TE OGH 2002/4/9 4Ob91/02i

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Veröffentlicht am 09.04.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F. H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. H***** GmbH & Co KG, 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen 4.159,79 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 17. Jänner 2002, GZ 2 R 16/02x-7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 13. Dezember 2001, GZ 8 C 1108/01g-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erließ am 9. 11. 2001 einen Zahlungsbefehl. Der Zahlungsbefehl wurde den Beklagten am 16. 11. 2001 durch Hinterlegung zugestellt. Mit am 3. 12. 2001 zur Post gegebenen Schriftsatz erhoben die Beklagten Einspruch, wandten die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein und bestritten die Klageforderung.

Das Erstgericht wies den Einspruch als verspätet zurück.

Das Rekursgericht hob den Beschluss auf, trug dem Erstgericht auf, das Verfahren fortzusetzen und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Zweitbeklagte sei „Kommanditistin" (richtig: persönlich haftende Gesellschafterin) der Erstbeklagten. Neben ihrem Geschäftsführer sei auch ihr Prokurist zeichnungsberechtigt. Beide hätten sich ab 10. 11. 2001 auf der Agritechnica-Messe in Hannover aufgehalten. Der Geschäftsführer sei während der Messe erkrankt und habe sich am 15. 11. 2001 häusliche Pflege begeben; an den Firmensitz sei er in den folgenden Tagen nicht zurückgekehrt. Der Prokurist sei am 16. 11. 2001 mit der Bahn aus Hannover abgereist und erst am 19. 11. 2001 an den Firmensitz zurückgekehrt. Wegen ihrer Ortsabwesenheit am 15. und 16. 11. 2001 sei die Zustellung erst am 19. 11. 2001 wirksam geworden. Eine Verpflichtung, wonach Kaufleute dafür vorzusorgen hätten, auch während ihrer Ortsabwesenheit von gerichtlichen Zustellungen unterrichtet zu werden, ergebe sich aus dem Zustellgesetz nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob Kaufleute nach dem Zustellgesetz dafür vorzusorgen haben, dass auch während ihrer Ortsabwesenheit eigenhändig zuzustellende Schriftstücke zugestellt werden können; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 17 Abs 1 ZustG ist das mit der Post zuzustellende Schriftstück beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte (§ 17 Abs 3 ZustG).Gemäß Paragraph 17, Absatz eins, ZustG ist das mit der Post zuzustellende Schriftstück beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des Paragraph 13, Absatz 3, ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des Paragraph 13, Absatz 3, ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte (Paragraph 17, Absatz 3, ZustG).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die zum Empfang von Schriftstücken für die Beklagten berechtigten Personen im Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend waren, aber noch innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt sind. Die Zustellung gilt daher nicht bereits als am ersten Tag der Abholfrist bewirkt, sondern sie ist nachträglich wirksam geworden. Bereits am ersten Tag der Abholfrist könnte die Zustellung nur wirksam geworden sein, wenn die Ortsabwesenheit des Geschäftsführers und des Prokuristen unbeachtet bliebe, weil sie es verabsäumt haben, für eine Vertretung zu sorgen.

Das Gesetz bietet für diese Auffassung keinen Anhaltspunkt. Der von der Klägerin zitierte Autor (Oberhammer, Zustellvereitelung durch Ortsabwesenheit von Unternehmern, RdW 1997, 384) setzt sich mit dem Gesetz nicht näher auseinander, sondern beruft sich auf Rechtsprechung. Die von ihm zitierten Entscheidungen (SZ 13/67; MietSlg 18.662; Arb 8.699) sind nicht nur vor Inkrafttreten des Zustellgesetzes ergangen, sie scheinen auch ungeeignet, eine so weitreichende Sorgfaltspflicht zu begründen, wie sie von Oberhammer (aaO) gefordert wird.

Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 57/31 = SZ 13/67 war die Zustellung an einen Kaufmann, der behauptet hatte, sowohl am Tag des ersten, als auch am Tag des zweiten Zustellversuchs jeweils von Wien nach Preßburg gefahren und erst spät abends zurückgekehrt zu sein. Der Beklagte war daher nicht verreist, sondern nur jeweils über einen Tag von Wien abwesend. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs hätte der Beklagte als Kaufmann Vorsorge treffen müssen, von wichtigen Vorkommnissen in seinem Geschäft unterrichtet zu werden, wenn er über Tag nicht im Geschäft anwesend sein konnte. Er habe es seiner eigenen Sorglosigkeit zuzuschreiben, dass er der an ihn gerichteten Aufforderung, zur Empfangnahme des Schriftstücks anwesend zu sein, nicht nachkommen konnte.

Die Entscheidungen Arb 8.699 und MietSlg 18.662 sind Entscheidungen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. In dem der Entscheidung Arb 8.699 zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte gar nicht behauptet, ortsabwesend gewesen zu sein, sondern nur vorgebracht, zur Zeit der Postzustellung im Geschäft regelmäßig nicht anwesend zu sein. In der Entscheidung MietSlg 18.662 wird darauf hingewiesen, dass eine Zustellung durch Hinterlegung bei Ortsabwesenheit unter der Voraussetzung unwirksam sei, „dass der Gekündigte nicht auf Grund seines Berufs (etwa als Geschäftsmann oder Rechtsanwalt) verpflichtet ist, im Falle seiner Ortsabwesenheit dafür Vorsorge zu treffen, dass ihn Schriftstücke dieser Art auch an anderen Orten erreichen". Diese Auffassung wird - jedenfalls im veröffentlichten Teil der Entscheidung - nicht weiter belegt; sie scheint im entschiedenen Fall auch keine Rolle gespielt zu haben, weil die Unwirksamkeit der Zustellung offenbar bejaht wurde.

Soweit der VwGH in einzelnen Entscheidungen einem Beschwerdeführer die Berufung auf die Ortsabwesenheit verwehrt, geschieht dies regelmäßig im Zusammenhang mit der Frage, ob der Empfänger - trotz Abwesenheit - vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte (s Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht § 17 Anm 38). Das trifft auch für die von Oberhammer (RdW 1997, 386) als weitere Belegstelle für die von ihm bejahten Sorgfaltsobliegenheiten zitierte Entscheidung VwGH 29. 6. 1984 = ÖStZB 1985, 72 zu. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte sich ein Rechtsanwalt die Post für ein von ihm geführtes Hotel regelmäßig in seine Kanzlei bringen lassen, ohne aber dafür vorzusorgen, dass er von Zustellvorgängen auch bei Abwesenheit von der Kanzlei verständigt würde. Der VwGH vertrat die Auffassung, dass der Rechtsanwalt durch entsprechende Weisungen an seine Kanzleileiterin oder an das Hotelpersonal sicherstellen hätte können, von einlangenden Poststücken telefonisch verständigt zu werden. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können.Soweit der VwGH in einzelnen Entscheidungen einem Beschwerdeführer die Berufung auf die Ortsabwesenheit verwehrt, geschieht dies regelmäßig im Zusammenhang mit der Frage, ob der Empfänger - trotz Abwesenheit - vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte (s Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht Paragraph 17, Anmerkung 38). Das trifft auch für die von Oberhammer (RdW 1997, 386) als weitere Belegstelle für die von ihm bejahten Sorgfaltsobliegenheiten zitierte Entscheidung VwGH 29. 6. 1984 = ÖStZB 1985, 72 zu. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte sich ein Rechtsanwalt die Post für ein von ihm geführtes Hotel regelmäßig in seine Kanzlei bringen lassen, ohne aber dafür vorzusorgen, dass er von Zustellvorgängen auch bei Abwesenheit von der Kanzlei verständigt würde. Der VwGH vertrat die Auffassung, dass der Rechtsanwalt durch entsprechende Weisungen an seine Kanzleileiterin oder an das Hotelpersonal sicherstellen hätte können, von einlangenden Poststücken telefonisch verständigt zu werden. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können.

Auch die Rechtsprechung geht demnach nicht so weit, einem Kaufmann die Berufung auf seine Ortsabwesenheit schon allein deshalb zu verwehren, weil er verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass eine empfangsberechtigte Person an der Abgabestelle anwesend ist. Für die Bejahung einer derartigen Sorgfaltspflicht besteht jedenfalls dann kein Anlass, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Empfänger ohnehin rechtzeitig - dh noch während der Abholfrist - vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Textnummer

E65118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00091.02I.0409.000

Im RIS seit

09.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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