TE OGH 2002/4/9 14Os28/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2002
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald R***** wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 (aF) iVm § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. März 2001, GZ 23 Vr 75/99-90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Riedmann, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald R***** wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach Paragraph 159, Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 2, (aF) in Verbindung mit Paragraph 161, Absatz eins, StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. März 2001, GZ 23 römisch fünf r 75/99-90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Riedmann, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. März 2001, GZ 23 Vr 75/99-90, verletzt im Schuldspruch wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 (aF) iVm § 161 Abs 1 StGB (B und C) das Gesetz in der Bestimmung des § 159 StGB in der Fassung gemäß BGBl I 2000/58 iVm § 61 StGB.Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. März 2001, GZ 23 römisch fünf r 75/99-90, verletzt im Schuldspruch wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach Paragraph 159, Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 2, (aF) in Verbindung mit Paragraph 161, Absatz eins, StGB (B und C) das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 159, StGB in der Fassung gemäß BGBl römisch eins 2000/58 in Verbindung mit Paragraph 61, StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Punkten B und C des Schuldspruches und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Urteilsaufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 1. März 2001, GZ 23 Vr 75/99-90, wurde der Angeklagte Harald R***** unter anderem - im Sinne der (in der Folge nicht ausgedehnten) Anklage vom 6. März 2000 (ON 66) - zu B und C (richtig:) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 (aF) iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 1. März 2001, GZ 23 römisch fünf r 75/99-90, wurde der Angeklagte Harald R***** unter anderem - im Sinne der (in der Folge nicht ausgedehnten) Anklage vom 6. März 2000 (ON 66) - zu B und C (richtig:) der Vergehen der fahrlässigen Krida nach Paragraph 159, Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 2, (aF) in Verbindung mit Paragraph 161, Absatz eins, StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in H***** als geschäftsführender Gesellschafter der R***** GmbH & Co und N***** GmbH, welche jeweils Schuldner mehrerer Gläubiger waren, mithin als leitender Angestellter von juristischen Personen,

B 1) spätestens ab 1994 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der R***** GmbH & Co herbeigeführt, insbesondere dadurch, dass er die Firma ohne jegliches Eigenkapital ausstattete, einen überhöhten Mietzins verlangte, ein überhöhtes Geschäftsführergehalt bezog, Waren unter oder zu Einstandspreisen an die E***** Ltda in Brasilien verkaufte, erheblich nachteilige Verträge mit Großkunden abschloss, unverhältnismäßig Kredit an die N***** GmbH und E***** Ltda vergab und auch die gesamten Frachtkosten nach Brasilien übernahm;

2) ab 1996 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der R***** GmbH & Co die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, insbesondere dadurch, dass er weitere Kredite in Anspruch nahm, neue Schulden einging und auch längst fällige Schulden bezahlte sowie die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte;

C) ab 1995 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der N***** GmbH fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, insbesondere dadurch, dass er neue Schulden einging, sich das von ihm der Firma gewährte Darlehen im Betrag von 626.000,-- S zurückzahlen ließ und es unterließ, rechtzeitig den Konkurs anzumelden. Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil (AS 533/II). Die Staatsanwaltschaft erhob dagegen (nur) Berufung, über die bisher nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der (vom Berufungsgericht nicht behebbare, sohin materiell rechtskräftige) Schuldspruch wegen Vergehen der fahrlässigen Krida (§ 159 StGB aF) ist - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - verfehlt.Der (vom Berufungsgericht nicht behebbare, sohin materiell rechtskräftige) Schuldspruch wegen Vergehen der fahrlässigen Krida (Paragraph 159, StGB aF) ist - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - verfehlt.

Durch das am 1. August 2000 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 11. Juli 2000, BGBl I 2000/58, wurde diese Strafbestimmung beseitigt und (unter Beibehaltung der Paragrafenbezeichnung) durch den Vergehenstatbestand der "Grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen" ersetzt. Die Neuregelung ist gegenüber der früheren Rechtslage für fahrlässig handelnde Schuldner günstiger, weil nunmehr die sogenannten "kridaträchtigen Handlungen" (in § 159 Abs 5 StGB) taxativ aufgezählt und gegenüber der auch eine Generalklausel enthaltenden Regelung des § 159 StGB aF eingeschränkt werden sowie zudem nur mehr bei grob fahrlässiger Begehungsweise strafbar sind. Weiters wurde die Obergrenze der Grundstrafdrohung halbiert und kann vom Gericht nunmehr selbst bei Zutreffen der Qualifikationsvoraussetzungen des Abs 4 des § 159 StGB nF eine die frühere Grundstrafdrohung übersteigende Freiheitsstrafe nicht mehr verhängt werden.Durch das am 1. August 2000 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 11. Juli 2000, BGBl römisch eins 2000/58, wurde diese Strafbestimmung beseitigt und (unter Beibehaltung der Paragrafenbezeichnung) durch den Vergehenstatbestand der "Grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen" ersetzt. Die Neuregelung ist gegenüber der früheren Rechtslage für fahrlässig handelnde Schuldner günstiger, weil nunmehr die sogenannten "kridaträchtigen Handlungen" (in Paragraph 159, Absatz 5, StGB) taxativ aufgezählt und gegenüber der auch eine Generalklausel enthaltenden Regelung des Paragraph 159, StGB aF eingeschränkt werden sowie zudem nur mehr bei grob fahrlässiger Begehungsweise strafbar sind. Weiters wurde die Obergrenze der Grundstrafdrohung halbiert und kann vom Gericht nunmehr selbst bei Zutreffen der Qualifikationsvoraussetzungen des Absatz 4, des Paragraph 159, StGB nF eine die frühere Grundstrafdrohung übersteigende Freiheitsstrafe nicht mehr verhängt werden.

Die Strafbarkeit der den Angeklagten in B und C des Schuldspruches angelasteten, während der zeitlichen Geltung der Regelungen über die fahrlässige Krida (§ 159 StGB aF) begangenen Tathandlungen wäre daher vom Schöffengericht (was dessen Vorsitzender erst nach Urteilsfällung erkannt hat, siehe US 15 f) richtigerweise schon auf Grundlage des nunmehr in Geltung stehenden Straftatbestandes der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB nF) zu prüfen gewesen (§ 61 StGB). Ob Harald R***** sich auch nach der Neuregelung gemäß § 159 StGB strafbar gemacht hat, kann auf Grundlage der derzeitigen Feststellungen nicht sicher beantwortet werden. Den durch die Neuregelung erstmals in das Strafgesetzbuch eingeführten Begriff der groben Fahrlässigkeit hat der Gesetzgeber bewusst zur Klarstellung verwendet, dass es sich bei diesem Kriterium - wie auch bei § 88 Abs 2 StGB - nicht um ein reines Schuldelement handelt, sondern dass es bereits das Unrecht prägt. Die Voraussetzungen sollen zwar inhaltlich dem zivilrechtlichen Begriff der groben Fahrlässigkeit und dem (letzterem ähnlichen) Begriff des "schweren Verschuldens" des § 88 Abs 2 StGB entsprechen, bedürfen aber - insbesondere in Bezug auf die kridaträchtigen Handlungen - noch einer näheren Beurteilung durch Rechtsprechung und Wissenschaft (RV 92 BlgNR XXI. GP 9).Die Strafbarkeit der den Angeklagten in B und C des Schuldspruches angelasteten, während der zeitlichen Geltung der Regelungen über die fahrlässige Krida (Paragraph 159, StGB aF) begangenen Tathandlungen wäre daher vom Schöffengericht (was dessen Vorsitzender erst nach Urteilsfällung erkannt hat, siehe US 15 f) richtigerweise schon auf Grundlage des nunmehr in Geltung stehenden Straftatbestandes der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (Paragraph 159, StGB nF) zu prüfen gewesen (Paragraph 61, StGB). Ob Harald R***** sich auch nach der Neuregelung gemäß Paragraph 159, StGB strafbar gemacht hat, kann auf Grundlage der derzeitigen Feststellungen nicht sicher beantwortet werden. Den durch die Neuregelung erstmals in das Strafgesetzbuch eingeführten Begriff der groben Fahrlässigkeit hat der Gesetzgeber bewusst zur Klarstellung verwendet, dass es sich bei diesem Kriterium - wie auch bei Paragraph 88, Absatz 2, StGB - nicht um ein reines Schuldelement handelt, sondern dass es bereits das Unrecht prägt. Die Voraussetzungen sollen zwar inhaltlich dem zivilrechtlichen Begriff der groben Fahrlässigkeit und dem (letzterem ähnlichen) Begriff des "schweren Verschuldens" des Paragraph 88, Absatz 2, StGB entsprechen, bedürfen aber - insbesondere in Bezug auf die kridaträchtigen Handlungen - noch einer näheren Beurteilung durch Rechtsprechung und Wissenschaft (RV 92 BlgNR römisch XXI. GP 9).

Grundsätzlich zu Recht geht der Vorsitzende des Schöffengerichtes in der Urteilsausfertigung daher (ersichtlich mit Kienapfel BT I4 § 88 Rz 35, 36; Burgstaller in WK1 § 88 Rz 41) davon aus, dass bei Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit eine übergreifende Gesamtbetrachtung im Sinn einer ganzheitlichen Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten konkreten Tatumstände anzustellen ist, wobei der gesamte in der Tat verwirklichte Handlungs- und Gesinnungswert (US 16 oben), aber beim vorliegenden Delikt auch der Erfolgsunwert (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 159 Rz 27, 29) zu bewerten ist.Grundsätzlich zu Recht geht der Vorsitzende des Schöffengerichtes in der Urteilsausfertigung daher (ersichtlich mit Kienapfel BT I4 Paragraph 88, Rz 35, 36; Burgstaller in WK1 Paragraph 88, Rz 41) davon aus, dass bei Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit eine übergreifende Gesamtbetrachtung im Sinn einer ganzheitlichen Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten konkreten Tatumstände anzustellen ist, wobei der gesamte in der Tat verwirklichte Handlungs- und Gesinnungswert (US 16 oben), aber beim vorliegenden Delikt auch der Erfolgsunwert (Kirchbacher/Presslauer in WK2 Paragraph 159, Rz 27, 29) zu bewerten ist.

Grobe Fahrlässigkeit setzt sowohl bei der Sorgfaltswidrigkeit als auch bei der Vorhersehbarkeit der zu vermeidenden Rechtsgutsbeeinträchtigung einen jeweils höheren Grad voraus (Wegscheider, "Fahrlässige Krida" neu! JBl 2001, 289). Durch die ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrige Verhaltensweise des Unternehmers muss der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw der Gläubigerbenachteiligung nicht nur möglich, sondern geradezu wahrscheinlich sein (Rosbaud/Manquet, Die "fahrlässige Krida" geht - was bleibt? Zur Reform des § 159 StGB, WBl 2001, 99). Die anschließend vom Vorsitzenden getroffene Annahme, dass "im gegenständlichen Fall trotz des Setzens von kridaträchtigen Handlungen in seiner Gesamtbetrachtung das Maß der groben Fahrlässigkeit nicht erreicht worden ist, weshalb der Angeklagte hievon freizusprechen gewesen wäre", findet jedoch in den Urteilskonstatierungen nicht hinreichend Deckung. Zum einen fehlen ausreichende Feststellungen, welche der dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen überhaupt kridaträchtige Handlungen im Sinn des § 159 Abs 5 StGB nF darstellen. Zum anderen reicht für die Verneinung der groben Fahrlässigkeit nicht hin, dass die (nach Ansicht des Vorsitzenden gegebenen) kridaträchtigen Handlungen dem Bemühen des Angeklagten entsprungen seien, "sein Lebenswerk zu errichten und zu erhalten" (US 12). Vielmehr wird grobe Fahrlässigkeit bei derartigen Handlungen erst dann zu verneinen sein, wenn Umstände vorliegen, die die persönliche Vorwerfbarkeit des gesetzlichen Sorgfaltsverstoßes nicht bloß unerheblich herabsetzen. In Betracht kommen hiebei - meist jedoch durch Delegierung abwendbare (Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 30) - Umstände in der Person des Täters (plötzliche Krankheit, unerwartete familiäre Probleme) oder das Dazutreten außergewöhnlicher Umstände in der wirtschaftlichen Entwicklung, etwa eine unvorhersehbare Insolvenz des Hauptabnehmers (vgl Lendl, Die Reform der "fahrlässigen Krida"- eine erste Analyse, RZ 2001, 31). Nach den Urteilsfeststellungen begann zwar der wirtschaftliche Niedergang der beiden vom Angeklagten geleiteten Unternehmen infolge eines ihm nicht vorwerfbaren Planungsfehlers beim Bau des (ansonst durchaus finanzierbaren) sogenannten R*****hauses sowie infolge "massiv knebelnder" Lieferverträge mit Baumärkten, die zu einem sehr starken Ansteigen der Retourware führten (US 5, 6). Auf den stetigen Umsatzrückgang reagierte der Angeklagte mit Billigabverkaufaktionen im In- und Ausland, zuletzt über ein vom ihm in Brasilien gegründetes weiteres Unternehmen. Gleichwohl bezog er ein für diese Entwicklung überhöhtes Geschäftsführergehalt in Höhe von monatlich 100.000,-- S (im Jahr 1996 sogar von 120.000,-- S). Weiters hat er der R***** GmbH & Co durch Bezahlung eines überhöhten (etwa 12 % entsprechenden) monatlichen Baurechtszinses (von 162.000,-- S) an sich selbst (als Eigentümer der Betriebsliegenschaft) Kapital entnommen (US 11). Diesen Veranlassungen kann in objektiver Sicht die Eigung als kridaträchtiges Handeln im Sinn des § 159 Abs 5 Z 3 StGB nicht von vornherein abgesprochen werden. Wirft nämlich das schuldnerische Unternehmen keinen Ertrag ab oder arbeitet es überhaupt mit Verlust, so ist derartiger Aufwand idR als übermäßig anzusehen, wenn er über das hinausgeht, was zur allerbescheidensten Lebensführung notwendig ist (Kichbacher/Presslauer aaO Rz 50). In Ansehung der stetig steigenden Billigabverkaufaktionen - insbesondere über das zu diesem Zweck gegründete brasilianische Unternehmen, dem gegenüber trotz Übernahme der gesamten Frachtkosten per 31. Dezember 1995 bereits eine Lieferforderung von 6,269.310,-- S bestand (US 8) und an das ab Anfang 1996 letztlich sogar vorsätzlich Billigwaren zwecks Schmälerung der Gläubigerbefriedigung geliefert wurden (Punkt A des Schuldspruches wegen § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB) - kommt eine Beurteilung als Verschleuderung eines bedeutenden Bestandteila seines Vermögens (§ 159 Abs 5 Z 1 StGB) durchaus in Betracht (Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 41). Ohne nähere Feststellungen über sein Gesamtverhalten ist derzeit aber eine sichere Beurteilung, ob der Angeklagte diese allfälligen (oder auch noch weitere) kridaträchtigen Handlungen grob fahrlässig begangen hat, nicht möglich.Grobe Fahrlässigkeit setzt sowohl bei der Sorgfaltswidrigkeit als auch bei der Vorhersehbarkeit der zu vermeidenden Rechtsgutsbeeinträchtigung einen jeweils höheren Grad voraus (Wegscheider, "Fahrlässige Krida" neu! JBl 2001, 289). Durch die ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrige Verhaltensweise des Unternehmers muss der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw der Gläubigerbenachteiligung nicht nur möglich, sondern geradezu wahrscheinlich sein (Rosbaud/Manquet, Die "fahrlässige Krida" geht - was bleibt? Zur Reform des Paragraph 159, StGB, WBl 2001, 99). Die anschließend vom Vorsitzenden getroffene Annahme, dass "im gegenständlichen Fall trotz des Setzens von kridaträchtigen Handlungen in seiner Gesamtbetrachtung das Maß der groben Fahrlässigkeit nicht erreicht worden ist, weshalb der Angeklagte hievon freizusprechen gewesen wäre", findet jedoch in den Urteilskonstatierungen nicht hinreichend Deckung. Zum einen fehlen ausreichende Feststellungen, welche der dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen überhaupt kridaträchtige Handlungen im Sinn des Paragraph 159, Absatz 5, StGB nF darstellen. Zum anderen reicht für die Verneinung der groben Fahrlässigkeit nicht hin, dass die (nach Ansicht des Vorsitzenden gegebenen) kridaträchtigen Handlungen dem Bemühen des Angeklagten entsprungen seien, "sein Lebenswerk zu errichten und zu erhalten" (US 12). Vielmehr wird grobe Fahrlässigkeit bei derartigen Handlungen erst dann zu verneinen sein, wenn Umstände vorliegen, die die persönliche Vorwerfbarkeit des gesetzlichen Sorgfaltsverstoßes nicht bloß unerheblich herabsetzen. In Betracht kommen hiebei - meist jedoch durch Delegierung abwendbare (Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 30) - Umstände in der Person des Täters (plötzliche Krankheit, unerwartete familiäre Probleme) oder das Dazutreten außergewöhnlicher Umstände in der wirtschaftlichen Entwicklung, etwa eine unvorhersehbare Insolvenz des Hauptabnehmers vergleiche Lendl, Die Reform der "fahrlässigen Krida"- eine erste Analyse, RZ 2001, 31). Nach den Urteilsfeststellungen begann zwar der wirtschaftliche Niedergang der beiden vom Angeklagten geleiteten Unternehmen infolge eines ihm nicht vorwerfbaren Planungsfehlers beim Bau des (ansonst durchaus finanzierbaren) sogenannten R*****hauses sowie infolge "massiv knebelnder" Lieferverträge mit Baumärkten, die zu einem sehr starken Ansteigen der Retourware führten (US 5, 6). Auf den stetigen Umsatzrückgang reagierte der Angeklagte mit Billigabverkaufaktionen im In- und Ausland, zuletzt über ein vom ihm in Brasilien gegründetes weiteres Unternehmen. Gleichwohl bezog er ein für diese Entwicklung überhöhtes Geschäftsführergehalt in Höhe von monatlich 100.000,-- S (im Jahr 1996 sogar von 120.000,-- S). Weiters hat er der R***** GmbH & Co durch Bezahlung eines überhöhten (etwa 12 % entsprechenden) monatlichen Baurechtszinses (von 162.000,-- S) an sich selbst (als Eigentümer der Betriebsliegenschaft) Kapital entnommen (US 11). Diesen Veranlassungen kann in objektiver Sicht die Eigung als kridaträchtiges Handeln im Sinn des Paragraph 159, Absatz 5, Ziffer 3, StGB nicht von vornherein abgesprochen werden. Wirft nämlich das schuldnerische Unternehmen keinen Ertrag ab oder arbeitet es überhaupt mit Verlust, so ist derartiger Aufwand idR als übermäßig anzusehen, wenn er über das hinausgeht, was zur allerbescheidensten Lebensführung notwendig ist (Kichbacher/Presslauer aaO Rz 50). In Ansehung der stetig steigenden Billigabverkaufaktionen - insbesondere über das zu diesem Zweck gegründete brasilianische Unternehmen, dem gegenüber trotz Übernahme der gesamten Frachtkosten per 31. Dezember 1995 bereits eine Lieferforderung von 6,269.310,-- S bestand (US 8) und an das ab Anfang 1996 letztlich sogar vorsätzlich Billigwaren zwecks Schmälerung der Gläubigerbefriedigung geliefert wurden (Punkt A des Schuldspruches wegen Paragraph 156, Absatz eins und Absatz 2, StGB) - kommt eine Beurteilung als Verschleuderung eines bedeutenden Bestandteila seines Vermögens (Paragraph 159, Absatz 5, Ziffer eins, StGB) durchaus in Betracht (Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 41). Ohne nähere Feststellungen über sein Gesamtverhalten ist derzeit aber eine sichere Beurteilung, ob der Angeklagte diese allfälligen (oder auch noch weitere) kridaträchtigen Handlungen grob fahrlässig begangen hat, nicht möglich.

Die betroffenen Schuldsprüche waren somit zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).Die betroffenen Schuldsprüche waren somit zu kassieren (Paragraph 292, letzter Satz StPO).

Anmerkung

E6533314Os28.02

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inRZ 2002,168 = Jus-Extra OGH-St 3208 = ÖJZ-LSK 2002/166 = ÖJZ-LSK2002/167 = EvBl 2002/152 S 564 - EvBl 2002,564 = RZ 2002,245 = JBl2003,395 (Medigovic) = SSt 64/15XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0140OS00028.02.0409.000

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten