unterschiedlichen Gerichtstypen, dem Verwaltungsgerichtshof und einem anderen Gericht (Abs1 erster Tatbestand), dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof (Abs1 zweiter Tatbestand) und ordentlichen und anderen Gerichten (Abs1 dritter Tatbestand). Da hier denkmöglich nur ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und einem anderen Gericht vorliegen kann (Abs1 erster Tatbestand), kann - sollten sich die im Einleitungsbeschluss geäußerten Bedenken im Gesetzesprüfungsverfahren als zutreffend erweisen - die festgestellte Verfassungswidrigkeit mit einer Aufhebung der Wortfolge 'der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht oder' in §43 Abs1 VerfGG 1953 vollständig beseitigt werden; im Übrigen wäre das Gesetzesprüfungsverfahren nach Auffassung der Bundesregierung einzustellen."
c) Schließlich weist die Bundesregierung noch darauf hin, dass die in Prüfung gezogene Norm in der Fassung zu prüfen wäre, die sie durch das 1. BRBG, BGBl. I 191/1999, erhalten habe.
2. In der Sache selbst hält die Bundesregierung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes Folgendes entgegen:
a) Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass §43 Abs1 VfGG eine verfassungswidrige Einschränkung des Art138 Abs1 B-VG enthalte, weil seine Zuständigkeit zur Entscheidung von bejahenden Kompetenzkonflikten zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten auf den Fall beschränkt werde, dass weder von dem Gericht noch vom Verwaltungsgerichtshof ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache gefällt ist, träfe dann zu, wenn ein vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt (zwischen einem Gericht und dem Verwaltungsgerichtshof) auch dann vorläge, wenn das Gericht oder der Verwaltungsgerichtshof eine rechtskräftige Entscheidung in der Sache gefällt haben. Dies sei jedoch nicht der Fall:
Bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 257/1924 habe der Verfassungsgerichtshof folgende Aussage über den "Einfluss der Rechtskraft der administrativen Entscheidungen auf die Frage des Kompetenzkonfliktes" getroffen (Rechtsätze, S 1):
"1. Ein durch den Verfassungsgerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt zwischen einem Land und dem Bund liegt dann nicht vor, wenn auch nur eine der Behörden, zwischen denen der Konflikt entstanden ist, in derselben Sache bereits rechtskräftig entschieden hat.
2. Eine Unterbrechung eines Verwaltungsverfahrens ist nur möglich, wenn das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist."
und hiezu in den Entscheidungsgründen ausgeführt (S 3 f.):
"Nach den den Artikel 138 der Bundesverfassung näher durchführenden Bestimmungen des Gesetzes vom 13. Juli 1921, B. G. Bl. Nr. 364, über die Organisation und über das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes ist ein durch den Verfassungsgerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt nicht gegeben, wenn beide Behörden in derselben Sache bereits rechtskräftig entschieden haben. Ist eine der beiden Behörden, zwischen denen der Konflikt besteht, ein Gericht, sei es ein ordentliches Gericht, sei es der Verwaltungs- oder der Verfassungsgerichtshof, und hat in einem solchen Falle auch nur das Gericht in der Sache schon rechtskräftig entschieden, dann kann ein Kompetenzkonflikt vor dem Verfassungsgerichtshof nicht geltend gemacht werden. So bestimmt das Gesetz im §40 [Anmerkung:
entspricht §43 VfGG 1953], daß im Falle eines Konfliktes zwischen einem Gerichte und einer Verwaltungsbehörde der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes nur gestellt werden kann, so lange nicht vom Gerichte in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt ist, und demgemäß wird auch die weitere Bestimmung getroffen, daß durch Anmeldung des Kompetenzkonfliktes das anhängige Verfahren unterbrochen wird. So bestimmt das Gesetz weiter, im Falle eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und einem Gericht oder dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof, daß ein Verfahren zur Entscheidung eines solchen Konfliktes vor dem Verfassungsgerichtshof nicht möglich ist, wenn von dem Gericht oder einem der genannten Gerichtshöfe ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache bereits gefällt ist, und daß durch das beim Verfassungsgerichtshof eingeleitete Verfahren das bei dem betreffenden Gericht anhängige Verfahren unterbrochen wird.
Auch die Bestimmungen des §45 [Anmerkung: entspricht §47 VfGG 1953], die sich auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Land und dem Bund beziehen, gehen von der Voraussetzung aus, daß die Behörden, zwischen denen der Konflikt entstanden ist, in der Sache selbst noch nicht rechtskräftig entschieden haben. Andernfalls wäre es sinnlos, daß §45, Absatz 4 [Anmerkung: entspricht §47 Abs4 VfGG 1953], genau so wie in den vorerwähnten Fällen anordnet, daß die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes die Unterbrechung des bei den Verwaltungsbehörden anhängigen Verfahrens zur Folge habe. Eine Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens ist eben nur möglich, wenn das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Dem Antrag, den die eine der beiden Regierungen gemäß §45, Absatz 1 [Anmerkung:
entspricht §47 Abs1 VfGG 1953], auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes beim Verfassungsgerichtshof stellt, darf nicht eine rechtskräftige Entscheidung der anderen Regierung, beziehungsweise der dieser Regierung unterstehenden Behörde entgegenstehen. Aus dieser Voraussetzung erklärt sich offenbar auch, daß das Gesetz den bejahenden Kompetenzkonflikt dahin bestimmt, daß zwei Behörden in derselben Sache eine Entscheidung 'in Anspruch' nehmen, und daß nicht etwa davon gesprochen wird, daß beide Behörden in derselben Sache entschieden haben. Liegt die rechtskräftige Entscheidung einer Behörde vor, dann kann nicht mehr von einem bloßen 'Inanspruchnehmen' der Entscheidung gesprochen werden."
Die Ausführungen des Erkenntnisses VfSlg. 257/1924 seien - so die Bundesregierung - vor dem Hintergrund des §45 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1921, BGBl. 364, zu sehen, der die Frage, wie lange ein Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen einem Land und dem Bund gestellt werden konnte, noch nicht ausdrücklich regelte. Dessen ungeachtet sei der Verfassungsgerichtshof aufgrund wörtlicher und systematischer Interpretation zum Ergebnis gelangt, dass ein solcher Antrag nur so lange gestellt werden kann, als nicht eine der beteiligten Behörden bereits rechtskräftig entschieden hat. Er habe sich dabei allerdings nicht nur auf §40 Abs1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1921 gestützt, sondern habe auch §48 dieses Gesetzes entscheidende Bedeutung zugemessen, wonach das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nur einen Ausspruch über die Kompetenz zu enthalten hatte; daraus habe der Verfassungsgerichtshof den Schluss gezogen, dass er zur Aufhebung der rechtskräftigen Entscheidung auch dann nicht befugt ist, wenn diese seiner Rechtsanschauung widerspricht (vgl. demgegenüber heute §51 VfGG 1953).
Während nach §40 Abs1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1921 der Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde nur so lange gestellt werden konnte, "als nicht von dem Gericht in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt" worden war, sei es nach §42 Abs1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1925, BGBl. 454, lediglich darauf angekommen, dass "nicht in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt" worden war. Durch diese neue Fassung sei laut VfSlg. 1341/1930 (S 98 ff.)
"lediglich ausdrücklich verfügt, daß ein bejahender Kompetenzkonflikt auch dann noch anzunehmen ist, wenn bereits eine der beiden Behörden oder auch beide Behörden in der Sache eine - noch nicht rechtskräftige - Entscheidung getroffen haben. Und als Folgerung aus dieser Bestimmung hat dann §51 Verf. G. G. von 1925 verfügt, daß das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Kompetenz auch die Aufhebung der diesem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte auszusprechen habe. Der Sinn dieser Gesetzesbestimmungen, die Absicht, von der der Gesetzgeber bei diesen Neuerungen geleitet war, stehen eindeutig fest. Wie die Entstehungsgeschichte erkennen läßt, verfolgte der Gesetzgeber damit keine andere Absicht, als jeden Zweifel darüber auszuschließen, bis zu welchem Zeitpunkt ein bejahender Kompetenzkonflikt beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann. Den Anlaß dafür, diese Frage einer ausdrücklichen Regelung zuzuführen, bot das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1924, Z. K6/23 (Slg. 257), in welchem dieser Gerichtshof erklärt hatte, daß ein Kompetenzkonflikt zwischen zwei Verwaltungsbehörden, nämlich einer Behörde des Bundes und einer Behörde eines Landes, dann nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn eine dieser beiden Behörden in der Sache selbst einen rechtskräftigen Bescheid getroffen hat. Im Hinblick auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde anläßlich der Verfassungsreform des Jahres 1925 und in der weiteren Folge anläßlich der Erlassung des neuen Verfassungsgerichtshofgesetzes von 1925 dem Nationalrat die Frage vorgelegt, ob nicht in Fällen dieser Art die Lösung eines Kompetenzkonfliktes durch den Verfassungsgerichtshof auch nach Erlassung eines rechtskräftigen Bescheides einer der beiden Behörden als zulässig erklärt werden sollte, da praktische Erwägungen für eine solche Regelung sprechen. Es wollte daher die Regierungsvorlage zur Bundes-Verfassungsnovelle von 1925 (Nr. 327 d. Blg., Nat. R., II. Ges. Periode) dem Artikel 138 des Bundes-Verfassungsgesetzes nachstehenden Absatz anfügen: 'Der Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes im Sinn des ersten Absatzes kann auch dann gestellt werden, wenn die Verwaltungsbehörden in der Sache rechtskräftig entschieden oder verfügt haben. Die entgegenstehende Entscheidung ist aufzuheben.' Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage führten zu diesem Vorschlag das Folgende aus: 'Der neue zweite Absatz soll die gegenwärtig ungelöste Frage regeln, in welchem Zeitpunkt ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsbehörden im Sinn der litc beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden muß. Die Lösung dieser Frage entspricht einer fühlbar gewordenen Forderung in der Praxis.' Der Verfassungsausschuß des Nationalrates erachtete nun (vgl. Bericht Nr. 422 d. Blg., Nat. R., II. Ges. Periode), daß diese Frage im Bundesverfassungsgesetz selbst nicht geregelt werden müsse, sondern daß das neue Verfassungsgerichtshofgesetz, dessen Erlassung im Hinblick auf die durchgreifenden Änderungen, die die Bundes-Verfassungsnovelle von 1925 an den Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes verfügte, sich als notwendig erwies, diese Frage zu regeln haben werde. Demgemäß hat nun die Vorlage der Bundesregierung für das neue Verfassungsgerichtshofgesetz (Nr. 465 d. Blg., Nat. R., II. Ges. Periode) im Sinn dieser Weisung des Verfassungsausschusses die Frage, in welchem Zeitpunkt noch ein bejahender Kompetenzkonflikt beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann, in ihren Vorschlägen einer Lösung zugeführt. Die Regierungsvorlage zum Verfassungsgerichtshofgesetz hat sich jedoch bezüglich dieser Frage - in Erweiterung der Vorschläge des Entwurfes zur Bundes-Verfassungsnovelle - nicht mehr bloß auf die Fälle beschränkt, in denen ein Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsbehörden des Bundes und eines Landes oder zweier Länder gegeben ist (§47 des Gesetzes), sondern diese Frage auch für den Fall eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen verschiedenen Gerichten (§43 des Gesetzes) und auch zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde (§42 des Gesetzes) berücksichtigt. Diese neuen Vorschläge verfolgten somit - und zwar auch für die Fälle eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde - keinen anderen Zweck, als für die Zukunft jeden Zweifel über die Frage auszuschließen, bis zu welchem Zeitpunkt noch ein Antrag auf Lösung eines Kompetenzkonfliktes beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann. Eine darüber hinausreichende Absicht war mit diesen Vorschlägen keinesfalls verbunden. Dies geht auch mit voller Klarheit aus der Begründung der Regierungsvorlage (Nr. 465 d. Blg., Nat. R., II. Ges. Periode) hervor, die zu §42 folgendes ausführte: 'Im ersten Absatz wurde ein neuer letzter Satz eingefügt, dessen Inhalt bisher schon geltendes Recht beim Verfassungsgerichtshof war. Die Aufnahme dieser Bestimmung erschien aber deshalb wünschenswert, weil im engeren Zusammenhang mit dieser Bestimmung die Analogie der Lösung von Kompetenzkonflikten zwischen Verwaltungsbehörden (Artikel 138, Absatz 1, litc, des Bundes-Verfassungsgesetzes) steht und ein bejahender Kompetenzkonflikt in diesen Fällen regelmäßig überhaupt nur geltend gemacht werden wird, wenn eine der beteiligten Verwaltungsbehörden in der Sache selbst bereits eine Verfügung oder eine Entscheidung getroffen hat, da eine andere Art der Inanspruchnahme der Kompetenz durch Verwaltungsbehörden beinahe nie in Frage kommen kann.' Die Absicht der Regierungsvorlage ging also erwiesenermaßen nur dahin, die Möglichkeit zu schaffen, daß ein bejahender Kompetenzkonflikt, namentlich auch zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, auch dann noch immer geltend gemacht werden kann, wenn eine dieser beiden Behörden oder beide Behörden in der Sache selbst bereits eine Entscheidung getroffen haben. An dieser Tendenz haben auch der Verfassungsausschuß und der Nationalrat anläßlich der Erledigung des neuen Verfassungsgerichtshofgesetzes keine wie immer geartete Änderung verfügt. Der Verfassungsausschuß hat lediglich den letzten Satz der Regierungsvorlage ('Dagegen steht die Rechtskraft des Bescheides der Verwaltungsbehörde der Entscheidung des Kompetenzkonfliktes durch den Verfassungsgerichtshof nicht im Weg.') gestrichen und hiezu in seinem Bericht (Nr. 484 Blg. d. Nat. R., II. Ges. Periode) ausgeführt: 'Der Ausschuß war der Meinung, daß durch den letzten Satz im Absatz 1 die Rechtssicherheit im Verwaltungsverfahren gefährdet werden könnte, und nahm daher dessen Streichung vor. In Konsequenz dieser Streichung mußten auch in den §§47, Absatz 1, und 52 die bezüglichen Stellen gestrichen werden.'
Die einzige Änderung, die der Verfassungsausschuß an der Regierungsvorlage vornahm, bezog sich somit darauf, daß entgegen der Absicht der Regierungsvorlage die Entscheidung des Gerichtes und die Entscheidung der Verwaltungsbehörde einander vollkommen gleichgestellt werden sollten, daß somit zwar ein Kompetenzkonflikt auch dann noch soll geltend gemacht werden können, wenn eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung einer der beiden oder beider Behörden vorliegt, daß aber im Fall eines rechtskräftigen Spruches ein Kompetenzkonflikt auf keinen Fall mehr geltend gemacht werden kann, und zwar nicht nur - wie es die Regierungsvorlage beabsichtigte -, wenn dieser rechtskräftige Spruch vom Gericht gefällt wurde, sondern auch, wenn die Verwaltungsbehörde in der Sache selbst einen rechtskräftigen Bescheid erlassen hatte."
Das Erkenntnis VfSlg. 257/1924 und die im Erkenntnis VfSlg. 1341/1930 näher dargestellte Entstehungsgeschichte des §42 Abs1 VerfGG 1925 machten deutlich, dass die zeitliche Beschränkung des Antragsrechtes bei bejahenden Kompetenzkonflikten mit der Rechtskraft der Entscheidung einer der beteiligten Gerichte bzw. Verwaltungsbehörden nie als verfassungswidrige Einschränkung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Kompetenzkonflikte nach Art138 B-VG angesehen worden sei. Im Gegenteil: Im Erkenntnis VfSlg. 257/1924 sei der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass "kein im Sinne der Bundesverfassung und des sie ausführenden [Verfassungsgerichtshofgesetzes] vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt" vorliege, gerade weil die im Anlassfall vorliegenden Entscheidungen bereits rechtskräftig geworden seien.
Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 257/1924 konnte nach Auffassung der Bundesregierung daher zu Art138 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 nur die Auffassung vertreten werden, dass er eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über bejahende Kompetenzkonflikte (zwischen zwei Ländern oder zwischen einem Land und dem Bund) nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung einer der beteiligten Behörden verfassungsgesetzlich ausschließe, nicht aber, dass er eine solche von Verfassungs wegen gebiete. Dies mag erklären, warum in der Regierungsvorlage der Bundes-Verfassungsnovelle 1925 (327 BlgNR II. GP) die Anordnung, dass der Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen Verwaltungsbehörden auch dann noch gestellt werden kann, "wenn die Verwaltungsbehörden in der Sache rechtskräftig entschieden oder verfügt haben" (Art138 Abs2 B-VG in der Fassung des §31 dieser Regierungsvorlage) zunächst in Form einer Verfassungsbestimmung getroffen werden sollte; gegen eine einfachgesetzliche Regelung gleichen Inhalts hätte nämlich vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 257/1924 das Bedenken erhoben werden können, dass sie gegen Art138 B-VG verstoße.
Richtigerweise werde jedoch davon auszugehen sein, dass dem einfachen Gesetzgeber ein gewisser Spielraum bei der Ausführung der Kompetenzbestimmung des Art138 B-VG eingeräumt sei. In diesem Sinne werde im Erkenntnis VfSlg. 1341/1930 (S 91) ausgeführt:
"Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kompetenzkonflikt zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde anzunehmen ist, hat das Bundes-Verfassungsgesetz selbst nicht beantwortet. Die Regelung dieser Frage blieb somit innerhalb des durch Artikel 138, Absatz 1, lita, B.-V.G. gezogenen Rahmens der einfachen Bundesgesetzgebung, nämlich dem im Artikel 148 B.-V.G. bezeichneten Bundesgesetz über die Organisation und über das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes (Verfassungsgerichtshofgesetz) überlassen."
b) Unter den Gesichtspunkten dieses Gesetzesprüfungsverfahrens stelle sich damit die Frage, ob die einfache Gesetzgebung den ihr "durch Art138 B-VG gezogenen Rahmen" überschreitet, wenn sie vorsieht, dass der Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes durch den Verfassungsgerichtshof von den beteiligten Gerichten bzw. Verwaltungsbehörden nur innerhalb bestimmter Fristen gestellt werden kann (gemäß §42 Abs1 VfGG: "nur so lange ..., als nicht in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt ist"; gemäß §43 Abs1 VfGG: "wenn von dem Gericht oder einem der genannten Gerichtshöfe ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht gefällt ist").
Zwar könnte im Hinblick auf den insoweit nicht differenzierenden Wortlaut des Art138 B-VG die Auffassung vertreten werden, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung bejahender Kompetenzkonflikte dürfe durch einfaches Gesetz in zeitlicher Hinsicht keinerlei Beschränkung unterworfen werden. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass keine einzige der Kompetenzbestimmungen des Sechsten Hauptstückes des B-VG die Zuständigkeiten der unabhängigen Verwaltungssenate, des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes an bestimmte Fristen binde oder sonst in zeitlicher Hinsicht regle. Dieser Umstand lasse nur zwei - einander wechselseitig ausschließende - Schlussfolgerungen zu:
"Entweder man nimmt an, dass derartige Regelungen verfassungsgesetzlich nicht vorgesehen sind und daher einfachgesetzlich nicht getroffen werden dürfen; verfassungswidrig wären diesfalls insbesondere
• die zweiwöchige Berufungsfrist des §63 Abs5 AVG, soweit sie gemäß §24 VStG für Berufungen im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen gilt (Art129a Abs1 Z1 B-VG),
• die sechswöchige Beschwerdefrist des §67c Abs1 AVG für Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art129a Abs1 Z2 B-VG),
• die sechswöchige Beschwerdefrist des §26 Abs1 VwGG (Art131 Abs1 B-VG) und
• die sechswöchige Beschwerdefrist des §82 Abs1 VerfGG 1953 (Art144 Abs1 B-VG).
In allen diesen Fällen müsste aus dem Umstand, dass die Zuständigkeiten der unabhängigen Verwaltungssenate, des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes von Verfassungs wegen an keine weiteren Bedingungen geknüpft werden, der Schluss gezogen werden, die einfachgesetzliche Festlegung einer Rechtsmittelfrist schränke diese Zuständigkeiten in verfassungswidriger Weise ein. Mehr noch: verfassungswidrig wären diesfalls nicht nur einfachgesetzliche Rechtsmittelfristen, sondern auch alle anderen einfachgesetzlichen Bestimmungen, in denen in der jeweiligen Verfassungsbestimmung nicht vorgesehene Prozessvoraussetzungen normiert werden. Auch der Umstand, dass eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG nicht in der erforderlichen Anzahl von Ausfertigungen eingebracht wird, nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen ist oder sonstigen formellen Erfordernissen nicht entspricht, kann nämlich dazu führen, dass der Verfassungsgerichtshof über diese Beschwerde nicht 'erkennt', weshalb konsequenterweise angenommen werden müsste, §19 Abs3 Z2 litc VerfGG 1953 verstoße aus diesem Grund gegen Art144 Abs1 B-VG. Diese Schlussfolgerung erscheint geradezu absurd und kann nicht richtig sein.
Richtigerweise wird man daher annehmen müssen, dass durch die einfache Gesetzgebung bestimmte 'das Verfahren und die Form betreffende Bedingungen' (Ringhofer, Bundesverfassung [1977], 417) selbst dann vorgesehen werden dürfen, wenn dies in der entsprechenden Kompetenzbestimmung des Sechsten Hauptstückes des B-VG nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Das Schweigen des Art144 Abs1 B-VG zur Frage, innerhalb welcher Frist eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden muss, ist also nicht etwa dahin [zu] deuten, dass die einfachgesetzliche Festlegung einer Beschwerdefrist verfassungswidrig wäre, sondern dahin, dass der Zeitraum, innerhalb welcher eine Beschwerde eingebracht werden muss, einfachgesetzlich frei geregelt werden kann."
Dass auch zeitliche Beschränkungen des Antragsrechtes bei bejahenden Kompetenzkonflikten mit der Rechtskraft der Entscheidung einer der beteiligten Gerichte bzw. Verwaltungsbehörden einfachgesetzlich vorgesehen werden dürfen, könne aber - wiederum vor dem Hintergrund der Erkenntnisse VfSlg. 257/1924 und 1341/1930 - nicht ernstlich bezweifelt werden. Denn wenn die einfache Gesetzgebung ermächtigt ist, "die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden anzunehmen ist," zu regeln (so ausdrücklich VfSlg. 1341/1930), müsse umso mehr angenommen werden, dass sie auch regeln könne, wie lange ein solcher Kompetenzkonflikt vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden kann.
Der Verfassungsgerichtshof selbst erkenne prinzipiell an, dass es Fallkonstellationen geben könne, in denen eine Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes weder von Verfassungs wegen noch aus in der Sache gelegenen Gründen erforderlich ist, wenn er in seinem Einleitungsbeschluss ausgeführt, dass er keine Bedenken hätte, wäre bloß normiert, dass er
"ein Verfahren zur Lösung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes dann nicht (mehr) einleiten darf, wenn ein Verfahren bei einem Gericht eingeleitet wird, nachdem schon ein anderes rechtskräftig entschieden hat" und sich "[m]öglicherweise ... die Unzulässigkeit der Behandlung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes auch in solchen Fällen rechtfertigen [ließe], in denen eine der beteiligten Gerichtsbehörden allein deshalb bereits zu einer rechtskräftigen Entscheidung gekommen ist, weil sie vom Bestehen eines bejahenden Kompetenzkonflikts keine Kenntnis erhalten hat".
Laut Erkenntnis VfSlg. 257/1924 (S 4) liege ein bejahender Kompetenzkonflikt nur so lange vor, als zwei Behörden in derselben Sache die Entscheidung "in Anspruch" nehmen. Liege die rechtskräftige Entscheidung einer Behörde vor, könne von einem bloßen "Inanspruchnehmen" der Entscheidung nicht mehr gesprochen werden. Da die "Inanspruchnahme" der Kompetenz durch zwei oder mehrere Behörden laut Lehre und Rechtsprechung ein essentielles Merkmal des "Kompetenzkonfliktes" sei, erscheine eine derartige zeitliche Beschränkung der Entscheidungszuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes verfassungsrechtlich prima facie unbedenklich, mag es in verfassungspolitischer Hinsicht auch Gründe geben, die in der Tat dafür sprächen, den Verfassungsgerichtshof auch zur Lösung solcher Entscheidungskonflikte zu berufen:
"Zu denken ist hier in erster Linie an die Wahrung der Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften (vgl. Art83 Abs1 B-VG) - allgemeiner formuliert: des objektiven Rechts - und an die Zentralisierung der Zuständigkeit zur Entscheidung über Kompetenzkonflikte beim Verfassungsgerichtshof. Beide Grundsätze sind in der österreichischen Rechtsordnung jedoch nicht lückenlos verwirklicht:
In den wichtigsten Verfahrenssystemen (ZPO, StPO, AVG, BAO) können Zuständigkeitsmängel zwar regelmäßig im Instanzenzug wahrgenommen werden. Es gibt aber auch Zuständigkeitsmängel, die von den Parteien des Verfahrens gerügt werden müssen, nur innerhalb eines bestimmten Stadiums des Verfahrens aufgegriffen werden können, die unter bestimmten Voraussetzungen 'heilen' oder deren Vorliegen rechtlich nicht von Bedeutung ist. Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung können Zuständigkeitsmängel entweder überhaupt nicht (ZPO, StPO) oder nur innerhalb bestimmter Fristen und unter erschwerten Voraussetzungen (AVG, BAO) aufgegriffen werden."
Die weitaus überwiegenden Fälle von Zuständigkeitsstreitigkeiten würden entweder von den beteiligten Behörden selbst ausgetragen oder von einer dritten Instanz [zB dem übergeordneten Gericht (§47 JN) oder der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde (§5 Abs1 AVG)] entschieden. Für einzelne Kompetenzkonflikte fehle nach geltender Rechtslage überhaupt eine Lösungsmöglichkeit.
Vor dem Hintergrund der Überlegung, dass Zuständigkeitsmängel nach den wichtigsten Verfahrenssystemen nach Eintritt der Rechtskraft entweder überhaupt nicht oder nur innerhalb bestimmter Fristen und unter erschwerten Voraussetzungen aufgegriffen werden können, sei eine entsprechende Regelung für die vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidenden Kompetenzkonflikte verfassungsrechtlich kaum zu beanstanden, zumal allein aus dem Umstand, dass eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, ja noch nicht folge, dass diese Entscheidung von der unzuständigen Behörde erlassen wurde oder aus anderen Gründen rechtswidrig ist: die Behörde könne ihre Zuständigkeit ja durchaus zu Recht in Anspruch genommen haben und sogar dann, wenn sie zur Entscheidung nicht zuständig gewesen sein sollte, könnte diese in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig sein.
Zu dem im Einleitungsbeschluss bereits selbst hervorgehobenen Ziel, rechtskräftigen Entscheidungen im Interesse der Rechtssicherheit weitgehende Bestandskraft zu sichern, komme noch ein weiterer wesentlicher Umstand:
"Verfahren über Zuständigkeitskonflikte sind Inzidentalverfahren, deren Durchführung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Mit der Entscheidung des Zuständigkeitskonfliktes allein ist für die Parteien des Ausgangsverfahrens aber noch nichts gewonnen; dies bedeutet zunächst nur, dass das Verfahren in der Hauptsache neuerlich durchgeführt werden muss und auch das benötigt Zeit. Neben dem Gedanken der Rechtskraft - allgemeiner: der Rechtssicherheit - ist auch das Interesse der Parteien an einer raschen und endgültigen Erledigung der Hauptsache ein wesentliches Argument für die Verfassungsmäßigkeit des §43 VerfGG 1953. Wenn der Gesetzgeber diesen beiden Gesichtspunkten durch die in §43 VerfGG 1953 getroffene Regelung entsprechende Bedeutung beigemessen hat, liegt dies nach Auffassung der Bundesregierung in seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum."
IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu den Prozessvoraussetzungen:
a) Art138 Abs1 litb B-VG beruft den Verfassungsgerichtshof, über Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und allen anderen Gerichten zu erkennen.
Dem Verfassungsgerichtshof liegt ein Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vor, mit dem dieses ihm gemäß §43 Abs3 VfGG einen positiven Kompetenzkonflikt anzeigt, der dadurch entstanden sein soll, dass der Verwaltungsgerichtshof und das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht die Entscheidung in derselben Sache in Anspruch genommen haben.
Die Frage der Zulässigkeit einer (meritorischen) Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof aufgrund des §43 VfGG zu lösen, der ein ineinander verzahntes System der Behandlung von Anzeigen/Anträgen und von Amts wegen einzuleitenden Verfahren schafft. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Fällung eines Erkenntnisses durch den Verfassungsgerichtshof ist dabei, dass ein rechtskräftiger Spruch eines Gerichts noch nicht vorliegt.
Da im vorliegenden Fall eine rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof diese einfachgesetzliche Vorschrift bei der Prüfung der Zulässigkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Lösung des angezeigten Kompetenzkonflikts anzuwenden.
Die in Prüfung genommene Bestimmung ist daher präjudiziell, auch wenn die Ansicht der Bundesregierung zutreffen sollte, dass das Landesgericht Innsbruck und der Verwaltungsgerichtshof nicht über dieselbe Sache entschieden haben.
b) Was die Frage des Prüfungsumfangs anlangt, ist die Bundesregierung zwar im Recht, wenn sie die Auffassung vertritt, dass die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit für den Anlassfall, in dem es um einen behaupteten Kompetenzkonflikt zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und einem anderen Gericht geht, durch die Wortfolge "der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht oder" bewirkt wird. Die Aufhebung bloß dieser Wortfolge würde aber die angenommene Verfassungswidrigkeit noch verstärken: Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gingen nämlich (u.a.) dahin, dass die ihm durch Art138 Abs1 litb B-VG eingeräumte Kompetenz durch §43 VfGG unzulässig eingeschränkt werde. Folgte man der Auffassung der Bundesregierung, führte das aber zu keiner Bereinigung der Rechtslage, denn die verbleibende Regelung schlösse die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung bejahender Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und anderen Gerichten zur Gänze aus.
2. In der Sache:
a) Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, dass §43 VfGG in Widerspruch zu Art138 Abs1 litb B-VG stehen dürfte, der den Verfassungsgerichtshof ohne weitere Einschränkung zur Entscheidung über bejahende Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und anderen Gerichten beruft.
Dieses Bedenken hat sich als nicht zutreffend erwiesen:
Wie sich aus der - in VfSlg. 1341/1930 ausführlich geschilderten - Entstehungsgeschichte des Art138 (Abs1) B-VG ergibt, war im Jahre 1925 beabsichtigt, diese Bestimmung durch eine Regelung des Inhalts zu ergänzen, dass ein Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen Verwaltungsbehörden auch dann gestellt werden könne, wenn die Verwaltungsbehörden in der Sache rechtskräftig entschieden oder verfügt haben.
Diese Änderung wurde in der Regierungsvorlage damit begründet (vgl. 327 BlgNR 2. GP zur nachmaligen B-VG-Novelle 1925, S 5 und 11), dass die ungelöste Frage geregelt werden sollte, in welchem Zeitpunkt ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsbehörden beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden müsse. Der diese Regelung enthaltende Absatz wurde, und zwar laut dem Ausschussbericht zur B-VG-Novelle 1925 (422 BlgNR 2. GP, S 2) mit der Begründung, dass "die Regelung dieser Frage dem Organisationsgesetz über den Verfassungsgerichtshof vorbehalten wird", gestrichen.
Daraus lässt sich - worauf die Bundesregierung zutreffend hinweist - im Zusammenhalt mit dem hg. Erkenntnis VfSlg. 257/1924 ableiten, dass es zwar zum vorgeprägten Verständnis des Kompetenzkonfliktsbegriffes iSd B-VG gehört, dass es sich um einen Streit zweier Behörden über ihre Zuständigkeit handeln müsse, dieser Behördenstreit sich auf dieselbe Sache beziehen müsse und - je nachdem ob ein positiver oder ein negativer Kompetenzkonflikt vorliegt - eine der in Streit verfangenen Behörden zu Unrecht ihre Entscheidung bejaht bzw. verneint haben müsse. Die Frage aber, ob und bejahendenfalls welche weiteren Voraussetzungen für die Behandlung eines so bestimmten Kompetenzkonfliktes durch den Verfassungsgerichtshof erfüllt sein müssen, hat der historische Verfassungsgesetzgeber dem einfachen Gesetzgeber zur Regelung überlassen. Dass eine derartige Ausgestaltung bis zu einem gewissen Grad auch einschränkend wirken kann, versteht sich von selbst, und auch in den soeben zitierten Materialien wird darauf hingewiesen. Auch die von der Bundesregierung ins Treffen geführten Beispiele machen das deutlich.
b) Eine derartige Einschränkung darf aber nicht den Sinn und Zweck jener Verfassungsbestimmung, die sie näher ausgestaltet, unterlaufen und sie darf auch zu keinen unsachlichen Ergebnissen führen. In diese Richtung ging das zweite Bedenken des Gerichtshofes, dass nämlich die verfassungsrechtlich begründete Zuständigkeit zur Lösung positiver Kompetenzkonflikte in unsachlicher Weise für bestimmte Fälle ausgeschlossen sein dürfte. §43 VfGG wäre also verfassungswidrig, wenn er die Funktion des Art138, nämlich Zuständigkeitsstreitigkeiten (so sie offenbar werden) durch den Verfassungsgerichtshof entscheiden zu lassen, unterliefe oder wenn er zu unsachlichen Ergebnissen führte.
Zu einem solchen Ergebnis führt die Vorschrift aber nicht: