Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl. Tzt. Ulrike Zimmerl und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 13.542,87 (= ATS 186.354) brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2001, GZ 10 Ra 241/01m-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Februar 2001, GZ 22 Cga 147/00y-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 812,47 (= ATS 11.179,80, darin EUR 135,41 = ATS 1.863,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.3.1997 - zunächst befristet, nach 6 Monaten unbefristet - bei der Beklagten als Vertriebsleiter in Wien angestellt. Im schriftlichen Dienstvertrag war eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende vereinbart worden.
Im Mai 1999 deutete der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger gesprächsweise an, dass sich dieser "besser einen neuen Job suchen möge, weil er nicht der richtige Mann und zu gutmütig sei, um den Vertrieb zu steuern". Am 6. 10. 1999 teilte ihm der Geschäftsführer der beklagten Partei mit, dass aus seiner Sicht das Arbeitsverhältnis beendet werden müsse. Der Kläger war darüber nicht überrascht. Der Geschäftsführer machte deutlich, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet werden sollte, weil sich der Kläger immer loyal verhalten habe. Der Kläger war grundsätzlich einverstanden, äußerte aber ausdrücklich den Wunsch, noch drei, besser vier Monate bei der beklagten Partei beschäftigt zu werden, um mehr Zeit für die Suche einer neuen Stelle zur Verfügung zu haben und dadurch einer längeren Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Am 12. 10. 1999 erkundigte sich der Geschäftsführer erneut beim Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Am 8. 11. 1999 trafen sich der Kläger und der Geschäftsführer, um die Auflösung zu fixieren. Der Geschäftsführer hatte bereits eine schriftliche Auflösungsvereinbarung vorbereitet, in welche lediglich der mit 30. 4. 2000 ausgehandelte Beendigungszeitpunkt noch handschriftlich eingetragen wurde. Beide unterfertigten diese schriftliche Vereinbarung. Neben dem Beendigungszeitpunkt, der Erklärung, dass keine Urlaubsansprüche offen seien und der Verpflichtung zur Rückstellung von Unternehmensunterlagen enthält der Vertrag unter Pkt. 3.) folgenden Passus: "Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche des Dienstnehmers aus seinem Dienstverhältnis zur Gesellschaft und aus dessen Beendigung endgültig erledigt und verglichen."
Der Kläger arbeitete zunächst bis 30. 4. 2000 weiter für die beklagte Partei. An diesem Tage wurde der Beendigungszeitpunkt einvernehmlich bis 30. 5. 2000 hinausgeschoben, weil sein neues Dienstverhältnis erst mit 1. 6. 2000 beginnen sollte.
Am 31. 5. 2000 urgierte der Kläger die Zahlung seiner - verfahrensgegenständlichen - Abfertigung in Höhe von zwei Monatsgehältern, was jedoch von der beklagten Partei abgelehnt wurde. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Verzicht des Klägers auf seinen gemäß § 40 AngG zwingenden Anspruch auf Abfertigung wirksam war, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Am 31. 5. 2000 urgierte der Kläger die Zahlung seiner - verfahrensgegenständlichen - Abfertigung in Höhe von zwei Monatsgehältern, was jedoch von der beklagten Partei abgelehnt wurde. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Verzicht des Klägers auf seinen gemäß Paragraph 40, AngG zwingenden Anspruch auf Abfertigung wirksam war, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Zunächst kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Arbeitsverhältnis über Initiative und im Interesse der beklagten Arbeitgeberin aufgelöst wurde. Von einem "Vergleich" kann schon deshalb keine Rede sein, weil hier weder strittige noch zweifelhafte Ansprüche bereinigt wurden. Daher kann die ausnahmsweise anerkannte Zulässigkeit eines Verzichtes auf unabdingbare Ansprüche nicht aus einem Vergleich abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0029958). Inhalt der schriftlich festgelegten Vereinbarung war insbesondere der Verzicht des Klägers auf sämtliche aus dem Arbeitsverhältnis und aus dessen Beendigung entstandenen Ansprüche. Dieser Verzicht war, soweit er die hier geltend gemachte unabdingbare Abfertigung betraf, deren Anspruch erst mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen konnte (Arb 9.999), nach § 40 AngG unwirksam. Der Verzicht wurde nämlich - wenn auch in der Auflösungsphase - noch während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses vor Fälligkeit des Anspruches erklärt (9 ObA 56/95 = ecolex 1995,825 = RdW 1996, 128 = Arb 11.405 ua; 9 ObA 33/91, jeweils mwN). Entscheidend war dabei, dass das Arbeitsverhältnis wirtschaftlich noch nicht beendet und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers noch aufrecht war (9 ObA 56/95). Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Vorteilsbetrachtung überzeugt nicht, zumal der Weiterbeschäftigung des Klägers dessen weiter aufrechte Arbeitspflicht gegenüberstand. Darüber hinaus ist auch nicht zu erkennen, inwieweit der Kläger gegen Treu und Glauben gehandelt hätte. Nach den Feststellungen wurde im Oktober 1999 wohl schon über die Beendigung gesprochen, nicht jedoch erklärt, dass eine Arbeitgeberkündigung zum nächstmöglichen Termin bevorstehe. Damit kann dem Kläger, welcher eine Weiterbeschäftigung "um drei, besser vier Monate" wollte, nicht unterstellt werden, dass er damit eine gezielte Verzögerung zwecks Erreichung einer Dienstzeit bewirken wollte, welche ihm einen Anspruch auf Abfertigung verschaffte. Im Zeitpunkt des konkreten Vertragsschlusses über die Auflösung hätte die beklagte Partei aber eine vertragskonforme Kündigung nur mehr zum 29. 2. 2000, dh mit Erreichen einer dreijährigen Dienstzeit des Klägers, aussprechen können. Der Geltendmachung von Ansprüchen, auf die nicht wirksam verzichtet wurde, haftet somit kein Missbrauch an.Zunächst kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Arbeitsverhältnis über Initiative und im Interesse der beklagten Arbeitgeberin aufgelöst wurde. Von einem "Vergleich" kann schon deshalb keine Rede sein, weil hier weder strittige noch zweifelhafte Ansprüche bereinigt wurden. Daher kann die ausnahmsweise anerkannte Zulässigkeit eines Verzichtes auf unabdingbare Ansprüche nicht aus einem Vergleich abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0029958). Inhalt der schriftlich festgelegten Vereinbarung war insbesondere der Verzicht des Klägers auf sämtliche aus dem Arbeitsverhältnis und aus dessen Beendigung entstandenen Ansprüche. Dieser Verzicht war, soweit er die hier geltend gemachte unabdingbare Abfertigung betraf, deren Anspruch erst mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen konnte (Arb 9.999), nach Paragraph 40, AngG unwirksam. Der Verzicht wurde nämlich - wenn auch in der Auflösungsphase - noch während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses vor Fälligkeit des Anspruches erklärt (9 ObA 56/95 = ecolex 1995,825 = RdW 1996, 128 = Arb 11.405 ua; 9 ObA 33/91, jeweils mwN). Entscheidend war dabei, dass das Arbeitsverhältnis wirtschaftlich noch nicht beendet und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers noch aufrecht war (9 ObA 56/95). Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Vorteilsbetrachtung überzeugt nicht, zumal der Weiterbeschäftigung des Klägers dessen weiter aufrechte Arbeitspflicht gegenüberstand. Darüber hinaus ist auch nicht zu erkennen, inwieweit der Kläger gegen Treu und Glauben gehandelt hätte. Nach den Feststellungen wurde im Oktober 1999 wohl schon über die Beendigung gesprochen, nicht jedoch erklärt, dass eine Arbeitgeberkündigung zum nächstmöglichen Termin bevorstehe. Damit kann dem Kläger, welcher eine Weiterbeschäftigung "um drei, besser vier Monate" wollte, nicht unterstellt werden, dass er damit eine gezielte Verzögerung zwecks Erreichung einer Dienstzeit bewirken wollte, welche ihm einen Anspruch auf Abfertigung verschaffte. Im Zeitpunkt des konkreten Vertragsschlusses über die Auflösung hätte die beklagte Partei aber eine vertragskonforme Kündigung nur mehr zum 29. 2. 2000, dh mit Erreichen einer dreijährigen Dienstzeit des Klägers, aussprechen können. Der Geltendmachung von Ansprüchen, auf die nicht wirksam verzichtet wurde, haftet somit kein Missbrauch an.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E64949 9ObA301.01gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:009OBA00301.01G.0327.000Dokumentnummer
JJT_20020327_OGH0002_009OBA00301_01G0000_000