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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §56 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. P. Trefil, über die Beschwerde des P, geboren 1975, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 9. November 2006, Zl. 1- 1013330/FP/06, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 26. September 2006 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.
Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer 1998 eingereist und gegen ihn mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Bei Beantragung von Asyl habe er angegeben, aus dem Sudan zu stammen. Dieser Asylantrag sei seit 2. Jänner 2001 rechtskräftig abgewiesen. Nach Zurückweisung eines neuen Asylantrages sei das Berufungsverfahren offen. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 habe die Botschaft der Republik Sudan mitgeteilt, dass es sich beim Beschwerdeführer eindeutig nicht um einen sudanesischen Staatsangehörigen handle. Dem Beschwerdeführer seien ab 9. Oktober 2003 Abschiebungsaufschübe, zuletzt bis 30. Juli 2006, erteilt worden. Am 19. Mai 2006 sei mit dem Beschwerdeführer eine Tonbandkassette zur Durchführung einer Sprachanalyse angefertigt worden; die Sprachanalyse habe ergeben, dass der Beschwerdeführer offensichtlich aus Nigeria stamme. Auf Grund dieser Sprachanalyse sei ein Ansuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die nigerianische Botschaft gerichtet und von dieser ein Termin zur Vorsprache bekannt gegeben worden. Die Vorführung zu diesem Termin hätte jedoch nicht durchgeführt werden können, weil der Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse nicht habe angetroffen werden können. Er habe sich aus eigenem Antrieb nicht bemüht, ein Reisedokument von der Vertretungsbehörde seines Heimatlandes beizubringen. Eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinn des § 46 Abs. 3 FPG liege nur dann vor, wenn der einer Abschiebung entgegenstehende Grund vom Fremden nicht selbst auf zumutbare Weise beseitigt werden könne. Sein Vertreter habe den Beschwerdeführer für den Ladungstermin 29. September 2006 zur fremdenpolizeilichen Befragung entschuldigt, weil er an diesem Tag eine Vorladung beim Bundesasylamt habe. Es sei jedoch bis dato kein Ersatztermin vorgeschlagen worden. Es sei daher auch keinerlei Interesse an der Feststellung der Identität erkennbar.
In der Folge zitierte die belangte Behörde die Bestimmung des § 50 FPG und führte aus, dass Umstände, die eine Bedrohung im Sinn des § 50 FPG bewirken würden, auch im Verfahren wegen Erteilung eines Abschiebungsaufschubes zu überprüfen seien. Der belangten Behörde sei es nicht verwehrt, die Ergebnisse im bereits durchgeführten Asylverfahren zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 46 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn sie unzulässig ist (§ 50) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich erscheint.
Die belangte Behörde ist insofern im Recht, als eine tatsächliche Unmöglichkeit einer Abschiebung dann nicht vorliegt, wenn der einer Abschiebung entgegenstehende Grund vom Fremden selbst auf zumutbare Weise beseitigt werden kann (vgl. das zur insoweit unverändert gebliebenen Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2004, Zl. 2004/21/0116).
Ihre Schlussfolgerung im vorliegenden Verfahren, dass der Beschwerdeführer "keinerlei Interesse an der Feststellung der Identitätsklärung" zeige, beruht jedoch nicht auf einem mängelfreien Verfahren. So wirft sie dem Beschwerdeführer vor, dass der Vorsprachetermin bei der nigerianischen Botschaft am 19. September 2006 deswegen nicht habe eingehalten werden können, weil der Beschwerdeführer an seiner Wohnanschrift nicht habe angetroffen werden können. Sie behauptet aber nicht, dass dem Beschwerdeführer dieser Termin vorher bekannt gewesen sei. In der Folge lud die belangte Behörde den Beschwerdeführer für den 29. September 2006 zu einer fremdenpolizeilichen Befragung und gesteht dem Beschwerdeführer zu, dass er sich wegen einer am selben Tag angesetzten Vernehmung beim Bundesasylamt entschuldigt habe, wobei diese Entschuldigung im Verwaltungsakt erliegt. Am 6. Oktober 2006 richtete sie an den Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und warf darin dem Beschwerdeführer vor, er habe keine Eigeninitiative gezeigt und nicht versucht, seine tatsächliche Identität bekannt zu geben. Diesen Vorhalt beantwortete der Beschwerdeführer mit einer Stellungnahme am 16. Oktober 2006, in der er erklärte, dass er "zu jedem gewünschten Termin bei der nigerianischen Vertretungsbehörde vorstellig werden würde". Er stellte den Antrag, dem ausgewiesenen Rechtsvertreter mitzuteilen, wann der Einschreiter bei der Vertretungsbehörde von Nigeria vorsprechen möge. Ohne auf diese Stellungnahme in irgendeiner Weise zu reagieren, erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 9. November 2006. Es ist somit nicht schlüssig nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde in Angriff genommene Beischaffung eines Heimreisezertifikates zu vereiteln versucht.
Keine Relevanz haben die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Frage einer Asylgewährung, weil die bisherigen Abschiebungsaufschübe wegen einer Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen erteilt wurden und auch im nunmehrigen Verfahren über den weiteren Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes die Frage der Verfolgungssicherheit nach § 50 FPG keine Rolle spielt. Die Feststellung einer Zulässigkeit der Abschiebung iSd § 50 FPG würde nichts daran ändern, dass dem Beschwerdeführer bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ein Abschiebungsaufschub zu gewähren wäre.
Wegen des aufgezeigten Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. Februar 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210375.X00Im RIS seit
28.03.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009