TE Vwgh Erkenntnis 2007/2/28 2005/03/0248

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Veröffentlicht am 28.02.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AZG §16;
BetriebsO 1994 §2;
BetriebsO 1994 §25 Abs1;
BetriebsO 1994 §4 Abs1;
GelVerkG §15 Abs1 Z6 idF 2002/I/032;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M M in R, vertreten durch Dr. Peter R. Föger, Mag. Hanno Pall und Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Oktober 2005, Zl uvs-2005/21/2242-2, betreffend Übertretung der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er sei am 11. März 2004 um 20.40 Uhr in Kitzbühel, öffentlicher Parkplatz Hauptbahnhof, gegenüber den Taxistandplätzen als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Taxifahrzeugs im Fahrdienst tätig gewesen, obwohl er keinen Ausweis nach dem Muster der Anlage 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr besäße. Er habe dadurch § 4 Abs 1 in Verbindung mit § 25 Abs 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr verletzt und es wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides werden nach der Wiedergabe des Spruchs des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sowie des Inhalts der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung die Aussagen des Beschwerdeführers und zweier Zeugen (des Geschäftsführers seines Dienstgebers und einer bei diesem beschäftigten Dienstnehmerin) nach der in der mündlichen Berufungsverhandlung aufgenommenen Niederschrift wörtlich wiedergegeben. Daran anschließend wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt, dass der nach dem Kennzeichen bestimmte VW-Bus zum Tatzeitpunkt bei der H. GmbH sowohl als Mietwagen als auch als Taxifahrzeug in Verwendung gestanden sei und über "entsprechende Aufschriften" verfügt habe. Der Beschwerdeführer sei bei der H. GmbH sowohl als Koch als auch als Mietwagenfahrer beschäftigt gewesen. Er sei nicht im Besitz eines Taxilenkerausweises. Anlässlich einer Routinekontrolle der Polizei sei festgestellt worden, dass der VW-Bus in Kitzbühel auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof in unmittelbarer Nähe eines offiziellen Taxistandplatzes geparkt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sich in der Nähe des Fahrzeuges aufgehalten und auch den Fahrzeugschlüssel bei sich gehabt. Der Beschwerdeführer sei in unmittelbarer Nähe des offiziellen Taxistandplatzes offensichtlich zu dem alleinigen Grunde aufgefahren, um Fahrgäste in Empfang zu nehmen und sodann diese im Taxidienst zu befördern.

Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Akteninhalt und werde durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme in der Verhandlung am 10. Oktober 2005 untermauert. Die Aussagen sowohl des Beschwerdeführers als auch des Geschäftsführers seines Dienstgebers als Zeugen seien vollkommen unglaubwürdig und hätten den einzigen Zweck, den Beschwerdeführer und in weiterer Folge auch den Zeugen zu entlasten, gegen den ein gesondertes Strafverfahren wegen Übertretung des § 4 Abs 2 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr anhängig sei. Für die belangte Behörde könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdeführer selbst Lenker des VW-Busses gewesen sei. Hiefür spreche die Tatsache, dass er sich in unmittelbarer Nähe des VW-Busses aufgehalten und auch den Zündschlüssel bei sich gehabt habe.

Die vom Beschwerdeführer während der Amtshandlung am Tatort zum Tatzeitpunkt vorgenommene Verständigung des Zeugen und dessen nachfolgendes Eintreffen am Tatort sowie die Abholung des VW-Busses durch diesen hätten wohl nur dem alleinigen Zweck gedient, das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zu verschleiern. Eine Einvernahme der amtshandelnden Beamten habe unterbleiben können, da diese bereits von der Behörde erster Instanz als Zeugen einvernommen worden seien. Deren Aussagen würden sich mit der Sachverhaltsdarstellung in der Anzeige vom 12. März 2004 decken. Der von den Beamten an Ort und Stelle festgestellte Sachverhalt werde durch die Aussagen des Beschwerdeführers und des Zeugen untermauert. Die aus dem festgestellten Sachverhalt zu ziehenden Schlüsse, ob der Beschwerdeführer als Lenker bzw Taxilenker im Einsatz gewesen sei oder nicht, müssten von der belangten Behörde "auf Grund der Feststellungen am Tatort selbst gezogen werden."

Insbesondere müsse es der Behörde überlassen bleiben, "ob durch das objektiv festgestellte und nicht bestrittene Verhalten des (Beschwerdeführers) Anlass gegeben ist, ihn der rechtswidrigen Ausübung des Taxidienstes zu bezichtigen."

In der rechtlichen Würdigung hält die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer "ganz offensichtlich in Kenntnis der Rechtslage ganz bewusst gegen die Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr verstoßen hat und als Lenker im Fahrdienst (Taxilenker) tätig war, ohne im Besitz eines entsprechenden Taxiausweises zu sein."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und stellte den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994), BGBl Nr 951/1993, dürfen als Lenker im Fahrdienst (Taxilenker) nur Personen tätig werden, die einen Ausweis nach dem Muster der Anlage 1 besitzen. Gemäß § 25 Abs 1 BO 1994 sind Übertretungen von Bestimmungen dieser Verordnung als Verwaltungsübertretungen nach § 15 Abs 1 Z 6 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes von der Behörde zu bestrafen. Gemäß § 15 Abs 1 Z 6 Gelegenheitsverkehrsgesetz, BGBl Nr 112/1996 in der Fassung BGBl I Nr 32/2002, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.267,-

- zu ahnden ist, wer andere als die in Z 1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält.

2. § 2 BO 1994 verweist für die Definition des Begriffes "Fahrdienst" auf die Einsatzzeit gemäß § 16 Arbeitszeitgesetz, BGBl Nr 461/1969. Nach dieser Bestimmung umfasst die Einsatzzeit von Lenkern und Beifahrern die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit, die Ruhepausen und Lenkpausen. Gemäß § 14 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl Nr 461/1969 (auf Grund der in § 2 BO 1994 festgelegten statischen Verweisung ist hier ebenfalls die Stammfassung heranzuziehen), umfasst die Arbeitszeit für Lenker und Beifahrer von Kraftfahrzeugen unbeschadet des § 2 die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft.

Durch den Verweis auf § 16 Arbeitszeitgesetz in § 2 BO 1994 wird klargestellt, dass zur Tätigkeit im Fahrdienst nicht nur die Lenkzeiten, sondern auch die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen im Rahmen der Ausübung des Taxigewerbes, die Ruhepausen und die Lenkpausen zählen. Eine Tätigkeit im Fahrdienst liegt daher nicht nur während der Beförderung von Fahrgästen vor, sondern insbesondere auch dann, wenn mit einem Taxifahrzeug auf einem Standplatz aufgefahren wird (vgl dazu die - jeweils den Gewerbeinhaber betreffenden - hg Erkenntnisse vom 31. Jänner 1996, Zl 95/03/0345, und vom 24. Jänner 1996, Zl 95/03/0344).

3. Soweit der angefochtene Bescheid jedoch feststellt, dass der Beschwerdeführer sich in der Nähe eines auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeuges aufgehalten und die Fahrzeugschlüssel bei sich gehabt habe, kann dies für sich genommen auch dann nicht als Ausübung des Fahrdienstes angesehen werden, wenn das Kraftfahrzeug als Taxi gekennzeichnet gewesen wäre (die Feststellung der belangten Behörde, das Fahrzeug habe "entsprechende Aufschriften" aufgewiesen, lässt allerdings offen, ob die Aufschriften auf die Verwendung als Mietwagen oder als Taxifahrzeug hingewiesen haben).

Die dem Beschwerdeführer angelastete Tätigkeit im Fahrdienst ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid damit lediglich auf Grund der Feststellung, dass er "in unmittelbarer Nähe des offiziellen Taxistandplatzes offensichtlich zu dem alleinigen Grunde aufgefahren ist, um Fahrgäste in Empfang zu nehmen und sodann diese im Taxidienst zu befördern."

Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass diese Feststellung nicht ausreichend begründet ist. Die im angefochtenen Bescheid - sowohl im Zusammenhang mit der Sachverhaltsfeststellung als auch im Zuge der rechtlichen Beurteilung - vorgenommene Beweiswürdigung lässt nämlich nicht erkennen, auf Grund welcher Beweismittel die belangte Behörde diese Feststellung getroffen hat. Im angefochtenen Bescheid wird das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers sowie des als Zeugen vernommenen Geschäftsführers seines Dienstgebers als unglaubwürdig beurteilt (die Aussagen der weiteren Zeugin werden zwar zur Gänze wiedergegeben, aber in der Beweiswürdigung nicht weiter berücksichtigt oder bewertet) und im Übrigen auf den "vorliegenden Akteninhalt", insbesondere die Aussagen der beiden amtshandelnden Beamten und deren Sachverhaltsdarstellung verwiesen.

Aus der im Akt erliegenden Sachverhaltsdarstellung lässt sich die getroffene Feststellung nicht ableiten, da sich daraus lediglich ergibt, dass das Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz beim Hauptbahnhof gegenüber den Taxistandplätzen angetroffen worden sei und dieses Fahrzeug "eine ausgeschaltete Leuchte am Dach installiert" gehabt habe. Die weiteren Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung, wonach nach Angabe eines Gendarmeriebeamten der Beschwerdeführer "das Fahrzeug offenbar auf diesem Parkplatz" abgestellt habe und er vom Geschäftsführer seines Dienstgebers "anscheinend aufgefordert" worden sei, sich zum Bahnhof zu begeben, beziehen sich - wie bereits die Wortwahl erkennen lässt - auf Vermutungen, ohne für diese nähere Gründe anzugeben.

Dieser Gendarmeriebeamte sagte als Zeuge vor der erstinstanzlichen Behörde aus, dass, als er zum Bahnhofsgelände kam, mehrere Taxis dort gestanden seien. Das gegenständliche Fahrzeug sei in zweiter Reihe gestanden. Der Beschwerdeführer habe sich - auf Nachfrage durch den Gendarmeriebeamten - als Lenker dieses Fahrzeuges gemeldet. Beim Eintreffen des Beamten sei das Standlicht eingeschaltet und das Fahrzeug offen gewesen. Eine zeugenschaftliche Einvernahme des zweiten amtshandelnden Beamten ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

4. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde unterliegt insoweit der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, als zu beurteilen ist, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen.

Vor dem Hintergrund des dargelegten Akteninhaltes lässt sich die von der belangte Behörde getroffene - für die Entscheidung maßgebende - Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe des offiziellen Taxistandplatzes "zu dem alleinigen Grunde" aufgefahren sei, um Fahrgäste in Empfang zu nehmen und sodann diese im Taxidienst zu befördern, nicht schlüssig treffen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 28. Februar 2007

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005030248.X00

Im RIS seit

20.04.2007

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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