TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/27 2005/21/0372

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. P. Trefil, über die Beschwerde des F in G, geboren 1977, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 2005, Zl. Fr 1053/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Dieser Maßnahme legte sie zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. März 2005 wegen teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, erster Fall SMG sowie § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (davon sechs Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden sei. Er habe in Gemeinschaft mit einem Mittäter am 12. Februar 2005 in Wien drei Kugeln Kokain (gesamt 1,6 g brutto) verkauft bzw. bereitgehalten und in Verkehr zu setzen versucht.

Der Beschwerdeführer sei am 7. September 2004 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 abgewiesen worden sei. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei. Weiters sei er gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen worden. Dagegen habe er eine Berufung eingebracht, über die bislang noch nicht entschieden worden sei.

Aus dem erwähnten, als besonders gravierend bewerteten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers folgerte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die außerordentliche Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität insbesondere für jugendliche Personen, die große Wiederholungsgefahr und die üblicherweise hohe Begleitkriminalität eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung dieser Kriminalitätsform sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere zum Schutz der Rechte und der Gesundheit anderer, dringend geboten. Die teilbedingte Strafnachsicht stehe dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen, weil die Fremdenbehörde dessen Voraussetzungen selbständig zu prüfen hätte und nicht an die Annahme des Gerichtes über ein künftiges Wohlverhalten gebunden sei.

Private oder familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu in Österreich lebenden Personen seien nicht bekannt. Angesichts seines erst kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet vor Verwirklichung der dargestellten strafbaren Handlung könne er nicht als "integriert" betrachtet werden, zumal eine Integration auch eine gewisse Rechtstreue zu den Normen des Gastlandes voraussetze. Es seien daher keine maßgeblichen Umstände erkennbar, die unter dem Gesichtspunkt der Abwägung nach § 37 FrG oder bei der Ermessensübung für den Beschwerdeführer "in positiver Weise zu berücksichtigen wären".

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Leben wäre in Nigeria gefährdet, weil er im Jahr 2000 dort im Zuge kämpferischer Auseinandersetzungen viele Moslems getötet hätte und er daher von den Moslems gesucht würde, sei nicht im Verfahren über das Aufenthaltsverbot zu prüfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Im § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Feststellung über die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers und die ihr zu Grunde liegenden Tathandlungen, weshalb keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG erfüllt sei. Angesichts der Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität durfte sie auch eine Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG zu Lasten des Beschwerdeführers treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0034, mwN). Hieran ändert die teilbedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe nichts, zumal die Fremdenbehörde die genannte Prognosebeurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/21/0357, mwN).

Auch das nach wie vor im Berufungsstadium anhängige Asylverfahren des Beschwerdeführers begründet keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides: Nach § 21 AsylG kann ein - auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestütztes - Aufenthaltsverbot auch gegen Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung ergehen. Das Gesetz verlangt in diesem Fall nicht, dass die Fremdenpolizeibehörde mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens zuwartet. Der Asylwerber ist nach § 21 Abs. 2 erster Halbsatz AsylG (ohnehin) bis zur rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens umfassend vor Zurück- oder Abschiebung geschützt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/21/0294, mwN).

Das gegen den Beschwerdeführer, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber war, bestehende Aufenthaltsverbot gilt gemäß § 125 Abs. 3 zweiter Satz des - seit 1. Jänner 2006 in Geltung stehenden - FPG als Rückkehrverbot. Es tritt gemäß § 65 Abs. 2 FPG außer Kraft, wenn dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird.

Der vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohung in seinem Heimatland kommt im Aufenthaltsverbotsverfahren keine Relevanz zu. Ob er dort asylrelevant verfolgt wurde oder wird bzw. einer aktuellen Gefährdung ausgesetzt ist, wird im Asylverfahren zu prüfen sein.

Weiters wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie hätte nicht (ausreichend) geprüft, welche konkreten Auswirkungen das verhängte Aufenthaltsverbot auf seine Lebenssituation hätte. Trotz eines erheblichen Eingriffs in sein Privat- und Familienleben habe sie keine - jedenfalls aber eine unbillige - Interessenabwägung vorgenommen.

Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Zusammenhang behauptet der Beschwerdeführer nämlich (zudem als unzulässige Neuerung), dass ausreichende Ermittlungen hervorgebracht hätten, ob er "nicht in Lebensgemeinschaft lebt oder allenfalls vor hat, eine Ehe zu schließen". Dem ist allerdings zu entgegnen, dass eine jedenfalls nach dem maßgebenden Zeitpunkt der Bescheiderlassung erfolgende Eheschließung im Rahmen der Abwägung des § 37 FrG keine Berücksichtigung finden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2006, Zl. 2005/21/0304, mwN) und eine entsprechende Absicht die persönlichen Interessen noch nicht maßgeblich verstärken kann.

Im Übrigen sind die Ausführungen der belangten Behörde - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - inhaltlich nicht zu beanstanden: Wegen des Fehlens ausreichender Anhaltspunkte für familiäre oder berufliche Bindungen im Inland und der Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich durfte die belangte Behörde angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität das Aufenthaltsverbot sowohl nach § 37 Abs. 1 FrG als dringend geboten als auch nach § 37 Abs. 2 FrG als zulässig werten. Ebenso sind keine ins Gewicht fallenden Gesichtspunkte ersichtlich, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers indiziert hätten.

Soweit die Beschwerde darüber hinaus das Fehlen ausreichender Ermittlungen und Feststellungen rügt, zeigt sie nicht konkret auf, welche Feststellungen insoweit zu treffen gewesen wären, sodass die Relevanz eines (allfälligen) Verfahrensmangels nicht dargelegt wird.

Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. Februar 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005210372.X00

Im RIS seit

29.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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