TE OGH 2002/4/9 4Ob86/02d

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Veröffentlicht am 09.04.2002
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 22. November 1983 geborenen Markus R*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Helmut R*****, vertreten durch Dr. Günther Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Wien und Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Jänner 2002, GZ 45 R 729/01s-127, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 22. November 2001, GZ 7 P 1160/95p-122, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, Paragraph 12 a, Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Marcus R***** ist der eheliche Sohn von Gabriele N*****, geschiedene R*****, und Helmut R*****. Aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 22. 11. 1999 kam die Obsorge für Marcus bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit der mütterlichen Großmutter Anna S***** zu, in deren Haushalt Marcus auch betreut wird. Der Vater wurde zuletzt mit Beschluss des Rekursgerichts vom 15. 11. 2000 (ON 113) zu folgenden monatlichen Unterhaltszahlungen für Marcus verpflichtet:

vom 1. 4. 1997 bis 30. 6. 1997 9.050 S,

vom 1. 7. 1997 bis 30. 6. 1998 9.200 S,

vom 1. 7. 1998 bis 30. 11. 1998 9.350 S,

vom 1. 12. 1998 bis 31. 12. 1998 10.600 S,

vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999 10.900 S,

vom 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2000 8.575 S

und ab 1. 4. 2000 10.900 S.

Dem lag zugrunde, dass der Vater keine weiteren Sorgepflichten hat und ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von zuletzt über 49.000 S bezog.

Am 30. 7. 2001 beantragte der Vater unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, seine Unterhaltsverpflichtung im Sinne einer von ihm angestellten Berechnung rückwirkend ab

1. 4. 1997 bis 30. 6. 1997 auf 7.690 S,

vom 1. 7. 1997 bis 30. 6. 1998 auf 7.820 S,

vom 1. 7. 1998 bis 30. 11. 1998 auf 7.950 S,

vom 1. 12. 1998 bis 31. 12. 1998 auf 9.010 S,

vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999 und ab

1. 4. 2000 laufend auf 9.250 S herabzusetzen.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag teils ab, teils - wegen Verjährung - zurück. Es stellte für das Jahr 2000 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von rund 59.500 S und für die Zeit von Jänner bis Oktober 2001 ein solches von rund 68.000 S fest und war der Ansicht, mit der bisherigen Unterhaltsfestsetzung sei die Leistungsfähigkeit des Vaters nicht ausgeschöpft, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Kürzung des Geldunterhalts wegen teilweiser Anrechnung von Transferleistungen des Vaters nicht gegeben seien.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, vorgeschlagenen teleologischen Reduktion des § 12a FLAG könne nicht beigetreten werden. Sie sei auch bedenklich, weil sich aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung, aber auch aus der gleichzeitig geschaffenen Bestimmung des § 2 Abs 2 FLAG eindeutig ergebe, dass der Gesetzgeber den Fall, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil nicht mit dem die Familienbeihilfe beziehenden (anderen Elternteil) im selben Haushalt lebt, bedacht und gerade dahin gelöst habe, dass die Familienbeihilfe den Unterhaltsanspruch des Kindes in keiner Weise mindert. Aus den Materialien (661 BlgNR XIV. GP) sei zu entnehmen, dass die Familienbeihilfe überhaupt keine Entlastung der für das Kind sorgepflichtigen, aber nicht mit ihm im selben Haushalt lebenden Person herbeiführen soll. Damit sei aber klargestellt, dass die Familienbeihilfe seit 1. 1. 1978 den Charakter einer Betreuungshilfe habe und Einkommen der Person sei, die die Betreuung des Kindes tatsächlich leiste.Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, vorgeschlagenen teleologischen Reduktion des Paragraph 12 a, FLAG könne nicht beigetreten werden. Sie sei auch bedenklich, weil sich aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung, aber auch aus der gleichzeitig geschaffenen Bestimmung des Paragraph 2, Absatz 2, FLAG eindeutig ergebe, dass der Gesetzgeber den Fall, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil nicht mit dem die Familienbeihilfe beziehenden (anderen Elternteil) im selben Haushalt lebt, bedacht und gerade dahin gelöst habe, dass die Familienbeihilfe den Unterhaltsanspruch des Kindes in keiner Weise mindert. Aus den Materialien (661 BlgNR römisch XIV. GP) sei zu entnehmen, dass die Familienbeihilfe überhaupt keine Entlastung der für das Kind sorgepflichtigen, aber nicht mit ihm im selben Haushalt lebenden Person herbeiführen soll. Damit sei aber klargestellt, dass die Familienbeihilfe seit 1. 1. 1978 den Charakter einer Betreuungshilfe habe und Einkommen der Person sei, die die Betreuung des Kindes tatsächlich leiste.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Nach den aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu ziehenden rechtlichen Schlussfolgerungen sei im Sinne des Herabsetzungsantrags zu entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind bereits weitere Anträge gefolgt, so dass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in der weitaus überwiegenden Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, gemäß Artikel 89, Absatz 2, B-VG (Artikel 140, B-VG) beantragt, Paragraph 12 a, FLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind bereits weitere Anträge gefolgt, so dass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des Paragraph 12 a, FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in der weitaus überwiegenden Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre ein unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er § 12a FLAG aufheben - nicht auch in bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden ist. Mit Beschluss vom 9. März 2002, G 7/02-6, hat der Verfassungsgerichtshof für den Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken.Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Artikel 140, Absatz 7, zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre ein unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er Paragraph 12 a, FLAG aufheben - nicht auch in bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden ist. Mit Beschluss vom 9. März 2002, G 7/02-6, hat der Verfassungsgerichtshof für den Fall einer Aufhebung des Paragraph 12 a, FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken.

Ist nun davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die anderen Verfahren erstrecken wird, sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für das vorliegende Verfahren, weil sich bei einer Aufhebung des § 12a FLAG der Unterhaltsbeitrag durch Berücksichtigung der Familienbeihilfe entsprechend vermindern wird.Ist nun davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung des Paragraph 12 a, FLAG die Anlassfallwirkung auf die anderen Verfahren erstrecken wird, sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für das vorliegende Verfahren, weil sich bei einer Aufhebung des Paragraph 12 a, FLAG der Unterhaltsbeitrag durch Berücksichtigung der Familienbeihilfe entsprechend vermindern wird.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung, widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern, auch im vorliegenden Fall zutrifft.Gemäß Paragraph 190, Absatz eins, ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des Paragraph 190, ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung, widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern, auch im vorliegenden Fall zutrifft.

Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des Paragraph 12 a, FLAG zu unterbrechen.

Textnummer

E65065

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00086.02D.0409.000

Im RIS seit

09.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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