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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des VÖ in H, vertreten durch Dr. Roland Kometer und Dr. Esther Pechtl, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Rathausstraße 1/II, gegen den Bescheid der Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Jänner 2004, Zl. IIa- 65001/1-04, betreffend Ausstellung eines Taxilenkerausweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. November 2003 auf Erteilung eines Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs 1 Z 3 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides befasste sich die belangte Behörde zunächst mit dem Begriff der Vertrauenswürdigkeit und führte in der Folge aus, dass sich aus dem Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Imst ergebe, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 2000 bis 2003 "wegen ca. 32 Verwaltungsübertretungen gegen die Straßenverkehrsordnung, das Kraftfahrgesetz und andere verkehrsrechtliche Vorschriften" bestraft worden sei. Auf Grund dieser Fülle an Übertretungen verkehrsrechtlicher Bestimmungen sei der Schluss zulässig, dass der Beschwerdeführer nicht bereit sei, die vom Gesetzgeber normierten Regeln im Straßenverkehr einzuhalten. Erschwerend sei zu werten, dass bei den Verwaltungsübertretungen vier Übertretungen wegen massiver Geschwindigkeitsüberschreitung und zwei hohe Strafen wegen Verwendung nicht zum Verkehr zugelassener Kraftfahrzeuge enthalten seien. Hinzu kämen zwei weitere Verwaltungsübertretungen wegen Verwendung von Kraftfahrzeugen ohne das Bestehen der vorgeschriebenen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Die übertretenen Bestimmungen würden insbesondere der Sicherheit der Teilnehmer am Straßenverkehr und damit der Abwendung von Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen dienen. Es handle sich um Übertretungen, die erhebliche Zweifel am Vorliegen der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit für das Lenken eines Taxifahrzeuges aufkommen ließen. Gerade von den im Taxifahrdienst tätigen Personen müsse erwartet werden, dass sie beim Lenken und Bedienen der Fahrzeuge ein besonderes Maß an Sorgfalt anwenden würden, da sich ihnen auf Grund ihres Berufes Personen zur sicheren Beförderung anvertrauen würden. Aus der großen Anzahl von Verwaltungsübertretungen, bei denen auch mehrere schwere Übertretungen enthalten gewesen seien, sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer derzeit nicht die Vertrauenswürdigkeit besitze, die als Voraussetzung für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises gefordert werde. Zum Berufungsvorbringen, dass die meisten Übertretungen nicht von ihm selbst, sondern von seinen Verwandten begangen worden wären, führte die belangte Behörde aus, dass es im Verfahren zur Ausstellung eines Taxilenkerausweises der Behörde nicht mehr möglich sei, rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren neu zu beurteilen und festzustellen, wer der tatsächliche Täter gewesen sei. Zum Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer benötige den Taxilenkerausweis dringend zur Versorgung seiner Familie und für die eigene Existenz, hielt die belangte Behörde fest, dass persönliche, wirtschaftliche und familiäre Gründe im Verfahren über die Ausstellung eines Taxilenkerausweises im öffentlichen Interesse nicht berücksichtigt werden dürften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. § 6 Abs 1 Z 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994), BGBl Nr 951/1993, in der Fassung BGBl II Nr 337/2003, fordert als eine der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises die Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers; diese muss zumindest in den letzten fünf Jahren vor Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.
2. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 6. September 2005, Zl 2005/03/0123) kommt dem in der BO 1994 nicht näher definierten Begriff der Vertrauenswürdigkeit unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs inhaltlich die Bedeutung von "sich verlassen können" zu. Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der je nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet werden. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten - wobei das Gesamtverhalten zu würdigen ist - auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf die Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes obliegt. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens dieser Person zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgt, feststeht. Im Falle der Begehung einer Straftat oder Verwaltungsübertretung ist maßgeblich für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 das dem Urteil bzw dem Bescheid, mit welchem über Schuld und Strafe abgesprochen wurde, zu Grunde liegende Verhalten.
3. Das - auch schon im Berufungsverfahren erstattete - Vorbringen, dass die meisten Übertretungen von Familienangehörigen des Beschwerdeführers begangen worden seien, kann der Beschwerde wegen der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Rechtskraft seiner Bestrafungen nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit in der Beschwerde behauptet wird, der Beschwerdeführer habe seit dem Jahr 1996 kein Fahrzeug mehr besessen und er habe lediglich für seine Angehörigen die Strafen bezahlt, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.
4. Hingegen ist die Beschwerde insoweit, als sie rügt, dass zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit "nicht nur eine Verwaltungsstrafevidenz heranzuziehen ist, sondern zu hinterfragen wäre, ob in einem allfälligen Strafverfahren charakterliche Eigenschaften des (Beschwerdeführers) zu erblicken sind, die mit den einschlägigen Bestimmungen der BetriebsO 1994 in Widerspruch stehen", berechtigt:
Wie im zuvor zitierten Erkenntnis vom 6. September 2005 dargestellt, ist für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 im Fall der Begehung von Verwaltungsübertretungen das dem über Schuld und Strafe absprechenden Bescheid zu Grunde liegende Verhalten maßgeblich. Dies macht es erforderlich, das betreffende Verhalten festzustellen, was auch im Fall einer "großen Anzahl von Verwaltungsübertretungen" nicht entbehrlich wird (vgl das eine "Vielzahl von Vormerkungen" betreffende hg Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl 2004/03/0205).
Der erstinstanzliche Bescheid enthält lediglich eine Auflistung der in der Verwaltungsstrafevidenz der Bezirkshauptmannschaft aufscheinenden Bestrafungen nach Geschäftszahl und angewendeter Gesetzesstelle. Der angefochtene Bescheid führt neben der Zahl von "ca 32 Verwaltungsübertretungen" einige der begangenen Übertretungshandlungen an, enthält aber weder die Tatzeitpunkte noch konkrete Ausführungen über das diesen Verwaltungsdelikten zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde ist zwar im Recht, wenn sie ausführt, dass die von ihr beispielhaft angeführten mehrfachen Übertretungen wegen massiver Geschwindigkeitsüberschreitung, Verwendung nicht zum Verkehr zugelassener Kraftfahrzeuge und Verwendung von Kraftfahrzeugen ohne das Bestehen der vorgeschriebenen Kfz-Haftpflichtversicherung erhebliche Zweifel am Vorliegen der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit für das Lenken eines Taxifahrzeuges aufkommen ließen. Indem die belangte Behörde jedoch keine näheren Feststellungen über das den erwähnten Übertretungen zu Grunde liegende konkrete Verhalten und die jeweiligen Tatzeitpunkte getroffen hat, ist der angefochtene Bescheid nicht nachvollziehbar begründet.
Dass die belangte Behörde nicht festgestellt hat, wann der Beschwerdeführer das den Verwaltungsstrafen zu Grunde liegende Verhalten gesetzt hat, begründet deshalb einen - relevanten - Verfahrensmangel, weil der Beschwerdeführer vorbringt, dass die "Vielzahl der Strafen aus den Jahren 2001 und 2002" stammen würden und im Jahr 2003 keine Übertretungen mehr begangen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Regelung des § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 nämlich dahin ausgelegt, dass der Beobachtungszeitraum von fünf Jahren (nur) zur Beurteilung der Zuverlässigkeit heranzuziehen ist, jedoch nicht jedes in diesem Zeitraum gesetzte Verhalten des Bewerbers um einen Taxilenkerausweis, das bei Vorliegen im Zeitpunkt der Ausstellung eine Unzuverlässigkeit indizieren würde, die Unzuverlässigkeit nach sich zieht, sofern dieses Verhalten schon weiter zurückliegt und im Zeitpunkt der Ausstellung nicht mehr - etwa im Hinblick auf das zwischenzeitige Wohlverhalten - die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen könnte. Es ist also eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums dahin vorzunehmen, ob die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Ausstellung des Taxilenkerausweises gegeben ist oder nicht (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 14. November 2006, Zl 2006/03/0153). Im vorliegenden Fall ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde näher mit der Frage befasst hätte, ob seit Verwirklichung des letzten vom Beschwerdeführer begangenen Deliktes - laut dem im Verwaltungsakt aufliegenden Verwaltungsstrafregister datiert diese Strafe vom 3. Februar 2003, der entsprechende Tatzeitpunkt ist dem Verwaltungsstrafregister aber nicht entnehmbar - ein längerer Zeitraum vergangen wäre, der im Hinblick auf ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers möglicherweise die Annahme gerechtfertigt hätte, dass er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seine Vertrauenswürdigkeit wieder erlangt hätte (vgl zu den in diesem Zusammenhang relevanten Zeitpunkten die hg Erkenntnisse vom 28. Februar 2005, Zl 2001/03/0104, und vom 30. April 2003, Zl 2000/03/0082).
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 28. Februar 2007
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004030044.X00Im RIS seit
04.04.2007