Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Verena A*****, geboren am *****, und der mj. Kirstin Auer, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Weiz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. Jänner 2002, GZ 2 R 31/02x-40, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gleisdorf vom 4. Dezember 2001, GZ 1 P 1874/95m-36, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646, (seinem ganzen Inhalt nach) als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, (seinem ganzen Inhalt nach) als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht kürzte den Unterhalt der beiden Kinder aufgrund eines Herabsetzungsantrags des Vaters von je 6.800 S monatlich auf je 6.000 S monatlich. Das Mehrbegehren, den Unterhalt um weitere 200 S monatlich je Kind herabzusetzen, wies es ab. Es stützte diese Entscheidung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001 B 1285/00 über die Kürzung des Geldunterhalts durch Anrechnung eines Teils der Familienbeihilfe gemäß § 12a FLAG.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs "über die Anrechenbarkeit von Transferleistungen auf die Unterhaltsverpflichtung" mangle.
Die Minderjährigen bekämpften diese Entscheidung mit Revisionsrekurs.
Der erkennende Senat hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof beantragte mit Beschluss vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) , § 12a FLAG 1967 idFd BGBl 1977/646 (seinem ganzen Inhalt nach) als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag folgten weitere Anträge, sodass derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage nach der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Unterhaltsbemessungsverfahren stellen wird, in denen sich die vom Gesetz angeordnete Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei Bemessung des Geldunterhalts auswirkt.
Offenkundig deshalb sprach der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. März 2002, GZ G 7/02-6, aus, "in der Rechtssache G 7/02 - Anfechtung des § 12a FLAG durch den OGH - wird im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken".
Ist nunmehr davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten Fälle erstrecken wird, so sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für dieses Verfahren, weil der Geldunterhalt nach einer Aufhebung des § 12a FLAG durch eine (teilweise) Anrechnung der Familienbeihilfe zu kürzen sein wird.
2. Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine solche Unterbrechung ist weder wegen eines vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahrens noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch eine analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch für den Anlassfall maßgebend ist (3 Ob 64/02m; 4 Ob 52/02d).2. Gemäß § 190 Absatz eins, ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine solche Unterbrechung ist weder wegen eines vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahrens noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch eine analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch für den Anlassfall maßgebend ist (3 Ob 64/02m; 4 Ob 52/02d).
Das Verfahren ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.
Textnummer
E65351European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00072.02Y.0430.000Im RIS seit
30.05.2002Zuletzt aktualisiert am
11.02.2011