TE OGH 2002/4/30 1Ob90/02w

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Veröffentlicht am 30.04.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Christopher W*****, geboren am *****, und des mj Alexander W*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Otto W*****, vertreten durch Dr. Günter Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 2002, GZ 42 R 570/01m-17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 9. Oktober 2001, GZ 19 P 329/01a-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht setzte den vom Vater ab 1. 1. 2001 zu leistenden monatlichen Unterhalt mit S 6.000 (= 436,04 EUR) für den mj Christopher und mit S 5.300 (= 385,17 EUR) für den mj Alexander fest. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Vaters von S 35.300 monatlich stünde den Kindern der festgesetzte Betrag zu. An die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in dessen Entscheidung vom 27. 6. 2001, B 1285/00, erachte sich das Gericht nicht gebunden, zumal gemäß § 12a FamLAG die Familienbeihilfe kein Einkommen der Kinder darstelle und somit deren Unterhaltsanspruch nicht mindern könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese vom Vater angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat ebenfalls die Ansicht, dass die Familienbeihilfe kein den Unterhaltsanspruch der Kinder minderndes Einkommen darstelle. An den in der Begründung des oben zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs aufgezeigten Weg einer möglichen verfassungskonformen Lösung des Problems der steuerrechtlichen Entlastung Unterhaltspflichtiger erachte sich das Gericht zweiter Instanz nicht gebunden. Im Rahmen der Unterhaltsbemessung sei kein Raum für einen Abzugsposten, der allein dazu diene, eine Steuermehrbelastung des Unterhaltspflichtigen abzugelten.

Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihn nur zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 374,27 EUR (für Christopher) bzw 346,29 EUR (für Alexander) zu verpflichten. Unter anderem führte er aus, dass sich auf Grund der bereits zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs die bisherige Judikatur der Gerichte zu § 12a FamLAG nicht aufrecht erhalten ließe.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.

Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FamLAG zu unterbrechen. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen.

Textnummer

E65362

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00090.02W.0430.000

Im RIS seit

30.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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