Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Sebastian S*****, geboren am *****, und des mj. Hannes S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Harald R*****, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 17. Jänner 2002, GZ 20 R 207/01h-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 29. November 2001, GZ 1 P 131/00w-81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 18. 5. 2000 (ON 46) wurde der Vater ab 1. 1. 1999 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 7.500 für seinen Sohn Sebastian und von S 5.500 für seinen Sohn Hannes verpflichtet. In der Folge beantragte er die Herabsetzung dieser Unterhaltsverpflichtung auf S 6.025 bzw S 4.650 monatlich. Die Mutter hingegen begehrte die Erhöhung des vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalts auf je S 8.325. Der Vater begründete sein Herabsetzungsbegehren im Wesentlichen damit, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zumindest die Hälfte des geschuldeten Unterhalts steuerlich zu berücksichtigen sei, und dies nur durch eine Kürzung der vom Geldunterhaltspflichtigen zu leistenden Unterhaltszahlungen erfolgen könne.
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater ab 1. 7. 2001 zu leistenden monatlichen Unterhalt auf S 7.900 je Kind und wies das Mehrbegehren der Mutter ab. Unter anderem führte es aus, dass die ordentliche Gerichte an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden seien und sich die Rechtslage durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht geändert habe.
Das Rekursgericht bestätigte diese - nur vom Vater angefochtene - Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch das Rekursgericht erachtete sich im Rahmen einer Unterhaltsfestsetzung nicht an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gebunden, zumal dessen Ansicht dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG widerspreche. Die Familienbeihilfe solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde, sie dürfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils angerechnet werden.
Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihn nur zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 6.275 bzw S 6.450 zu verpflichten. Die Unterhaltspflicht müsse nämlich auf Grund des bereits zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung des Vaters reduziert werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.
Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.Gemäß § 190 Absatz eins, ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.
Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FamLAG zu unterbrechen. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen.
Textnummer
E65357European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00079.02B.0430.000Im RIS seit
30.05.2002Zuletzt aktualisiert am
11.02.2011