Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter OLWR Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, als Fortsetzungsberechtigte nach der am 3. Dezember 2001 verstorbenen Anna L*****, Pensionistin in O*****, gegen die beklagte Partei Bundespensionsamt, Barichgasse 31, 1031 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Oktober 2001, GZ 8 Rs 317/01y-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. März 2001, GZ 12 Cgs 239/00z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 27. 10. 1998 hat die beklagte Partei der am 3. 12. 2001 verstorbenen Anna L***** Pflegegeld der Stufe 5 gewährt. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Klage führte zum Verfahren 28 Cgs 28/98d des Arbeits- und Sozialgerichts Wien, in dem das Begehren auf Zuerkennung eines über die Stufe 5 hinausgehenden Pflegegeldes abgewiesen wurde. Die Berufungsentscheidung vom 26. 11. 1999 wurde dem Vertreter der Klägerin am 17. 1. 2000 zugestellt. Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen,.
Am 3. 7. 2000 stellte Anna L***** mit dem Hinweis auf eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes einen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe 7. Dem Antrag wurde ein Attest einer praktischen Ärztin vom 1. 6. 2000 beigelegt, wonach sich der Zustand der Patientin insgesamt wesentlich verschlechtert habe und praktisch rund um die Uhr den Pflegeeinsatz erfordere, weshalb um erneute Begutachtung zur Pflegegeldeinstufung gebeten werde. Mit Bescheid vom 31. 8. 2000 hat die beklagte Partei den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass seit dem abweisenden Urteil des OLG Wien vom 26. 11. 1999 noch kein Jahr verstrichen sei und aus dem mit dem Antrag vorgelegten ärztlichen Attest keine wesentliche, für die Pflegegeldeinstufung maßgebliche Änderung abzuleiten sei. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung von Pflegegeld der Stufe 7 ab 29. 6. 2000 gerichtete Klagebegehren hinsichtlich des Zeitraums vom 29. 6. 2000 bis 31. 7. 2000 zurück und hinsichtlich des Zeitraums ab dem Stichtag 1. 8. 2000 ab. Eine wesentliche Änderung der Anspruchsvoraussetzungen sei nicht eingetreten, weshalb eine solche auch nicht im Sinne des § 25 Abs 4 BPGG glaubhaft bescheinigt sei.Am 3. 7. 2000 stellte Anna L***** mit dem Hinweis auf eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes einen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe 7. Dem Antrag wurde ein Attest einer praktischen Ärztin vom 1. 6. 2000 beigelegt, wonach sich der Zustand der Patientin insgesamt wesentlich verschlechtert habe und praktisch rund um die Uhr den Pflegeeinsatz erfordere, weshalb um erneute Begutachtung zur Pflegegeldeinstufung gebeten werde. Mit Bescheid vom 31. 8. 2000 hat die beklagte Partei den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass seit dem abweisenden Urteil des OLG Wien vom 26. 11. 1999 noch kein Jahr verstrichen sei und aus dem mit dem Antrag vorgelegten ärztlichen Attest keine wesentliche, für die Pflegegeldeinstufung maßgebliche Änderung abzuleiten sei. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung von Pflegegeld der Stufe 7 ab 29. 6. 2000 gerichtete Klagebegehren hinsichtlich des Zeitraums vom 29. 6. 2000 bis 31. 7. 2000 zurück und hinsichtlich des Zeitraums ab dem Stichtag 1. 8. 2000 ab. Eine wesentliche Änderung der Anspruchsvoraussetzungen sei nicht eingetreten, weshalb eine solche auch nicht im Sinne des Paragraph 25, Absatz 4, BPGG glaubhaft bescheinigt sei.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss; im übrigen gab es der Berufung nach mündlicher Berufungsverhandlung mit Urteil nicht Folge. Die behauptete Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit lägen nicht vor, die erstgerichtliche Beweiswürdigung sei unbedenklich und die Rechtsrüge sei nicht berechtigt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt. In den als Rekurs gegen die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung bezeichneten Rechtsmittelausführungen wird nur der schon in der Berufung erhobene Vorwurf wiederholt, das erstgerichtliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren seien iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig, weil der klagenden Partei infolge ungebührlicher Verspätung des Verhandlungsbeginns die Möglichkeit genommen worden sei, an der Streitverhandlung vom 30. 3. 2001 teilzunehmen. Die diesbezügliche Nichtigkeitsberufung wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss verworfen. Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes kann nach Lehre (zB Fasching, ZPR2 Rz 1905, 1974 und 1979; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 503) und ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0043405; SSV-NF 1/36) weder mit Rekurs noch in der Revision bekämpft werden. Die von der Revisionswerberin neuerlich gerügten Mängel des Verfahrens erster Instanz, insbesondere die Durchführung der Gutachtenserörterung ohne Teilnahme des Klagevertreters, hat bereits das Berufungsgericht verneint, sodass diese in der Revision wiederholten Verfahrensmängel erster Instanz nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 503 ZPO; SSV-NF 5/116, 7/74, 11/15 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Das Modell der sukzessiven Zuständigkeit sieht grundsätzlich eine Entscheidungsbefugnis des Gerichtes erst dann vor, wenn zuvor über den betreffenden Anspruch eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers ergangen oder dieser säumig geworden ist (§ 67 Abs 1 ASGG). Eine Lockerung der strengen Bindung an den im Bescheid erledigten Anspruch bringt § 68 ASGG. Hat ein Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG oder § 25 Abs 2 BPGG den Antrag zurückgewiesen und vermag der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen, ist das gerichtliche Verfahren durchzuführen und in der Sache zu entscheiden. Die Glaubhaftmachung ist hier nicht etwa eine sachliche Voraussetzung für das Bestehen des Leistungsanspruches; sie ist vielmehr eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges. Gelingt dem Versicherten die Glaubhaftmachung nämlich nicht, ist seine Klage gemäß § 73 ASGG wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen. Es fehlt dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (SZ 63/184 = SSV-NF 4/133; RIS-Justiz RS0085668; Kuderna, ASGG2 § 68 Anm 3 und § 73 Anm 1). Das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges bildet einen vom Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO, der nur dann nicht mehr aufgegriffen werden kann, wenn bereits eine bindende, die Nichtigkeit verneinende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt (RIS-Justiz RS0035572; Kodek in Rechberger, ZPO2, § 503 Rz 2). Eine Bindung ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn sich das Gericht in den Entscheidungsgründen mit dem Nichtvorliegen des Prozesshindernisses auseinandergesetzt hat (SZ 54/190; RIS-Justiz RS0042917, RS0043800, RS0043823).Die nach Paragraph 46, Absatz 3, ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt. In den als Rekurs gegen die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung bezeichneten Rechtsmittelausführungen wird nur der schon in der Berufung erhobene Vorwurf wiederholt, das erstgerichtliche Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren seien iSd Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 4, ZPO nichtig, weil der klagenden Partei infolge ungebührlicher Verspätung des Verhandlungsbeginns die Möglichkeit genommen worden sei, an der Streitverhandlung vom 30. 3. 2001 teilzunehmen. Die diesbezügliche Nichtigkeitsberufung wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss verworfen. Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes kann nach Lehre (zB Fasching, ZPR2 Rz 1905, 1974 und 1979; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu Paragraph 503,) und ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0043405; SSV-NF 1/36) weder mit Rekurs noch in der Revision bekämpft werden. Die von der Revisionswerberin neuerlich gerügten Mängel des Verfahrens erster Instanz, insbesondere die Durchführung der Gutachtenserörterung ohne Teilnahme des Klagevertreters, hat bereits das Berufungsgericht verneint, sodass diese in der Revision wiederholten Verfahrensmängel erster Instanz nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu Paragraph 503, ZPO; SSV-NF 5/116, 7/74, 11/15 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061). Das Modell der sukzessiven Zuständigkeit sieht grundsätzlich eine Entscheidungsbefugnis des Gerichtes erst dann vor, wenn zuvor über den betreffenden Anspruch eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers ergangen oder dieser säumig geworden ist (Paragraph 67, Absatz eins, ASGG). Eine Lockerung der strengen Bindung an den im Bescheid erledigten Anspruch bringt Paragraph 68, ASGG. Hat ein Versicherungsträger in den Fällen des Paragraph 362, ASVG oder Paragraph 25, Absatz 2, BPGG den Antrag zurückgewiesen und vermag der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen, ist das gerichtliche Verfahren durchzuführen und in der Sache zu entscheiden. Die Glaubhaftmachung ist hier nicht etwa eine sachliche Voraussetzung für das Bestehen des Leistungsanspruches; sie ist vielmehr eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges. Gelingt dem Versicherten die Glaubhaftmachung nämlich nicht, ist seine Klage gemäß Paragraph 73, ASGG wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen. Es fehlt dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (SZ 63/184 = SSV-NF 4/133; RIS-Justiz RS0085668; Kuderna, ASGG2 Paragraph 68, Anmerkung 3 und Paragraph 73, Anmerkung 1). Das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges bildet einen vom Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund nach Paragraph 477, Absatz eins, Ziffer 6, ZPO, der nur dann nicht mehr aufgegriffen werden kann, wenn bereits eine bindende, die Nichtigkeit verneinende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt (RIS-Justiz RS0035572; Kodek in Rechberger, ZPO2, Paragraph 503, Rz 2). Eine Bindung ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn sich das Gericht in den Entscheidungsgründen mit dem Nichtvorliegen des Prozesshindernisses auseinandergesetzt hat (SZ 54/190; RIS-Justiz RS0042917, RS0043800, RS0043823).
Nach den Feststellungen hat sich der Zustand der Klägerin gegenüber demjenigen, der der Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 5 zugrunde lag, nicht verändert. Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Tatfrage (SSV-NF 5/141). Damit ist aber der klagenden Partei die von § 68 ASGG geforderte Glaubhaftmachung nicht gelungen, weshalb für die Geltendmachung von Pflegegeld für den gesamten Zeitraum ab 29. 6. 2000 der Rechtsweg unzulässig ist. Eine dem entgegen stehende bindende Entscheidung, die das Prozesshindernis verneint hätte, liegt nicht vor.Nach den Feststellungen hat sich der Zustand der Klägerin gegenüber demjenigen, der der Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 5 zugrunde lag, nicht verändert. Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Tatfrage (SSV-NF 5/141). Damit ist aber der klagenden Partei die von Paragraph 68, ASGG geforderte Glaubhaftmachung nicht gelungen, weshalb für die Geltendmachung von Pflegegeld für den gesamten Zeitraum ab 29. 6. 2000 der Rechtsweg unzulässig ist. Eine dem entgegen stehende bindende Entscheidung, die das Prozesshindernis verneint hätte, liegt nicht vor.
Aus Anlass der Revision der klagenden Partei waren daher die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig aufzuheben; die Klage war nach § 73 ASGG zurückzuweisen.Aus Anlass der Revision der klagenden Partei waren daher die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig aufzuheben; die Klage war nach Paragraph 73, ASGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG und § 51 Abs 2 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG und Paragraph 51, Absatz 2, ZPO.
Anmerkung
E65555 10ObS112.02xEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00112.02X.0416.000Dokumentnummer
JJT_20020416_OGH0002_010OBS00112_02X0000_000